
Ukraine. "Wir hoffen auf das Getreideabkommen"
Elisabeth Seeba leitet einen Ackerbaubetrieb mit 1.600 ha mit Sitz in Ukrainka, im Nordwesten der Ukraine. Unsere Autorin Astrid Thomsen steht seit dem ersten Besuch des Betriebs vor einem Jahr in Kontakt mit Seeba und hat mit ihr über die aktuelle Situation in der Ukraine gesprochen.
Frau Seeba, Sie waren Mitte Juli zum zweiten Mal seit Kriegsbeginn auf Ihrem Betrieb in der Ukraine, was hat sich seit Ihrem letzten Aufenthalt verändert.
Das erste Mal war ich Anfang Juni wieder in der Ukraine. Der größte Unterschied war, dass es diesmal keinen einzigen Luftalarm gegeben hat. Im Juni waren diese noch an der Tagesordnung. Die Stimmung auf unserem Betrieb und im Dorf war wesentlich besser als zu Beginn des Krieges. Aber natürlich ist der Krieg immer präsent. Alle sind einfach nur dankbar, dass es ihnen nicht so ergeht, wie den Menschen im Osten der Ukraine und versuchen ihr Leben normal weiter zu leben. Manche haben Angehörige im Krieg und haben große Angst um sie. Fünf junge Männer aus unserem Dorf sind schon gefallen. Die Trauer um sie ist natürlich groß. Wir haben drei Mitarbeiter, die eingezogen werden könnten. Die restlichen sind geschützt, weil sie drei oder mehr Kinder haben.
Wie ist Ihnen in diesem Jahr der Anbau gelungen? Sie mussten ja fast sämtliche Entscheidungen per Ferndiagnose mit Hilfe von Handykameras, Satellitenbildern und Klimadaten treffen.
Der Anbau ist sehr gut gelungen. Wir sind nach mittlerweile acht Jahren ein sehr eingespieltes Team, haben viel Erfahrung im Anbau und verstehen uns blind, auch über eine Distanz von 1.600 km.
Wie ist die Gerstenernte verlaufen? Und wo können Sie die Gerste und den Raps lagern?
Die Gerstenernte ist in vollem Gange und wenn man bedenkt, dass im Mai nur 2 mm Regen gefallen sind, passen die Erträge auch. Leider werden wir nun ständig vom Regen unterbrochen und sind bei weitem noch nicht so weit mit der Ernte, wie wir es gerne wären. Außerdem hat es vor wenigen Tagen 47 mm geregnet und gehagelt. Unser Raps wurde teilweise stark beschädigt. Wir fahren die Gerste zum Teil in ein 120 km entferntes Lager. Den anderen Teil lagern wir in Bigbags unter den Hallendächern für die Maschinen auf unserem Betrieb. Unsere gemauerten Lagerhallen möchten wir für den Weizen nutzen. Den Raps wollen wir komplett fremd einlagern.

Foto: Seeba

Foto: Seeba
Können Sie aktuell etwas von der Ernte verkaufen?
Wir könnten Gerste verkaufen für 90 €/t. Der Preis ist allerdings so schlecht, dass wir versuchen, den Verkauf, so lange es geht, heraus zu schieben. Wir hoffen, dass die Preise etwas anziehen, wenn alle, die dringend Geld brauchen, verkauft haben. Unser Getreide ist nicht versichert. Alle Lager sind mit Feuermeldern ausgestattet. Das ist unser einziger Schutz. Ein wenig Hoffnung liegt nun auf dem Getreideabkommen für den Export über das Schwarze Meer. Vor allem auf bessere Rapspreise hoffen wir. Aber Russland zeigt sich ja leider immer wieder als unberechenbar und skrupellos.
Haben Sie genug Saatgut, Dünger und Treibstoff für die Aussaat?
Diesel ist wieder erhältlich. Auch an den Tankstellen bekommt man wieder alle Kraftstoffe. Der Preis hat sich allerdings seit Kriegsbeginn verdoppelt. Saatgut und Dünger ist in unserer Gegend auch normal verfügbar. Die Preise hierfür sind ähnlich wie in Deutschland. Ein Lager möchten wir zur Zeit nicht bauen. Wir hoffen, dass sich die Situation im nächsten Jahr wieder normalisiert hat und wir in Frieden leben.
Wie sieht ihre Anbauplanung für den Herbst aus?
So wie es aussieht, werden wir keine Wintergerste säen. Sollte sich die Situation im Winter verbessern, säen wir auf diesen Flächen dann im Frühjahr Sommergerste. Wenn der Export so schwierig bleibt, lassen wir die Flächen wohl brach liegen. Das sind dann etwa 25 % unserer Fläche.
Das Interview führte Astrid Thomsen, Freie Journalistin
Das gesamte geamte Interview mit weiteren Facetten und Details lesen Sie in der kommenden Ausgabe 9/2022.