Mikrobiom. Wissen, was drin ist
Das Bodenleben ist essentiell für das Pflanzenwachstum. Kann die DNA-Sequenzierung Licht ins Dunkel des Mikrobioms bringen und zukünftig als Entscheidungsbasis für Pflanzenschutz und Düngung dienen? Ferenc Kornis teilt seine Sicht als Pflanzenbauberater.
Probiotika sind nützliche lebende Mikroorganismen. Der Markt bietet bereits eine Vielzahl entsprechender Produkte für die Landwirtschaft. Diese Organismen jedoch gezielt und wirkungsvoll einzusetzen – analog zu Pflanzenschutz- und Düngemitteln, basierend auf Analysen und grenzwertorientierten Empfehlungen – das ist derzeit noch eine Vision. Doch wie realistisch ist diese und welche Hürden sind dafür zu überwinden?
Was wissen wir über unseren Boden und was nicht?
Mitte des 19. Jahrhunderts legte Justus von Liebig den Grundstein der modernen Bodenanalytik. Seither ist klar: Pflanzenernährung beruht auf chemischen Elementen wie Stickstoff, Phosphor und Kalium. Basierend auf nasschemischen Analysen und Feldversuchen entwickelte die VDLUFA Mitte des 20. Jahrhunderts eine Bodenklassifizierung als Grundlage für die gezielte Düngung landwirtschaftlicher Kulturen. Diese lösungsmittelbasierten Analysen sind bis heute Standard in der Bodenanalytik.
Im Ausland, etwa in den USA, ist die Analyse der Kationenaustauschkapazität (KAK) etabliert. Sie erlaubt tiefere Einblicke in Ton- und Humuskomplexe, ist in Deutschland aber wenig verbreitet.
Eine moderne Alternative ist die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS). Schneller, nicht nasschemisch und mit wachsender Datenbasis arbeitet sie zunehmend präzise und hat das Potential, klassische Verfahren langfristig zu ergänzen oder abzulösen.

Bodenmikroorganismen und ihre Funktionen - hier gehts zur Übersicht.
Für viele Landwirte noch Neuland ist die Analyse der Bodenmikrobiologie. In der Forschung ist sie seit den 1990er-Jahren durch PCR (Polymerase-Kettenreaktion) und später DNA-Sequenzierung fest verankert. Mit der molekularen Mikrobiologie wurde eine neue Dimension der Bodenforschung mit enormem Erkenntnispotential eröffnet.
Die Standard-Bodenanalyse beantwortet längst nicht alle Fragen. Während sich die mineralischen Komponenten – Ton, Sand, Schluff und Nährstoffe – gut analysieren lassen, ist die organische Substanz schwieriger zu bewerten. Sie macht rund 6 % des Bodens aus (Grafik 1). Meist wird nur der organische Kohlenstoff (Corg) gemessen und mit dem Faktor 1,72 zu Humus umgerechnet. Doch Kohlenstoff allein reicht nicht: Erst durch die Kombination mit dem Gesamtstickstoffgehalt ergibt das C:N-Verhältnis eine verlässlichere Aussage zur Bodenfruchtbarkeit. Aber selbst Böden mit »guten« Werten (z. B. 3,5 % Humus, 10:1 C:N) können unfruchtbar sein. Neuere Verfahren unterscheiden deshalb zwischen aktiven (leicht abbaubaren) und passiven (stabilen) Humusfraktionen – was differenziertere Aussagen zur Bodenqualität erlaubt.
Bleiben dennoch Fragen offen, lohnt sich der Blick auf die Bodenbiologie. Der organische Anteil setzt sich aus lebender und abgestorbener Substanz zusammen. Die lebende organische Substanz besteht aus Mikroorganismen (z. B. Bakterien, Pilze) bis hin zu Regenwürmern und macht insgesamt rund 6,5 % der organischen Substanz und damit weniger als 1 % der gesamten Bodenmasse aus.
