
Startups. Mehr Transparenz für bessere Entscheidungen
Digitale Handelsplattformen gibt es inzwischen viele. Ziel ist es, transparentere Marktbedingungen zu schaffen, den Handelsradius der Landwirte zu erweitern und die Wertschöpfung zu steigern.
Die Digitalisierung eröffnet beim Vermarkten von landwirtschaftlichen Rohstoffen ganz neue Möglichkeiten: Handelspartner sind nur noch einen Mausklick oder, mobil auf dem Smartphone, einen Fingerwisch entfernt. Das soll allen Teilnehmern den Zugang zu einem breiteren Netzwerk an Handelspartnern ermöglichen, die Preistransparenz erhöhen und und zu effizienteren Prozessen im Handel führen.
Branchenüberblick. Die digitale Welt dreht sich schnell. In den vergangenen Jahren sind einige Handelsplattformen (z. B. Agrarconnect, Agrar2b, Agrimand, Agrora, Unamera) wie Pilze aus dem Boden geschossen. Oder wie beispielsweise House of Crops oder Agrando bereits wieder von der Bildfläche verschwunden. 2017 gegründet, zählte Agrando zu den »alten Hasen im Geschäft« und bot den Landwirten über einen digitalen Marktplatz Futter- und Betriebsmittel wie Dünger, Saatgut, Pflanzenschutzmittel und Treibstoffe. Wegen des schwierigen Marktumfeldes bei Dünger, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine, hatte das Münchner Startup mit weit über 100 Mitarbeitern im Juni vorläufige Insolvenz angemeldet und jetzt den Geschäftsbetrieb vollständig eingestellt.
Erst die Coronapandemie, die alle gängigen Finanzierungskanäle trocken gelegt hat, jetzt die Kriegssituation in der Ukraine – das sind Makrofaktoren, die alle Gründer und Startups spüren. Denn sie verleiten die Investoren dazu, erst einmal die Füße still zu halten und abzuwarten. Fehlendes Risikokapital, Angst vor Rezession: Es gibt deutlich weniger Unternehmensgründungen. Laut Startup-Monitor sank die Gründungsaktivität im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2021 um 7 % von 1 618 auf 1 508 Neugründungen.
Der Umsatz der digitalen Plattformen ist noch verhältnismäßig gering und der traditionelle Handel mit seinen gewachsenen Geschäftsbeziehungen nach wie vor der Maßstab. So zeigt eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens McKinsey, dass europaweit der Handel mit landwirtschaftlichen Produkten (inkl. Futtermittel, Saatgut, Dünger, Pflanzenschutz) rund 138 Mrd. € ausmacht. Davon werden aber nur 150 bis 200 Mio. € online umgesetzt. Doch die Zukunft scheint rosig. Glaubt man den Prognosen, steht die Branche vor einem rasanten Wachstum.


Die beiden Gründer der digitalen Handelsplattform cropspot Maximilian von Weichs (links) und Tobias Fallmeier.
Davon geht auch das Hamburger Startup cropspot aus. Das Gründerteam um Tobias Fallmeier und Maximilian von Weichs hat einen landwirtschaftlichen Hintergrund und ist seit vielen Jahren mit der Materie vertraut. Die beiden haben Agrarwissenschaften in Göttingen studiert und dann zusammen bei der Getreide AG in Hamburg gearbeitet. Maximilian von Weichs bekam den Kontakt im Rahmen des DLG-Traineeprogramms. Im Anschluss daran war er für den Einkauf bei der Getreide AG in Schleswig-Holstein und Niedersachsen zuständig.
Tobias Fallmeier verantwortete zur gleichen Zeit das Großhandelsgeschäft, also alles was in Richtung Export, Mischfutter und Mühlen geht. Kurzum: Der eine hat die Preise des anderen an die Landwirte weitergegeben und »übersetzt«. Das Fazit, das die beiden aufgrund ihrer Erfahrungen aus der Zusammenarbeit zogen: Mehr Transparenz und Digitalisierung könnte allen Beteiligten guttun. Das war der Grundstein für die Gründung von cropspot im April 2019. Ergänzt wird das Team noch von Dr. Hinnerk Gnutzmann, ein IT-Spezialist mit Kenntnissen im E-Commerce, der die Plattform von der Pike auf in Eigenregie entwickelt hat. Zum 1. Februar 2020 erfolgte der Start mit der ersten gehandelten Tonne – bis heute ist das Team auf sieben feste Mitarbeiter angewachsen.
Ein digitaler Marktplatz für Getreide, Ölsaaten und Leguminosen. Bei cropspot inserieren die Landwirte unverbindlich und zunächst anonym ihre zu verkaufenden Partien. In der digitalen Deutschlandkarte erscheint in der entsprechenden Region das Angebot. Ebenso tun es die Käufer, wie Händler, Mischfutterwerke oder Mühlen. In dem Moment, in dem jemand dem Landwirt einen Preis fest anbietet bzw. der Landwirt sich auf ein Gebot einlässt, öffnet sich ein Verhandlungs-Chat, um miteinander Kontakt aufzunehmen und das Geschäft abzuschließen. Der Preisticker übersetzt die Kassamarktpreise durch eine Kopplung an die Futures der Euronext (Matif) live und frachtbereinigt auf die individuelle Betriebsstätte. So wird maximale Vergleichbarkeit geschaffen und höchstmögliche Preise im Ein- und Verkauf landwirtschaftlicher Rohwaren bei kalkulierbarem Risiko ermöglicht.
Die Eintrittshürde liegt niedrig: Das Erstellen der Inserate ist für jeden Kunden kostenlos. Erst bei Vertragsabschluss verdient cropspot eine Handelskommission von 50 Ct/t, wie ein klassisch analoger Makler auch. Egal ob viel oder wenig Menge, es kann jeder mitmachen – 25 t ist das Handelsminimum.
Internationalisierung ist das Ziel. Aktuell hat cropspot nach eigenen Angaben bundesweit etwas mehr als 2 500 Nutzer. Etwa 80 % davon sind Landwirte, die restlichen 20 % entfallen auf Handel, Industrie und sonstige. Obwohl der Fokus in Sachen Service bis dato auf Deutschland lag, findet bereits in zwölf anderen europäischen Ländern Handelsgeschäft statt. Ziel der Gründer ist jetzt die Internationalisierung des Geschäfts: Nächstes Jahr soll in Polen mit einem Kollegen vor Ort die Marktstellung ausgebaut werden.
Fazit. Es geht beim Onlinehandel wie auch ganz allgemein bei der Digitalisierung um Informationstransparenz zur Entscheidungsunterstützung. Es geht nicht um Preisdumping und nicht darum, vertraute und langjährige, persönliche Geschäftsbeziehungen kaputt zu machen. Im Gegenteil: Es bleibt ja auch trotz Handelsplattformen dabei, dass am Ende Käufer und Verkäufer ein Geschäft abschließen – die Plattform vermittelt.
Thomas Künzel
Aus DLG-Mitteilungen 12/22. Den Beitrag als pdf finden Sie hier.