
Ernteausblick. Frust und Mitgefühl
Dies sind für die Menschen in den Überschwemmungsgebieten im Westen und Süden der Republik schreckliche Tage. Die Bilder lösen Fassungslosigkeit und Bestürzung aus. Über 100 Tote, darunter Retter, die anderen helfen wollten. Familien haben ihr Hab und Gut verloren. Die Lebensgrundlage für tausende Menschen einfach weggespült von einer klebrigen braunen, mit einer unglaublichen Wucht durch die Städte und Dörfer fließenden Wassermasse. Überflutete Höfe und Felder, vollgelaufene Ställe und Futtermittellager – diese fürchterliche Katastrophe betrifft auch die Landwirtschaft. Es zeigt sich eine starke Solidarität: Viele Landwirte stellen sich aufopferungsvoll mit Traktoren und Technik für die Aufräum- und Hilfsmaßnahmen zur Verfügung. Hilfsportale wie Futtermittelbörse und andere Vermittlungsplattformen unterstützen in der Not.
Die sintflutartigen Niederschläge Mitte Juli sind das i-Tüpfelchen auf einer von Wetterkapriolen geprägten Saison. Das nass-kalte Frühjahr gefolgt von einer nahezu niederschlagsfreien Hitzeperiode, dann schwere Gewitter mit Sturmböen und Hagel – regional (vor allem in Süddeutschland) sind die kompletten Getreidebestände ins Lager gegangen. Mit Blick auf die Ertragsentwicklung sind die Bestände nach dürrebedingt drei außerordentlich schlechten Jahren auf den ersten Blick vielerorts sehr gut. Hilfreich ist: Die Preise zeigen vor der Ernte weiter bergauf. Ein Erntedruck scheint nicht absehbar. Im Gegenteil. Die Not von Mühlen und Mischfutterwerken ist groß. Sie warten sehnlichst auf neue Ware.
Zum Problem werden die Qualitäten. Nahezu ohne Sonne gereifte Gerste und Weizen haben schlechte Hektoliter-Gewichte, niedrige Proteingehalte, mutmaßlich kommen bei Weizen schlechte Fallzahlen hinzu. Und das gegenwärtig feuchte und schwülwarme Wetter bietet Bakterien und Pilzen optimale Bedingungen. So mancher Kontrakt wird wegen mangelnder Qualität nicht erfüllt werden können. Und bei den Erträgen mag es auch noch negative Überraschungen geben. Das hat sich bei der Gerste schon gezeigt.
Eine Hitzewelle in Kanada und dem Corn Belt der USA, Fröste in Südamerika, die weiter hohe Nachfrage aus China – all das lässt für die Raps- und Getreidepreise wenig Luft nach unten. Daran rüttelt auch die sehr gute, teils sogar Rekord-Weizenernte im Baltikum, in Rumänien und der Westukraine nicht. Stehen wir sogar vor einer neuen Preisrallye? Wenn ja, dann würde sie viele Einbußen auf dem Feld kompensieren.