Forschung. Intensiv und extensiv in einem Stall
Wie lassen sich Umwelt- und Klimaziele erreichen, ohne die Produktivität zu gefährden? Das ist auch auf einem Versuchsbetrieb der Universität Gießen die zentrale Frage. Der notwendige Neubau eines Milchviehstalles war vor einigen Jahren der Impuls für ein großes Forschungsvorhaben.
Aus vermeintlich kleinen Dingen entstehen manchmal große Geschichten. Das ist in der Forschung so wie im täglichen Leben. Man stellt sich ja gern vor, wie Wissenschaftler im stillen Kämmerlein ihres Elfenbeinturmes vor sich hin- und am Ende Ideen ausbrüten, die im Zweifelsfall mit dem »wirklichen Leben« nur am Rande zu tun haben.
So ist es nicht oder sollte es zumindest nicht sein. Ein schönes Beispiel, wie eine breit angelegte Forschung aus ganz konkreten Notwendigkeiten der Praxis entstehen kann, zeigt das Green Dairy-Projekt der Universitäten Gießen und Kassel.
»Tatort« ist der Gladbacherhof in der Nähe von Limburg/Lahn. Der Versuchsbetrieb für ökologischen Landbau der Uni Gießen mit 100 ha Acker- und 80 ha Grünland ist einem breiten Publikum 2022 durch die Öko-Feldtage bekanntgeworden. Schon damals konnte man einen neuen Milchviehstall bewundern, der nicht nur 130 HF-Kühen eine Heimat mit dem neuesten Stand der Technik bietet, sondern auch den Forschungsschwerpunkt neu gesetzt hat. Die seitdem untersuchte und im Sinne der Produktivitätsdiskussion ganz aktuelle Frage ist: Lassen sich auch schwarzbunte Hochleistungskühe mit mehr Gras und weniger Mais in der Ration füttern, wie nicht zuletzt von Umweltverbänden oftmals gefordert? Und bringt ein solches Low Input-System dann tatsächlich Vorteile für das Tierwohl und wichtige Ökosystemleistungen wie Klimaschutz? Falls sich die Ergebnisse der Klimabilanzierung der ersten anderthalb Jahre nach der Futterumstellung bestätigen, wird man möglicherweise sagen müssen: Es kommt darauf an. Bezieht man sie auf das Kilogramm Milch, könnte die Antwort sogar lauten: Weder noch.