Warum immer Verzicht - wo bleibt das Positive?
Bei aller Einsicht in die Notwendigkeit von Klima- und Umweltschutz: Der Green Deal trifft viele Landwirte auf dem falschen Fuß. Das hat nicht nur fachliche, sondern vor allem psychologische Gründe. Eine Einsicht von außen.
Alljährlich fördert die Rehwinkel-Stiftung der Landwirtschaftlichen Rentenbank wissenschaftliche Arbeiten. 2021 liegt der Fokus auf dem »Green Deal« der EU-Kommission, der von nicht wenigen Landwirten als Bedrohung empfunden wird. Carl Vierboom und Michael Ley kamen den Gründen und Hintergründen dafür auf dem Weg über Experteninterviews näher.
Was kommt mit dem Green Deal auf die Landwirtschaft zu?
Er gehört zu den großen Transformationen, mit denen Wirtschaft und Gesellschaft in größeren Abständen umzugehen haben. Vielleicht lässt sich der Rahmen des Green Deal wirklich nur mit großen Entwicklungen der Menschheitsgeschichte vergleichen. Der Klimawandel rührt an unserer Existenz, insofern ist ein Vergleich mit der »Erfindung« des Ackerbaus oder der Industrialisierung nicht zu hoch gegriffen. Charakteristisch für solche Transformationen ist, dass sie ein offenes Ende haben. Das heißt, es gibt keine Sicherheit, wie sich welche Maßnahmen auswirken werden.
Sie verwenden im Zusammenhang mit der Einstellung von Landwirten zum Green Deal den Begriff »archaisches Misstrauen«. Landwirte leben doch gefühlsmäßig nicht im Mittelalter!?
Natürlich nicht. Aber wir müssen das Thema Sicherheit im Auge behalten. Landwirtschaft ist in vielen Bereichen von Unsicherheiten geprägt. Anders als bei der Herstellung technischer Produkte lassen sich die Abläufe niemals endgültig vorausplanen. Landwirte haben mit dem Wechsel der Jahreszeiten und mit Klimaschwankungen zu tun. Selbst ein guter Landwirt kann Ernte und Pachtland verlieren oder durch öffentliche Baumaßnahmen betroffen sein. Für den Landwirt ist es deshalb wichtig, genau zu beobachten, Geduld zu haben und sich auf lange Entwicklungszeiten einzustellen. Abrupte Veränderungen können ihn seine eigene Existenz kosten, aber auch die Lebensbedingungen der Menschen gefährden, die von der Landwirtschaft abhängig sind. Das Misstrauen ist von daher eine zentrale Betriebsbedingung, man könnte auch sagen: eine methodische Haltung der Landwirtschaft. Die Zurückhaltung, manchmal sogar die Sturheit der Landwirte gehören zum Bestand einer erfolgreichen Landwirtschaft.
Und dann kommt eine Zumutung wie der Green Deal ...
... der mit seinen Reduktionsvorgaben für Düngung und Pflanzenschutz oder mit dem Ökolandbau-Ziel viele bewährte und erfolgreiche Produktionsprozesse infrage stellt. Es ist nachvollziehbar, dass sich viele Landwirte hier erst einmal abwartend verhalten. Das bedeutet aber nicht, dass sie grundsätzlich gegen Klimaschutz- oder Umweltziele eingestellt wären. Menschheitsgeschichtlich waren sie die ersten, die damit jeden Tag gearbeitet haben. Denken Sie nur an die Fruchtfolge, mit der die Regeneration der Böden gesichert wird. Oder die Beobachtungskunst, mit der sich die Landwirte immer schon auf Wetter und Wachstum eingelassen haben. Natürlich gibt es auch Fehlentwicklungen. Aber deren Grund liegt nicht darin, dass Landwirte willentlich die Bedingungen der eigenen Existenz zerstören wollen.
Worin bestehen die psychologischen Probleme des Green Deal?