Erst ein Bruchteil ist genau bekannt
Erst ein Bruchteil der Bodenmikroorganismen ist genau bekannt. Sie sind, wie im vorherigen Beitrag beschrieben, zentrale Akteure im Nährstoffkreislauf. In ihrer Gesamtheit wirken sie als biologisches Puffersystem, das zahlreiche Prozesse im Boden stabilisiert und reguliert und somit für die Landwirtschaft essentiell ist. Doch wir wissen noch immer zu wenig darüber, wer genau diese Helfer sind und welche Bedingungen sie brauchen. Man geht davon aus, dass bislang nur etwa 1 bis 2 % der Bodenmikroorganismen wissenschaftlich beschrieben und weniger als 1 % kultivierbar sind. In Genomdatenbanken wie der NCBI GenBank sind zwar zehntausende Mikroorganismen erfasst, doch nur schätzungsweise rund 9 000 wurden bisher isoliert, vollständig sequenziert und funktionell charakterisiert. Daher wird in vielen Fällen auf einer allgemeineren bzw. höheren taxonomischen Ebene gesprochen, etwa Phylum (Stamm) statt Genus (Gattung) – zum Beispiel Bacillus anstelle von Bacillus subtilis.
Der gezielte Einsatz lebender Mikroorganismen bringt zentrale Herausforderungen mit sich
- Die Überlebensfähigkeit mikrobieller Präparate variiert stark – sowohl zwischen den Organismengruppen als auch je nach Umweltbedingungen. Bakterien sind widerstandsfähiger als Pilze gegenüber Umweltbedingungen (Trockenheit, Nässe, Hitze, Kälte) oder Bewirtschaftungssystemen (Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz).
- In der dicht besiedelten Rhizosphäre konkurrieren Mikroorganismen um Raum und Nährstoffe. Eingebrachte Stämme müssen sich gegen ein etabliertes Bodenmikrobiom durchsetzen – was oft nur begrenzt gelingt.
- Zudem erschwert ein »Boden-Immunsystem« die dauerhafte Etablierung neuer Mikroben, besonders wenn es keine freie ökologische Nische gibt. In vollständig besetzten »saturierten« Böden bleiben selbst wirksame Stämme ohne Effekt.
- Standortfaktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit, pH-Wert, Bodenart und -struktur beeinflussen Überleben und Aktivität entscheidend. Der physikalische Aufbau des Bodens bestimmt maßgeblich die Lebensbedingungen für Mikroorganismen.
- Auch chemische Betriebsmittel für Pflanzenschutz und Düngung wirken auf das Mikrobiom. Mykorrhiza-Pilze etwa reagieren empfindlich auf Triazol-Fungizide wie Tebuconazol und sind in stark mit Phosphor gedüngten Böden benachteiligt.
- Ein erfolgreicher Einsatz mikrobieller Produkte setzt standardisierte Empfehlungen, fundierte Standortkenntnis und ihre gezielte Integration ins Bewirtschaftungssystem voraus.
DNA-Sequenzierung im Praxiseinsatz.
An unserem Versuchsstandort in Sachsen-Anhalt, Derenburg, wird die DNA-Sequenzierung genutzt, um komplexe Fragen zur Bodenfruchtbarkeit zu klären. Ziel ist ein besseres Verständnis der biologischen Bodenzusammensetzung, um künftig fundierte pflanzenbauliche Empfehlungen ableiten zu können.
In einem aktuellen Versuch werden verschiedene Düngestrategien mit dem Schwerpunkt Schwefel in Weizen für die Absicherung der Qualitäten getestet. Neben den klassischen Analyse-Methoden (Nmin, Smin, Humus, C:N und P, K, Mg und pH) wird auch der Einfluss auf das Bodenmikrobiom analysiert.
Erste Ergebnisse (Grafik 2) zeigen nur geringe Unterschiede im Vorkommen von Bakteriengruppen (taxonomische Einteilung auf Stamm-Ebene). Werden die Funktionen der Mikroorganismen berücksichtigt, lassen sich funktionelle Gruppen bilden (Grafik 3), die praxisnäher und verständlicher sind.
