
Zukunftskommission. Warum ich das Ergebnis begrüße
Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hat Anfang Juli 2021 ihren Abschlussbericht vorgelegt. Er gibt die Ergebnisse einer intensiven Arbeit an den Grundlagen unseres Landwirtschafts- und Ernährungssystems wieder. Über ein Jahr lang haben sich rund 30 Fachleute mit Fakten und Argumenten auseinandergesetzt und ausgehend von zum Teil gegensätzlichen Positionen gemeinsame Lösungsansätze entwickelt.
Das Ergebnis kann sich meiner Ansicht nach sehen lassen. Es zeigt, dass es zur Zukunft des Landwirtschafts- und Ernährungssystems keine einfachen Antworten gibt. Daher sind die Überlegungen und konkreten Leitlinien, die von der ZKL vorgeschlagen werden, umso wichtiger. Weil aber viele einzelne Aspekte angesprochen werden, die mal der einen, mal der anderen »Fraktion« gut gefallen, ist es wichtig, das Gesamtwerk nicht für Partikular-interessen in Anspruch zu nehmen und damit zu banalisieren.
Vielen Landwirte, die mit ihren Protesten die Einsetzung der ZKL herbeigeführt haben, gehen die Aussagen nicht weit genug. Dies ist verständlich, hätten sich doch auch die landwirtschaftlichen Organisationen klarere Aussagen zu Insektenschutz, Düngeverordnung und Nutztierhaltung erhofft. Trotzdem ist die Botschaft der ZKL gerade auch für die Landwirtschaft wichtig, weil sie die Kernpunkte definiert, von denen künftig jede längerfristige und ernsthafte Diskussion um deren Weiterentwicklung ausgehen muss:
- Die Landwirtschaft ist systemrelevant.
- Die Produktivität der Landwirtschaft ist Ursache unseres gesamtgesellschaftlichen Wohlstands.
- Durch ihre unauflösbare Verflechtung mit Boden, Wasser, Luft, Flora und Fauna hat sie allerdings Anteil an einigen Umweltproblemen.
- Durch ihre enge Einbettung in die globalen Beschaffungs- und Absatzmärkte ist sie einem scharfen globalen Wettbewerb unterworfen und einem intensiven ökonomischen Druck ausgesetzt.
- Durch ihre hohe Relevanz für die Gesellschaft und den ländlichen Raum wird die Landwirtschaft von einer kritischen Öffentlichkeit aufmerksam beobachtet.

Landwirtschaft war nie statisch, sie hat sich immer weiterentwickelt. Die Richtung dieser Entwicklung muss stetig an die Anforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft angepasst werden. Diese Ausrichtung hat längst begonnen und kann nur gelingen, wenn wir das Gesamtbild vor Augen haben und uns gleichzeitig auf alle Aufgaben, auf alle Maßnahmen, auf alle Instrumente konzentrieren. Die DLG wird diesen Prozess als Fachorganisation begleiten und den Transfer von Wissen, Qualität und Technologien für mehr Nachhaltigkeit in der Land-, Agrar- und Lebensmittelwirtschaft fördern.
Die ZKL eröffnet einen entscheidenden Perspektivwechsel. Bisher wird im Zusammenhang mit den negativen Auswirkungen der Landwirtschaft auf Natur, Umwelt und Klima häufig vom »Verursacherprinzip« gesprochen. Damit entsteht der falsche Eindruck, die Landwirtschaft sei allein für die potentiellen externen Kosten verantwortlich. Diese werden auf Basis einer (umstrittenen) Studie auf bis zu 90 Mrd. € pro Jahr beziffert. In Wahrheit werden sie wohl niedriger liegen. Wie hoch auch immer diese Kosten sind: Es ist das Wesen der sozialen Marktwirtschaft, dass solche gesellschaftlich relevanten Kosten gesamtgesellschaftlich zu tragen sind.
In ihrem Bericht stellt die Kommission daher eine andere, viel entscheidendere Frage: Wer kann die negativen Effekte im Agrarbereich am effizientesten vermeiden bzw. kompensieren? Die Antwort gibt schon der Titel des Berichtes: »eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe«. Neben der Landwirtschaft selbst und der Betriebsmittel- und Investitionsgüterindustrie sind dies die verschiedensten Akteure aus allen Sektoren der Gesellschaft, den Verbraucher eingeschlossen. Für die Landwirte soll es zukünftig betriebswirtschaftlich attraktiv sein, diese Effekte zu vermeiden – denn nur sie sind in der Lage, hierzu substanziell beizutragen. Damit erbringt die Landwirtschaft eine Leistung, für die die gesamte Gesellschaft sie bezahlen sollte – wenn nötig auch über das bisherige GAP-Budget hinaus. Das ist für die Gesellschaft auf jeden Fall billiger, als die Landwirte mit einem Umbau der Bewirtschaftungsverfahren unter den Bedingungen internationaler Agrarmärkte allein zu lassen.
