
Interview: "Kommunikation lohnt sich doch!"
Wir reden seit Jahren über Agrarkommunikation. Manchmal habe ich jedoch das Gefühl, wir drehen uns in einem Hamsterrad.
Ich verstehe den Frust vieler Landwirte, die sich in der Öffentlichkeitsarbeit betätigen und sich immer wieder zurückgeworfen sehen. Der Prozess wird aber nicht ertraglos sein, er benötigt nur sehr viel Geduld. Wir reden erst seit ein paar Jahren über Agrarkommunikation – das ist die Krux.
Lange Zeit hatte die Agrarwirtschaft das Thema Öffentlichkeitsarbeit komplett verschlafen. Das hat sich zum Glück geändert. Landwirte sind sensibler geworden, viele Bürger und auch Medienvertreter sind sehr viel stärker an der Agrarwirtschaft interessiert. Das mag einigen wenigen Landwirten missfallen, denn sie würden lieber weiter in aller Ruhe auf ihrer Scholle ackern statt im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Aber wenn wir als Branche wirklich zurück in die Mitte der Gesellschaft wollen, dann erreichen wir das nur durch Kommunikation. Und dafür braucht es, wie gesagt, einen langen Atem. Wir reden hier über verloren gegangenes Vertrauen. Das kommt nicht über Nacht zurück. Nur weil wir jetzt mehr kommunizieren, heißt das noch lange nicht, dass alles wieder gut ist.
Wer soll wohin kommunizieren? Der einzelne Landwirt zum Nachbarn? Der Bauernverband zur Politik? Das Forum Moderne Landwirtschaft mit der gesamten Gesellschaft?
Für eine erfolgreiche Kommunikation müssen wir eines stets beachten: Es gibt »die Gesellschaft« eigentlich gar nicht, ebenso wenig wie »den Verbraucher« oder »die Medien«. Unsere Gesellschaft ist sehr divers – wir haben es also vielmehr mit gesellschaftlichen Gruppen zu tun.
Und genau deshalb muss die Agrarkommunikation auch zielgruppenspezifisch sein. Auf dem Bauerntag wird man nicht mit diskussionsbereiten Umweltschützern in Kontakt treten können. Kritische Journalisten werden einer Einladung zum »Tag des offenen Hofes« wahrscheinlich nicht folgen. Es gilt also zu erörtern, wen man wie ansprechen kann. Wichtig ist zudem, dass wir nur mit Menschen in Kontakt treten, die auch bereit sind zu diskutieren. Verschwenden Sie zum Beispiel Ihre wertvolle Lebenszeit nicht an militante Tierrechtler.
Viele Landwirte meinen, Kommunikation sei primär die Aufgabe der Verbände.
Ganz vorn stünde dann ja der Bauernverband. Dessen Problem ist aber, dass er aufgrund unterschiedlicher Interessen nicht immer mit einer Stimme sprechen kann. Er konzentriert sich m. E deshalb stark auf interne Öffentlichkeitsarbeit. Mit anderen Worten: Er kommuniziert vor allem für die eigenen Mitglieder. Hinter den Kulissen, als Lobbyorganisation im Gespräch mit politischen Entscheidern, ist der Bauernverband hingegen sehr erfolgreich. Er kann diese Erfolge nur nicht nach außen tragen. Insofern bekommen viele Landwirte gar nicht mit, wie gut dieser Verband eigentlich funktioniert und für die Interessen der Branche eintritt.
Umweltverbände können Lobbyarbeit und Öffentlichkeitsarbeit viel leichter verknüpfen, weil sie eine breitere Vertrauensbasis haben. Es ist geradezu eine Strategie von NABU, BUND & Co., über »Public Campaigning« Druck auf besagte Entscheider auszuüben und dadurch den politischen Prozess zu begleiten.

Foto: landpixel
DBV-Vizepräsident Werner Schwarz hat einmal gesagt, dass Kommunikation vor allem Unternehmerkompetenz sei.
Damit hat er vollkommen recht! Landwirte punkten mit Authentizität. Interessanterweise ist ja das Ansehen »der Agrarwirtschaft« eher mau, das des einzelnen Landwirts hingegen sehr gut. Hier muss unsere Kommunikation ansetzen. Aber abgesehen davon, dass Öffentlichkeitsarbeit kaum ein Thema in Berufs- und Hochschulen ist, lässt sie sich nicht einfach so erlernen. Ihre drei zentralen Begriffe sind Best Practice, Sensibilität und Empathie. Daran mangelt es einigen Landwirten leider nach wie vor. Sie suchen angeblich den Dialog, wollen aber dann das Gegenüber belehren, wie beispielsweise die Tierhaltung aus ihrer Sicht funktioniert. Sie meinen, der gesellschaftlichen Kritik liege vor allem ein Informationsdefizit zugrunde, und Information führe zu einer Rückgewinnung von Vertrauen.