Die DNA-Sequenzierung macht biologische Unterschiede sichtbar. Funktionelle Gruppen, etwa im Stickstoffkreislauf, lassen sich gezielt identifizieren. Für belastbare pflanzenbauliche Empfehlungen fehlen bislang jedoch die Grundlagen.
Wie genau läuft die Analyse des Bodenmikrobioms ab?
Vor Ort werden Bodenproben genommen und zeitnah gekühlt ins Labor verschickt. Dort wird die mikrobielle DNA extrahiert bzw. isoliert. Dann werden markerbasierte Zielgene (z. B. 16S-rRNA für Bakterien/Archaeen, ITS für Pilze) mittels PCR-Amplifikation künstlich vervielfältigt. Anschließend werden in der Hochdurchsatz-Sequenzierung in kurzer Zeit riesige Mengen an DNA entschlüsselt: Die bioinformatische Auswertung erkennt, welche Mikroorganismen in welcher Menge vorkommen und zu welchen ökologischen Funktionen sie gehören (z. B. Stickstofffixierung). Diese Daten werden interpretiert und münden in einen Bericht. Eine Analyse kostet ca. 250 €.
Welche Einsichten und Chancen kann die DNA-Sequenzierung des Bodens für die Landwirtschaft von morgen eröffnen?
- Moderne molekulargenetische Methoden ermöglichen es, Mikroorganismenarten zu erfassen und zu identifizieren. Das eröffnet vielfältige Optionen für eine nachhaltigere, präzisere Landwirtschaft.
- Die Sequenzierung macht bakterielle, pilzliche, archaeelle und protistische Gemeinschaften sichtbar. Eine hohe mikrobielle Diversität fördert Humusbildung, Nährstoffverfügbarkeit und Krankheitsresistenz – und liefert Rückschlüsse auf Bodengesundheit und mikrobielles Gleichgewicht.
- Durch die Zuordnung zu funktionellen Gruppen wie Stickstofffixierer (Rhizobium), Humusbildner (Streptomyces), Pathogenantagonisten (Pseudomonas) oder Phosphatmobilisierer (Mykorrhiza, Azospirillum) lassen sich zentrale Stoffwechselprozesse wie der Stickstoff- oder Kohlenstoffkreislauf bewerten.
- Zudem ermöglicht die Technik die Früherkennung pflanzenschädlicher Mikroorganismen (Krankheiten und Schädlinge) – lange bevor Symptome auftreten – und zeigt, wie Betriebsmittel wie Dünger oder Fungizide das Mikrobiom beeinflussen.
- Sequenzierungsdaten erlauben auch die Bewertung unterschiedlicher Anbausysteme und Maßnahmen, z. B. der Vergleich verschiedener Düngestrategien oder die Beurteilung biologischer Effekte von Fruchtfolge, Zwischenfrüchten und Bodenbearbeitung. Sie unterstützen die Entscheidung über Maßnahmen wie der Einsatz von PGPR (Plant Growth-Promoting Rhizobacteria) oder Mykorrhiza.
- Langfristig lassen sich durch wiederholte Analysen Mikrobiomveränderungen dokumentieren, Referenzwerte aufbauen und daraus standortspezifische Strategien für Düngung und Pflanzenbau entwickeln.
Fazit
Die DNA-Sequenzierung kann künftig ein zentrales Werkzeug der Bodenanalytik werden – vorausgesetzt, die Ergebnisse lassen sich zuverlässig interpretieren und in konkrete pflanzenbauliche Empfehlungen überführen.
Fakt ist, die Forschung kann Effekte und Verschiebungen im Mikrobiom durch Maßnahmen wie Fruchtfolgen oder Zwischenfrüchte messen. Daraus eindeutige Rückschlüsse für die Praxis zu ziehen, gelingt allerdings noch nicht. Hier braucht es weitere Forschung und Praxisversuche.