Portrait. »Wir müssen weniger austauschbar sein.«
Eine durchdachte Produktionskette und das Eingehen auf Anforderungen der Abnehmer machen den Betrieb Riedl zu einem attraktiven Partner für Schlachter und LEH. Entscheidend für Gespräche auf Augenhöhe ist aber die Größe.
Die vom Betrieb Riedl jährlich etwa 40 000 erzeugten Mastschweine sind zu 95 % über Lieferverträge an feste Abnehmer gebunden. Die Laufzeiten betragen zwischen ein und drei Jahren. »Mit den Verträgen ging es erst vor zwei bis drei Jahren so richtig los. Davor war das für uns unvorstellbar«, berichtet Michael Riedl, der das Unternehmen aus dem bayerischen Unterahrein gemeinsam mit seinem Vater Günther führt. Heute sind sowohl die wöchentlichen Liefermengen als auch die Qualitäten festgelegt. Die belieferten Spezialprogramme, wie das Markenfleischprogramm der Edeka, vergüten das mit festen Zuschlägen auf den VEZG-Preis.
Höhere Haltungsstufen sind finanziell derzeit unattraktiv. Alle Schweine werden nach den Vorgaben der Haltungsformstufe (HF) 2 gehalten. »Außerdem produzieren wir auch einige Biomastschweine, allerdings ohne Festverträge. Haltungsform 3 ist bei uns derzeit kein Thema«, so Riedl. Dabei hätte er durchaus einen Stall, in dem das sofort möglich wäre. »Die Zuschläge für die Haltungsform 2 sind hier bei uns im Süden finanziell interessanter als die für Haltungsform 3.« Denn
HF 2-Mastschweine sind in Bayern Mangelware. Erst recht, wenn bei den Ferkeln auch noch die Nämlichkeit im Sinne der Initiative Tierwohl (ITW) gewünscht ist – also deutsche Herkunft und Einhaltung der ITW-Standards.
Schweine im Betrieb Riedl
- Jahresproduktion von 40 000 Mastschweinen
- Ferkelerzeugung mit 1 500 Sauen und angeschlossener Ferkelaufzucht in Brandenburg
- Mast aller Tiere an mehreren Standorten in Bayern, teilweise mit Lohnmästern
- 95 % der Tiere werden nach HF 2 (ITW) gehalten
- kleiner Betriebszweig mit Bioschweinemast
Zentrales Vermarkutngsargument
Die eigene Ferkelproduktion ist das zentrale Argument in der Vermarktung. Riedl hat vor einigen Jahren eine Anlage für 1 500 Sauen in Brandenburg gekauft. 95 % der dort erzeugten Ferkel werden in Bayern gemästet – in eigenen Ställen und auch mit Partnerbetrieben. »Die eigene Ferkelerzeugung macht uns zu einem sehr interessanten Partner und hat für unsere gesamte Vermarktung eine große Bedeutung. Sie garantiert eine regelmäßige wöchentliche Lieferung und ein konstantes Produkt«, erläutert Riedl. Die Wahl der Genetik und die Fütterung liegen dabei in der Hand des Betriebs und sind die entscheidenden Stellschrauben, um die in den Programmen geforderte Qualität zu erreichen. »Qualität definiert sich hier im Süden durch einen hohen Schinkenanteil und magere Schlachtkörper. Wir arbeiten intensiv daran, den Schlachtkörper so hinzubekommen, wie es der Abnehmer wünscht.« Dabei setzt Riedl auf die Kreuzung aus einer dänischen Sauenlinie und dem TN Tempo-Eber.
Zudem arbeitet Riedl daran, weitere Qualitätsmerkmale seines Produkts herauszustellen: »Wir haben das Nachhaltigkeitszertifikat der DLG und verfügen auch über unseren betriebsindividuellen CO2-Footprint für die Schweinefleischproduktion. Mit all diesen Bausteinen können wir ein Produkt anbieten, das nicht leicht austauschbar ist. Aus unserer Sicht lohnt es sich, auch bei diesen Themen vorne mit dabei zu sein, um sich von den Mitbewerbern im Markt etwas abzuheben.«
Riedl ist sich durchaus darüber im Klaren, dass vor allem die Menge an Schlachtschweinen, die er anbieten kann, seine Verhandlungsposition stärkt. »In Regionalprogrammen, die vielleicht nur wenige LKW-Ladungen pro Woche benötigen, stellen wir einfach einen Faktor dar. Wir befinden uns heute deutlich mehr auf Augenhöhe mit unseren Vertragspartnern.«
Mit Verträgen läuft es ruhiger. Die Abläufe im Betrieb Riedl sind konstanter geworden, seit die Produktion vertraglich gebunden ist. »Planbarkeit ist für unseren Betrieb, der stark auf Fremdarbeitskräfte angewiesen ist, extrem wichtig. Eine Verschiebung der Lieferung von Schlachtschweinen verursacht riesige Probleme. Denn wir haben, egal was kommt, jede Woche Ferkel, die abgesetzt werden müssen, Mastschweine, die schlachtreif sind und Ställe, die zu waschen sind.« Die vertragliche Bindung sorgt für einen verlässlichen Terminplan, der viele Monate im Voraus fest steht. »Das macht die Organisation sehr viel einfacher. Früher ging es zwar auch, hat aber deutlich mehr Nerven gekostet. Dahin möchte ich definitiv nicht mehr zurück.«
Mengensteuerung ist ein klassisches Instrument einer Integration
Wenn vorhersehbar ist, dass der Absatz geringer ausfallen wird, werden in der Kette Maßnahmen ergriffen, um sich dem möglichst anzupassen. Auch zwischen Riedl und seinen Vertragspartnern ist eine Steuerung der Produktionsmenge für den Zeitraum rund um Weihnachten abgesprochen. Durch eine deutliche Reduktion der Schlachtgewichte bei den Lieferungen im Dezember werden Schlachtungen mit dem Ziel vorgezogen, zwischen Weihnachten und dem 6. Januar nur sehr wenige Tiere zu liefern. Denn dann ist Personal in Schlachtung und Verarbeitung sowieso knapp. Zudem sorgt dieses Vorgehen dafür, dass passend zur hohen Nachfrage vor Weihnachten mehr Tiere zur Verfügung stehen.
