
Meinung: Ein Kodakmoment?
Milch- und Fleischersatz. Liebe Tierhalter, kennen Sie den »Kodakmoment«? Der bezeichnet einen Punkt, an dem disruptive Technologien einen Bereich übernehmen. Ohne dass die bisherigen Akteure die neuen Entwicklungen als Gefahr für ihr Geschäftsmodell erkannt haben. Eben wie Kodak die digitale Fotografie nicht als Bedrohung für sein Filmgeschäft wahrgenommen hat. Was das mit uns zu tun hat? Möglicherweise steht auch Landwirten ein »Kodakmoment« bevor. Auch wir als DLG-Mitteilungen haben den Markt für Milch- und Fleischersatz bisher als Nische eingestuft. Selbst in diesem Heft berichten wir über eine entsprechende Studie der INGBank. Aber wiegen wir uns da nicht in falscher Sicherheit, weil es so schwer in unser Weltbild passt?
Ausschlaggebend dafür, neu darüber nachzudenken, war für mich die »Ideenfutter Expo« – eine digitale Messe zu Trends und Entwicklungen im Bereich Ernährung. In nahezu jedem Vortrag – unabhängig vom eigentlichen Thema – wurde über alternative Proteinquellen gesprochen. Egal ob aus Pflanzen, Insekten oder sogar dem Labor. Zwar kann man das für Gerede halten oder gar als Quatsch abtun. Aber in meinen Augen sprechen mittlerweile einige Dinge dagegen.
• In den letzten zwei bis drei Jahren war der Markt für Fleischersatz extrem dynamisch. In diesem kurzen Zeitraum sind viele Produkte im Markt eingeführt worden. Neben zahlreichen Start-ups sind auch immer mehr große und finanzstarke Spieler der Lebensmittelbranchein diesem Bereich aktiv. Sie entwickeln neue Ideen und Produkte, verbessern Bestehendes und drängen in die Su permarktregale.
• Die Lebenswirklichkeiten zwischen Stadt und Land driften immer mehr auseinander. Während es für Sie als Landwirt keine Frage ist, dass man Tiere halten, nutzen und essen darf, stellen das immer mehr Verbraucher in Frage. Gerade junge, gut ausgebildete und gut situierte Schichten suchen nach Alternativen und haben eine hohe Bereitschaft, Neues zu probieren.
• Spätestens dann, wenn ein Schnitzel aus Erbsen, Insekten oder aus dem Labor nahezu genauso schmeckt und vor allem der Preis vergleichbar mit einem »echten Schnitzel« wird, gibt es für zahlreiche Verbraucher wohl nur noch wenige Argumente, zum »Original« zu greifen. Auch deshalb, weil viele mit den Produktionsbedingungen in der Tierhaltung unzufrieden sind. Dabei spielt es keine Rolle, dass Konsumenten nur wenig darüber wissen, wie es im Stall aussieht: Eine Meinung haben sie. Hinzu kommt, dass Fleisch und Milch in naher Zukunft teurer werden müssen, wenn all die Auflagen für die Tierhaltung auch wirklich bezahlt werden sollen.
Sicher wird der Milch- und Fleischersatz nicht die komplette Tierhaltung betreffen. Voraussichtlich aber den anonymen Massenmarkt. Deshalb kann es sich schon lohnen, dass Sie sich Gedanken machen, was Sie dem an Innovationen, Vermarktungskonzepten oder besonderen Qualitäten entgegenzusetzen haben.