Der Green Deal ergibt im Moment das Bild eines abstrakten Ziel- und Zahlenwerkes. Das wirkt so, als müsse man der Landwirtschaft sagen, wie sie zu funktionieren habe und als würde sie überall nach denselben Prinzipien funktionieren. Stattdessen sagen uns die Experten, dass es in Deutschland eine große Vielfalt unterschiedlicher Betriebsformen gibt. Es gibt nicht »die« Landwirtschaft, sondern ein Spektrum unterschiedlicher Bewirtschaftungsformen, die jeweils durch eine spezifische »Betriebslogik« geprägt sind und jeweils andere Aufgaben und Probleme mit sich bringen.
Wenn man diese wirtschaftliche Vielfalt ignoriert, dann macht man aus der Landwirtschaft im Ganzen eine Monokultur. Wir erkennen im Green Deal zwar den Anspruch, Natur- und Artenvielfalt zu schützen, gleichzeitig aber die Gefahr, die »Artenvielfalt« und »Diversität« der landwirtschaftlichen Betriebsformen zu zerstören.
Wie reagieren die Landwirte?
Es liegt in der Natur ihrer Wirtschaftsweise, dass viele Landwirte erst einmal verhalten reagieren. Es zeigt sich aber auch, dass die Landwirte bereit sind, einzelne Aspekte des Green Deals aufzugreifen und in ihre Arbeit einzubeziehen. Allerdings geschieht das zunächst selektiv, probehalber und in Abhängigkeit von den Möglichkeiten, die ihnen im Rahmen der jeweiligen Betriebsformen zur Verfügung stehen. Ein landwirtschaftlicher Großbetrieb geht mit dem Green Deal eben anders um als beispielsweise ein traditioneller Familienbetrieb oder ein Biohof.
Das bedeutet aber nicht, dass der Green Deal nur in den Großbetrieben erfolgreich umgesetzt werden kann. Es geht vielmehr darum, dass man dessen Forderungen stärker mit den realen Bedingungen der unterschiedlichen Betriebsformen verknüpft. Zwischen den Idealforderungen der Politik und den Bedingungen der landwirtschaftlichen Betriebe klafft eine viel zu große Lücke.
Wie könnte man diese Lücke schließen? Was sagen die Experten?
Auf der einen Seite müsste die Politik viel stärker realisieren, was die Landwirte im Bereich Klima immer schon leisten. In den Gesprächen waren wir überrascht, wie viele Initiativen und damit verbundene Innovationen in den Regionen, aber auch auf den unterschiedlichen Ebenen der landwirtschaftlichen Verbände oder der Unternehmen im Umfeld der Landwirtschaft beschrieben werden. Anstatt nur von oben durchzuregieren, sollte man nach unserer Ansicht viel stärker auf bereits erfolgreich bewährte Praxismodelle setzen. Also: Weitermachen mit Kooperationen aus Landwirtschaft und vielfältigem Umfeld, mit der Gründung von »Clubs« und Netzwerken, mit dem »Schmieden« von Bündnissen aus verschiedenen Interessen und Professionen. Und: Fehler nicht einfach verwerfen, sondern verwerten!
Der andere Aspekt bezieht sich darauf, dass der Green Deal nicht als positive Utopie dasteht. Brüssel regiert hier im Grunde mit einem Minus-Modell, bei dem der Blick vor allem darauf fällt, was in Zukunft nicht mehr erlaubt sein wird. Wen soll das froh machen?
Wenn Politik gelingen soll, dann muss sie eine zugkräftige Entwicklungsperspektive anbieten. Wie eine solche Perspektive zwischen »Bio« und »Tech« aussehen könnte, darüber müsste nach unserer Ansicht in der Landwirtschaft und ihrem Umfeld, aber auch in der Gesellschaft eine ordentliche Auseinandersetzung geführt werden. Genau damit würde der Green Deal keine abstrakte Geschichte bleiben, sondern könnte eine Sache aller Beteiligten werden.
Die Fragen stellte Thomas Preuße