Der VEZG-Preis hat derzeit noch einen großen Einfluss. Trotz dieser Maßnahme, die die eigene Lieferkette stabilisiert, wird Riedl aber wohl auch vom jährlich eintretenden Preisrückgang rund um Weihnachten betroffen sein. Das wurmt ihn: »Obwohl unsere Produktion vertraglich fest gebunden ist, hängen wir am schwankenden VEZG-Preis. Dabei unterliegt die Nachfrage nach unseren Mastschweinen keinen Schwankungen. Wenn zum Beispiel Anti-Dumpingzölle Chinas auf Schweinefleisch Angebot und Nachfrage auf dem EU-Markt durcheinanderbringen, bleibt die Nachfrage nach unseren Schweinen dennoch immer gleich. Unsere Partner brauchen unsere Lieferung regelmäßig, denn sonst bleiben die Frischfleischtheken leer.« Dass die VEZG-Notierung auf die Bezahlung von vertraglich gebundener Ware noch einen so hohen Einfluss hat, wird sich nach Einschätzung Riedls in den nächsten Jahren aber ändern: »Wenn immer weniger Schweine am freien Markt gehandelt werden, dann passt der Preis irgendwann nicht mehr. Und genau die Situation haben wir aktuell.« Bis jetzt kann er seine Vertragspartner noch nicht davon überzeugen, einen vom VEZG-Preis losgelösten Preis zu vereinbaren. »Aber wenn die Erzeugung in Deutschland weiter zurückgeht, könnte das in zwei bis drei Jahren anders aussehen.«
Perspektive
Riedl hätte kein Problem damit, sich in eine weitergehende Integration einzufügen, die etwa Vorgaben zur Genetik oder zum Futter macht und so unternehmerische Freiheit begrenzt. »Wenn es am Ende betriebswirtschaftlich passt, wäre das für mich in Ordnung. Es macht ja auch keinen Unterschied: Ich muss ja jetzt schon die Erwartungen, die meine Abnehmer an Zertifizierungen oder die Schlachtkörpereigenschaften haben, erfüllen.« Für ihn zeigt ein Blick nach Spanien, wie erfolgreich eine eng verbundene Kette sein kann: »Die arbeiten unglaublich effizient, vor allem da sie viel weniger Reibungsverluste haben als wir.« Um hier besser zu werden, müsse die Bindung zwischen Ferkelerzeugern und Mästern zunächst einmal viel enger werden. »Wir produzieren am Ende des Tages Fleisch und nicht Schlachtschweine. Und von dem, was der Handel sich in die Theke legt, erwartet er bestimmte, teilweise programmspezifische Eigenschaften und Zertifizierungen. Die lassen sich aber nicht konstant anbieten, wenn Mäster etwa ständig den Ferkelbezug wechseln. Damit machen wir uns den Markt kaputt. Mehr Kontinuität auf der Erzeugerstufe reduziert die Gefahr, austauschbar zu sein.«
Und noch weiter in die Zukunft gedacht ist Riedl davon überzeugt, dass die Voraussetzung für eine nennenswerte Schweinefleischerzeugung in Deutschland ein stärker integriertes Modell ist. »Ich sehe allerdings nicht den Schlachthof als Integrator. Denen scheint es derzeit wichtiger zu sein, ein austauschbares Produkt zu verkaufen und dafür austauschbare Lieferanten auf der landwirtschaftlichen Seite zu haben. Es ist aktuell nicht ihr Anspruch, die Schweinefleischproduktion zum Nutzen der gesamten Kette zu integrieren.« Eher sieht Riedl diese Rolle beim Lebensmitteleinzelhandel: »Deren Markenfleischprogramme sind ja am Ende nichts anderes, als die Kette zu integrieren mit dem Ziel, ein bestimmtes Produkt zu bekommen.«
Die Sache selbst in die Hand nehmen
Dass der Betrieb Riedl so stark aufgestellt ist, liegt auch am raschen Ausbau der Mastkapazitäten in Bayern nach dem Erwerb der Sauenanlage in Brandenburg. Möglich wurde das über ein Lohnmastmodell. Derzeit mästen sieben Betriebe Ferkel für Riedls. Sie haben meist 1 000 bis 1 500 Mastplätze. »Ihnen fehlte die Größe, um im Einkauf und Verkauf gute Preise auszuhandeln. Die überwiegend jungen Betriebsleiter setzen ihren betrieblichen Schwerpunkt woanders und wollten die Mast in ruhige Bahnen lenken«, so Riedl. Er bietet einen Rundumservice: die Lieferung der Ferkel und des selbst gemischten Fertigfutters, die tierärztliche Betreuung des Bestandes, das Sortieren und Verladen der fertigen Mastschweine und das Waschen der Ställe. Die Betriebsleiter übernehmen die tägliche Tierkontrolle. »Dafür garantieren wir einen festen Betrag je Schwein. Nicht selten bekommen wir die Rückmeldung, dass das zu besseren Deckungsbeiträgen führt als früher.« Damit ist Riedl selbst schon so eine Art Integrator.