EU-Schweinemarkt. Es fehlt China als Exportventil
Chinas Antidumpingzölle bedrohen ein Drittel der EU-Schweinefleischverkäufe. Das drückt auf die Preise und belastet den Produktionsaufschwung bei uns in der EU. Ein Hoffnungsschimmer: Der forcierte Abbau des Sauenbestands in China kann zu einem Nachfragesog am Weltmarkt führen, von dem alle Anbieter profitieren – aber erst weit in 2026.
Auch wenn die Erzeugung von Schweinefleisch in Deutschland und der EU das zweite Jahr in Folge wächst – Erleichterung oder gar Feierstimmung kommt nicht auf. Wie auch, wenn die leichte Erholung nach dem Einbruch während der Coronajahre 2022 und 2023 schon wieder bedroht ist: durch die Strafzölle Chinas auf EU-Ware, die Afrikanische Schweinepest (ASP) und negative Entwicklungen am Weltmarkt. Was sind die Treiber am und wie die Aussichten für den Schweinfleischmarkt in den kommenden Monaten?
Das China-Dilemma
In der EU lag die Erzeugung 2025 bis Ende August laut EU-Kommission ganze 3 % über dem Vergleichswert des Vorjahres. Für Deutschland weist die bei Redaktionsschluss bis September reichende Datenbank des Statistischen Bundesamts ein Plus in ähnlicher Größenordnung auf. Und bis Ende August sah es auch preislich noch gut aus: EU-weit befanden sich die Erzeugererlöse zwar bereits im langsamen Sinkflug, die Marke von 2,00 €/kg Schlachtgewicht wurde aber erst im September durchbrochen. Der richtige Einbruch folgte dann Ende September/Anfang Oktober, nachdem China Antidumpingzölle von bis zu 63 % gegen Schweinefleischprodukte aus der EU verhängte. Die sind zwar nur »vorläufig« (eine endgültige Entscheidung über den Fortbestand der Strafzölle soll noch dieses Jahr getroffen werden), sie trocknen den Warenfluss aber ebenso aus wie »richtige« Importzölle.
Mit den von Peking beschlossenen Strafzöllen (die nichts anderes sind als eine Reaktion auf die von der EU im Oktober 2024 gegen chinesische Elektroautos verhängten Antidumpingzölle) zeichnet sich ein Einbruch der Lieferungen zum bis dahin größten Abnehmer der EU im Drittlandgeschäft ab. Und niemand kann sagen, wie lange Peking die Zusatzzölle noch erhebt. Der Blick nach Kanada zeigt, was der EU bevorstehen kann: Abgestraft mit hohen »Antidumpingzöllen«, ist Kanada der Export von Rapsöl und -schrot nach China seit vorigem März verwehrt, die Lieferung von Rapssaat lohnt sich seit August nicht mehr.
Der Exportmarkt unter Druck
Von Januar bis August verschifften die EU-Mitglieder monatlich etwa 100 000 t Schweinefleisch und -erzeugnisse nach China. Von dieser Menge entfielen rund 40 % auf Schweinefleisch, der Rest waren weitestgehend Schlachtnebenprodukte.
Über den groben Daumen gepeilt suchen damit seit Oktober 30 % des EU-Drittlandgeschäfts mit frischem und gefrorenem Schweinefleisch nach attraktiven Absatzmärkten. Weil das im Ausland aktuell nicht so einfach ist, sucht die Ware zunächst ihren Weg in die EU. Vor allem aus Spanien drückt Schweinefleisch in die benachbarten Regionen. Von dort stammten zuletzt zwischen 40 und 50 % des gesamten EU-Chinageschäfts. Damit suchen ab Oktober monatlich allein 15 000 bis 20 000 t Schweinefleisch aus Spanien einen neuen Abnehmer. Insgesamt reden wir über monatlich 50 000 t, die die Staatenunion an anderer Stelle im Ausland absetzen müsste. Weil der Verbrauch ohnehin unter Druck steht, kommt dieses plötzliche, zusätzliche Angebot zur Unzeit.
Dass es im Außenhandel auch ohne die Herausforderung durch China nicht so rund läuft, zeigen die seit Jahresbeginn verzeichneten Exportmengen. Bis Ende August steht in der Exportstatistik der EU-Kommission für Schweinefleisch ein Minus von 2 %. Nur etwa ein Drittel der Verluste (insgesamt 30.000 t) entfallen auf China, zwei Drittel auf andere Abnehmer. Anders gesagt: Es hat niemand auf ein steigendes Angebot an Schweinefleisch aus der EU gewartet.
Wie geht es weiter?
Bis zum Jahresende dürfte die Schweinefleischerzeugung in der EU fortgesetzt die Vorjahreslinie überschreiten. Große Zuwächse von mehr als 4 % verzeichnen bislang Spanien, Dänemark, Polen und Italien. Eine gegenläufige Entwicklung mit schrumpfender Erzeugung vollzieht sich in den Niederlanden, Belgien und Frankreich. Die Rabobank nennt als unterstützende Faktoren den stabilen Schweinebestand in den acht größten Produktionsländern in Kombination mit anhaltenden Produktivitätssteigerungen und sinkenden Futtermittelkosten.