Aber das stimmt nicht! Die Forschung belegt, dass gerade gut informierte Bürger der Landwirtschaft oft sehr kritisch gegenüberstehen. So ist die Branche stolz auf Züchtungsfortschritte und effiziente Haltungsbedingungen. Die öffentliche Wahrnehmung sieht hingegen Überzüchtung, unnatürliche Umgebung und unzureichend Platz.
Was können Landwirte besser machen?
Versetzen Sie sich gedanklich in die Perspektive des anderen. Wer Interesse und darüber hinaus auch Handlungsbereitschaft signalisiert, wird vom Gegenüber viel positiver wahrgenommen. Es reicht schon zu verstehen, dass man am Feiertag keine Gülle fährt, auch wenn die Bedingungen optimal sind.
Und vermeiden Sie unbedingt die zwei großen B: Blaming und Bolstering. Beim Blaming unterstellt man NGOs, Journalisten bzw. »den Medien« oder auch »dem Verbraucher«, schuld an der Misere unserer Branche zu sein. Das Bolstering schließt sich oftmals an. Da wird zum Beispiel behauptet, die deutsche Bevölkerung werde ohne ihre Landwirte nicht satt. Wem nützt eine solche Argumentation? Das Beschuldigen anderer vertieft nur die Gräben und fördert die Wagenburg-Mentalität. Es mag theoretisch vielleicht stimmen, dass die Bürger Hunger leider müssten, wenn sämtliche Bauern ihre Arbeit einstellen. Dies nimmt uns in Zeiten globalen Handels leider niemand mehr ab.
In letzter Zeit hat man den Eindruck, Öffentlichkeitsarbeit funktioniere nur noch über die Sozialen Medien.
Soziale Netzwerke haben einen großen Nachteil: Jeder Nutzer hat seinen individuellen Algorithmus. Das bedeutet, dass ein Rezipient zunächst nur die Bilder und Storys von Personen oder Institutionen angezeigt bekommt, die er selbst besonders interessant findet. Demzufolge werden viele gut gemeinte Beiträge zum Thema Landwirtschaft fast ausschließlich Landwirten und Landwirtschaftsfans angezeigt. Die Branche kommuniziert auf diese Weise in einer Art Echokammer. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich finde es gut, dass sich immer mehr Landwirte ein Herz nehmen und twittern oder bloggen. Aber sie erreichen damit nicht die skeptischen und kritischen Teile der Bevölkerung.
Was wäre denn Ihr Ideal von landwirtschaftlicher Kommunikation?
Die Spieltheorie besagt: Wer in der Defensive ist, muss riskante Vorleistungen bringen. Signalisieren wir also Verantwortungsübernahme und Veränderungsbereitschaft! Weshalb greifen wir Kritikpunkte nicht offensiver auf und vermitteln klare Signale einer Neuausrichtung? Die Automobilindustrie ist hier ein interessantes Beispiel: Sie versucht nicht, die Skandale der letzten Jahre schönzureden. Nein, sie spricht in der Öffentlichkeit ausschließlich über die Zukunft.
Das sollte unsere Branche auch tun. Agrarkommunikation darf keine Einbahnstraße, sondern muss ein bilateraler Austausch über die Zukunft der Landwirtschaft sein. Wir müssen uns auf die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zubewegen und gemeinsam mit ihnen Lösungen für die Konflikte finden. Das bedeutet, dass Landwirte dort Produktionsmethoden verändern, wo diese nicht mehr zu erklären sind. Umgekehrt müssen Bürger aber auch verstehen, dass Produktionsmethoden nicht ausschließlich ihren Anforderungen angepasst werden können und die Landwirte dann auf den finanziellen Risiken sitzenbleiben. Speziell von Politik und Wissenschaft würde ich mir wünschen, dass sie diese Prozesse intensiver begleiten und konstruktiver fördern, als sie es bisher tun.
Die Fragen stellte Thomas Preuße
Aus DLG-Mitteilungen 11/2018. Den vollständigen Artikel als PDF lesen Sie hier.
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