
Portrait. »Die Technik erleichtert vieles«
Über Automatisierung und Digitalisierung im Kuhstall wird viel geredet. Familie Wirsching »lebt« dies auf ihrem Biobetrieb bereits intensiv. Wie sind die Erfahrungen?
Achtung, glückliche Kühe«, verkündet ein gelbes Warnschild an einer Weide schon vom Weitem und gibt einen ersten Hinweis auf den Biohof Wirsching. Daneben steht ein großes Holzschild mit dem Logo des Hofes in Ohrenbach (Mittelfranken) und dem Hinweis auf die Social Media-Präsenzen.
Im Stall fällt dem Besucher die Automatisierung und Digitalisierung sofort ins Auge. »Die Technik soll uns das Leben und die Arbeit leichter machen«, sagt Johannes Wirsching. Der Masterstudent leitet gemeinsam mit seinem Vater Harald den Betrieb mit 125 Fleckviehkühen. Außerdem gehören 150 ha Fläche zum Betrieb, auf denen vor allem Mais, Luzerne, Gerste, Triticale, Soja, Ackerbohnen und Erbsen als Futter angebaut werden. Aber auch Weizen, Dinkel und Zuckerrüben als Marktfrüchte. Die Kühe fressen derzeit Kleegras, das sie im Sommer morgens frisch vorgelegt bekommen. »Aktuell ist es für uns als Biobetrieb noch erlaubt, Grünfutter im Stall zu füttern. Ab 2030 müssen die melkenden Kühe dann auch Weidegang haben. Wie das klappt, müssen wir sehen. Bisher fehlen uns da noch die arrondierten Flächen. 4 ha haben wir momentan, 6 bis 7 ha bräuchten wir«, erklärt Wirsching. Als der Betrieb 2016 auf Bio umstellte, habe er etwas Respekt vor der Grünfütterung gehabt. Aber mittlerweile sei das System eingespielt. »Und die Kühe nehmen es sehr gut an. Im Winter haben wir 23 bis 24 l Milch pro Kuh und Tag. Aktuell sind es 27 l«, sagt Wirsching.
Achtmal täglich schiebt ein Roboter das Futter frisch an und füttert ein wenig Getreideschrot als Lockfutter. Eigentlich sind die Maschinen so getaktet, dass eine halbe Stunde vor dem Futteranschieber der Spaltenroboter seine Tour fährt und die Ladestation erreicht, wenn der Roboter startet. »Aber jede Maschine hat ihre eigene Uhr. Und obwohl ich sie bei der Zeitumstellung alle aufeinander abgestimmt habe, sind nun schon wieder ein paar Minuten Unterschied dazwischen, sodass es nicht mehr genau passt«, sagt der Betriebsleiter. Über die Hochschule ist Wirsching im Experimentierfeld »Digi Milch« der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft engagiert, bei dem es in einem Demonstrationsprojekt um genau solche Vernetzungen von Stalltechnik geht.
Der Spaltenroboter läuft in der wärmeren Jahreszeit sechsmal am Tag. Im Winter zehnmal, um ein Festfrieren von Kot und Harn zu vermeiden. »Da wäre es für uns eine Erleichterung, wenn die Maschine die Wetterdaten abrufen könnte und bei Frostgefahr automatisch auf die höhere Schiebefrequenz wechselte«, sagt Johannes Wirsching. Aber auch das klappt aktuell noch nicht.

Beim Betrachten der Kühe fallen die Halsbänder auf, an denen ein blaugraues Tool angebracht ist. Das sogenannte »FullBeacon« ist eine Platine mit zwei LEDs, die in unterschiedlichen Farben leuchten können. Die Halsbänder sind in einem stallinternen WLAN angemeldet und erleichtern das Finden der Kühe. Auf dem Smartphonedisplay ist ersichtlich, wo im Stall sich die einzelnen Kühe befinden: Die App zeigt dem Nutzer, an welchem WLAN-Empfänger das Halsband erkannt wird und die Farbe gibt an, wie weit vom Empfänger die Kuh entfernt steht. Vom Smartphone oder aus dem Herdenmanagementsystem heraus können auch einzelne Lampen angeschaltet werden. Die Halsbänder der Kühe leuchten dann entweder grün, rot oder gelb. So können Kühe oder Kuhgruppen zum Nachtreiben, Besamen oder der Klauenpflege markiert werden. »Das macht es sehr einfach, die Kühe im Stall zu finden. Vor allem für die Azubis oder Praktikanten, die wir häufig auf dem Betrieb haben, und die die Kühe vielleicht doch nicht so schnell erkennen, wie wir Betriebsleiter«, erklärt Wirsching.