Das Exportgeschäft der EU als notwendiges Ventil für überschüssige Mengen beziehungsweise am Binnenmarkt nicht nachgefragte Erzeugnisse verspricht Richtung Jahresende eher Verdruss. Auch wenn sich Chinas Bedeutung als Abnehmer seit dem Rekordjahr 2020 auf ungefähr 30 % halbiert hat, ist das Reich der Mitte unverändert der größte Abnehmer. Dass die Chinesen in den kommenden Monaten steigende Mengen Schweinefleisch nachfragen werden, ist kaum wahrscheinlich. Die Order der Zentralregierung in Peking zum Abbau des landesweiten Sauenbestands um 1 Million Tiere bis zum Jahreswechsel ist zwar nicht verbindlich, dennoch erhöht sich dadurch der Druck auf die Erzeuger. Dazu kommt die Vorgabe an die Schlachtunternehmen, keine übermästeten Tiere (> 120 kg) anzunehmen. Offenbar leisten die Branchengrößen diesem Aufruf Folge, denn die Schlachtzahlen steigen und üben Druck auf die Erzeugerpreise aus. Damit steigt das Angebot an Schweinefleisch in China in den kommenden Wochen und Monaten absehbar an. Gleichzeitig läuft eine Umsetzung des politisch gewünschten Abbaus auf einen Rückgang des Sauenbestands um etwa 3 % Prozent hinaus. Und das wird sich im Verlauf des kommenden Jahres in einer sinkenden Fleischerzeugung niederschlagen. Nach Einschätzung der Rabobank dürfte der Abbau des Sauenbestands um 1 Million Tiere 2026 zu einer um 3 bis 5 % sinkenden Fleischerzeugung in China führen – das entspricht einem Minus von grob 2 bis 3 Mio. t. Ob das steigende Zukäufe im Ausland nach sich zieht, hängt in hohem Maße von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Schwächelt die Wirtschaft, üben die Verbraucher sich in Kaufzurückhaltung. Läuft hingegen alles rund, könnte sich der Importbedarf Chinas leicht verdoppeln auf 3 Mio. t.
Für 2026 zeichnet sich vermehrter Gegenwind ab. Die aktuell sinkenden Erzeugerpreise lassen die Margen auf den Mastbetrieben in der EU schrumpfen, und im Exportgeschäft sieht es außerhalb Chinas auch nicht nach einer deutlichen Belebung aus. Im Gegenteil: Das für China absehbare Überangebot dürfte auch nach dem Jahreswechsel die Verkäufe anderer großer Anbieter wie Brasilien oder den USA belasten. Entsprechend dürfte auch die Schweinefleischerzeugung im Jahresverlauf in weiten Teilen stagnieren oder sinken. Brasilien könnte eine Ausnahme sein: Niedrige Produktionskosten und ein fortgesetzt starkes Exportgeschäft könnten die Betriebe zu einer weiteren Aufstockung der Schweinebestände verleiten.
Nimmt man die Annahme des US-Agrarministeriums von September als Maßstab, dann stehen 2025/26 so viel Getreide und Ölsaaten als Futtergrundlage zur Verfügung wie noch nie. Für die wichtigsten Futtergetreide (Mais, Weizen, Gerste, Sorghum) steht ein Angebotsplus von 2 bis 3 % auf einen Spitzenwert von annähernd 1,1 Mrd. t in Aussicht. Das ist eine gute Grundlage für im Jahresvergleich sinkende Futterkosten auf den Betrieben. Logistische Engpässe und vor allem die Folgen von Handelskonflikten (Zölle, Verlagerung von Handelsrouten) führen außerdem zu regionalen Preisschwankungen, nach Ansicht der Rabobank oftmals zugunsten der Schweinehaltung.
Unsicherheitsfaktor Tierseuchen
Produktionsausfälle durch das Auftreten von Tierseuchen begrenzt das Schweinefleischangebot in einigen Märkten zum Jahresende. Immer wieder neue Fälle von Afrikanischer Schweinepest (ASP) in Teilen Europas und Asiens stellen eine Herausforderung dar. Vietnam ist mit annähernd 1 000 ASP-Fällen im Jahr 2025 am stärksten betroffen. In der EU sind Rumänien und Deutschland von der ASP stark betroffen, für Deutschland zählt das Friedrich-Loeffler-Insitut (FLI) bislang 1 900 Nachweise bei Wildtieren, in gewerblichen Beständen ist das Virus 2025 noch nicht nachgewiesen worden.
Neben der ASP wirken sich auch Maul- und Klauenseuche (MKS) sowie das Porzine reproduktive und respiratorische Syndrom (PRRS) negativ auf die Produktion aus. Während MKS größtenteils auf Regionen außerhalb der Kernproduktionsgebiete beschränkt ist, steigt mit zunehmender Fallzahl auch das Risiko einer Einschleppung in kommerzielle Bestände. Die Auswirkungen von PRRS in Nordamerika und Europa sind schwerer zu quantifizieren, führen jedoch zu erheblichen Produktionsverlusten und Effizienzproblemen in der Branche, wie die Rabobank bilanziert. In beiden Regionen scheint sich die Lage zu verbessern, doch die Auswirkungen früherer Krankheitseinbrüche dürften bis Anfang 2026 spürbar bleiben.