Die zukünftige Politik sollte sich daher ein Leitmotiv geben: Der Umbau der Landwirtschaft muss betriebswirtschaftlich attraktiv sein, und er sollte neue Geschäftsmodelle für die Betriebe bieten. Effizienter Umwelt- und Tierschutz durch marktwirtschaftliche Instrumente: So wird der ZKL-Bericht zum Innovationstreiber und zum wesentlichen Impuls für die gesellschaftliche Diskussion.
Damit befreit die ZKL die Diskussion von der Schuldzuweisung an die Landwirte. Sie eröffnet den Wettbewerb um die besten, also auch ökonomisch effizientesten Lösungswege. Sie beschreibt die vor uns liegende Neugestaltung der Landwirtschaft als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie legt einen Schwerpunkt auf dem Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente. So wäre zum Beispiel das Insektenschutzpaket, das ja zunächst ohne Ausgleich vorgesehen war, mit den Empfehlungen der ZKL nicht vereinbar. Ein nachhaltiges Ernährungssystem wird damit zum Geschäftsmodell für alle, die dazu etwas beizutragen haben. Und das, meine ich, passt doch sehr gut zu unserem Selbstverständnis als zukunftsorientierte landwirtschaftliche Unternehmer.
Welche Punkte mir wichtig sind
- Innovationen als Beitrag zur Nachhaltigkeit. Dazu gehören z. B. Düngezusatzstoffe, innovative Pflanzenschutzmittel und Biostimulanzien, aber auch die Digitalisierung. Pflanzenschutz und Düngung stehen im Mittelpunkt der Farm to Fork-Strategie der EU mit ihren Minderungszielen. Lassen Sie uns in Zukunft weniger über Prozentzahlen diskutieren als über die Möglichkeiten, Betriebsmittel bei gleichen Erträgen effizenter und umweltschonender einzusetzen! (ZKL-Bericht, Seite 135)
- Differenzierte Regulierung der neuen gentechnischen Verfahren. Die Zukunftskommission gibt keinen Freibrief für die Gentechnik. Aber sie spricht sich für eine regulierte Zulassung incl. Risikoprüfung aus. Angesichts der aktuellen Blockade ist damit die Tür zumindest einen Spalt weit offen für leistungsfähige und resistente Sorten aus modernen Züchtungsverfahren. (Seite 138)
- Marktwirtschaftliche Instrumente. Anreize sollen den Vorzug vor dem Ordnungsrecht bekommen. Es scheint, als sei ein Verständnis für dieses Anliegen der Landwirtschaft auch bei den beteiligten NGO angekommen. (Seiten 100, 114)
- Kooperationen zwischen Landwirtschaft und Naturschutz auf regionaler Ebene. Maßnahmen sollten nicht isoliert auf einzelbetrieblicher Ebene umgesetzt werden, sondern gemeinsam – mit besserer Wirkung bei geringerer Bürokratie. Das »niederländische Modell« kann hier grundsätzlich Vorbild sein. (Zehnte Leitlinie, Seite 62)
- Die Nachfrage nach Fleisch und Milch bestimmt die Entwicklung der Tierbestände. Wenn die Konsumenten durch eine geringere Nachfrage einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten wollen, werden die Tierbestände zurückgehen. Aber eine Reduktion ist kein Selbstzweck. (Seite 78)
- Ergebnis- statt Maßnahmenorientierung bei der Förderung von Agrarumweltleistungen. Nur Gutes zu wollen, reicht nicht. Entscheidend ist, ob Klima oder Biodiversität tatsächlich profitieren. Indikatoren dafür gibt es. (Neunte Leitlinie, S. 62)
- Hybridlandwirtschaft ist das neue Konventionell! Konzepte, welche die hohen Ertragsleistungen der konventionellen Landwirtschaft mit den Umweltleistungen des Ökolandbaus verbinden, werden es schaffen, in der Breite die Bevölkerung mit Qualitätslebensmitteln zu akzeptablen Preisen zu versorgen. (Seite 126)