Dass auf dem Betrieb automatisch gemolken wird, erklärt sich fast von selbst. Zwei Melkboxen übernehmen seit einem Jahr die Arbeit. Sie stehen im alten Melkgebäude, das eigentlich für einen 16er Swing-over-Melkstand konzipiert ist. Hier hat Familie Wirsching ein »Gebäude ins Gebäude« gebaut, in dem die Roboter stehen. Die Kühe laufen über einen offenen Bereich, in dem sich auch noch ein paar Außenfutterplätze befinden, da der 3-Reiher-Stall von 1996 nicht die von Bioland geforderten Fressplätze für jede Kuh ermöglicht hätte.
»Wir sind aktuell bei etwa 2,4 Melkungen am Tag. Die Kühe nehmen den Roboter sehr gut an. Mehr Melkungen finde ich bei unserer Milchleistung von 8 200 kg gar nicht notwendig. Schließlich kostet mich jedes Mal melken auch Geld«, sagt Johannes Wirsching. Ein klein wenig soll die Herde noch aufgestockt werden, um die Roboter besser auszulasten. »Aktuell haben wir etwa 20 % freie Zeit. Eine höhere Auslastung ist natürlich wirtschaftlicher. Aber so können wir aktuell eventuelle Ausfälle noch sehr gut kompensieren. An die Nerven des Landwirtes muss man ja schließlich auch denken«, sagt der Betriebsleiter.


Eine Besonderheit der Roboter ist die Reinigung mit kochendem Wasser. Nur bei jedem dritten Spülgang wird ein alkalisches Reinigungsmittel zugesetzt. Und hier kommt noch ein weiterer Aspekt des intelligenten Stallmanagements ins Spiel. Der Betrieb hat eine 600 kW-Photovoltaikanlage mit 250 kW Eigenstrom installiert. Ein intelligentes System steuert den Eigenstromverbrauch. Erste Priorität hat das Bereitstellen des Heißwassers zur Reinigung der Roboter. Als zweite Priorität wird die Kühlung des Milchtanks bedient. Unter dem Milchtank liegen Kupferspiralen, die Eis bilden. Das Eiswasser fließt an der Milch vorbei und kühlt sie ab. »Im Sommer stellen wir die Eismenge auf 75 % ein. Das reicht in der Regel für 2 bis 3 Tage Kühlung. Dann haben wir im Normalfall wieder genug Sonnenstrom, um Eis nachzuproduzieren.
Im Winter erhöhen wir die Eismenge auf 100 %, um immer genug vorzuhalten. Dann ist das System allerdings auch ein bisschen störanfälliger«, berichtet Wirsching. Da die Netzbetreiber so große Anlagen, wie die des Betriebes bei Stromüberfluss zeitweise vom Netz nehmen können, ist das Festlegen der Prioritäten wichtig.
Für die nahe Zukunft hat Wirsching noch einiges vor. So sollen an den Stall 6 m angebaut werden. Dort entsteht eine Separationsgruppe für Altmelker und Kühe, die etwas schlechter zu Fuß sind. In diesem Zusammenhang will Wirsching Erfahrungen mit einer »Joggingweide« sammeln. Zum Herbst soll außerdem die Kälberhaltung umgebaut und eine Ammengruppe eingerichtet werden. »Mal sehen, wie das vom Management her klappt. Aber es ist wie bei vielem anderen: Wir probieren gerne Sachen aus. Und entweder es funktioniert, oder wir haben daraus gelernt«, gibt er sich überzeugt.
Katharina Heil
Aus DLG-Mitteilungen 7/22. Den Beitrag als pdf finden Sie hier.