Getreide. Woher kommen die schlechten Qualitäten?

Nach drei Trockenjahren in Folge sah dieses Jahr lange Zeit alles nach einer guten Ernte aus. Umso größer war vielerorts die Enttäuschung über die Druschergebnisse. Das gilt vor allem für die erzielten Qualitäten. Wie lässt sich das erklären?

Eigentlich sah doch alles so gut aus. Nach drei außergewöhnlich trockenen Jahren endlich mal wieder eine Vegetation mit guten Wachstumsbedingungen. Doch die Ernteergebnisse zeigen einmal mehr: Man darf den Tag nicht vor dem Abend loben. In weiten Teilen Deutschlands sorgten die Erträge und vor allem die erzielten Qualitäten beim Getreide für große Ernüchterung. Wie kann das sein?

Ist der Mai kühl und nass, füllt’s dem Bauern Scheun’ und Fass. Dieses schöne Sprichwort ist in diesem Frühjahr sicher vielen Landwirten durch den Kopf gegangen. Denn die Niederschläge fielen deutlich üppiger aus als in den Vorjahren und machten Hoffnung auf eine gute Ernte. Unterm Strich füllten sich die »Scheunen« zwar reichlich mit Stroh, die Körner in den »Fässern« enttäuschten jedoch vielfach. Bei der Gerste litten vor allem die Hektolitergewichte und die Kornsortierung. Ähnliches gilt für den Weizen, auch wenn hier die Ernte zu Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen war. Viele Landwirte und Berater sehen die Erklärung in genau jenem – augenscheinlich so positiven – Witterungsverlauf.

Bereits zur Aussaat im Herbst 2020 waren die Bedingungen überwiegend gut. Allerdings nicht nur für das Getreide. Teils konnten sich auch pilzliche Erreger etablieren. So wird vor allem im Norden von Infektionen mit Halmbasis- und Wurzelkrankheiten wie Schwarzbeinigkeit und Halmbruch berichtet. Darüber hinaus gab es im Herbst regional auch Blattlaus- und Zikadenbefall, was zu Virusinfektionen führte. Allen voran sorgte das Gelbverzwergungsvirus für Ertragseinbußen und teils sogar für Totalausfälle. Dennoch ging das Gros der Getreidebestände gut entwickelt in den Winter. Letzterer war durch eine wüchsige Witterung gekennzeichnet, sodass es im Grunde keine Vegetationsruhe gab und die Pflanzen viele Triebe und Körner anlegten. Und auch das kühle, recht feuchte Frühjahr förderte die vegetative Entwicklung. Daher konnte man in diesem Jahr viele dichte, massige Bestände beobachten. Anders als in den Vorjahren reduzierten die Pflanzen kaum Triebe. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Denn im Juni folgte auf die lange wüchsige Phase ein abrupter Wechsel. Zur Monatsmitte war es schlagartig in ganz Deutschland sehr heiß. Tatsächlich berichtete der Deutsche Wetterdienst vom drittwärmsten Juni seit 1881. Plötzlich standen die Pflanzen unter Stress und waren nicht mehr in der Lage, all die vielen angelegten Körner ausreichend zu füllen. Bis zum Juni haben sie »von der Hand in den Mund« gelebt. Es waren stets ausreichend Wasser und Nährstoffe vorhanden, sodass die Wurzeln keinen großen Anreiz hatten, in die Tiefe zu wachsen. Im Süden hat es in manchen Regionen sogar so viel geregnet, dass die Wurzeln unter Sauerstoffmangel litten und Feinwurzeln abbauten. Auf Stressbedingungen waren sie somit nicht vorbereitet, weshalb die Hitze den Hormonstoffwechsel und den Assimilatstrom in die Körner negativ beeinflusste. 

Sonne zur falschen Zeit. »Stimmen« Temperatur, CO2-Gehalt und Wasserversorgung, nimmt die Photosyntheseleistung proportional zur steigenden Lichtintensität zu. In der Regel ist Licht in unseren Breiten nicht der begrenzende Ertragsfaktor. In diesem Jahr hat die Sonne aber vermutlich eine Rolle gespielt. Während es im April und Juni sehr sonnig war, verfehlte die Sonnenscheindauer im Mai laut Deutschem Wetterdienst mit rund 165 Stunden ihr Soll von 202 Stunden recht deutlich um 18 %. Dadurch konnten sich vor allem bei der Gerste nur wenige lösliche Assimilate ansammeln und in die Körner verlagern. Und als mit der Sonne im Juni die Hitze kam, mussten die Pflanzen viel Energie in die Verdunstung stecken. 

Für Probleme in der Gerste sorgte regional auch Ramularia. Das wechselhafte Wetter mit starker Sonneneinstrahlung und Niederschlägen Anfang Juni förderte die Infektion. Für eine Fungizidmaßnahme war es oft zu spät, zumal der Wirkstoff Chlorthalonil zur Kontrolle dieser Krankheit weggebrochen ist. Die zum Teil deutlichen Schäden an den Pflanzen leisteten der raschen Abreife weiter Vorschub.

Aufgrund der wechselhaften Witterung im Frühsommer war zudem die Wirkung von Wachstumsreglern nicht immer wunschgemäß. Zu Schossbeginn konnten die meisten Landwirte ihre Bestände zwar überwiegend gut managen. Doch man darf nicht vergessen, dass Wachstumsregler erheblich in den Hormonhaushalt der Pflanze eingreifen und damit auch einen Stressfaktor darstellen. Ist das Wurzelwerk von vornherein nicht allzu üppig entwickelt, verstärkt eine Wachstumsreglergabe diesen Effekt zusätzlich, was die Assimilatbildung und -verlagerung beeinflusst. Andererseits beugt sie Ertragsverlusten durch Halmbasiserkrankungen vor. Hier die »richtige« Strategie zu finden, ist also ein schmaler Grat.

Je besser die Böden, desto enttäuschender die Erträge. Von diesem Phänomen berichten dieses Jahr viele Praktiker. Das stützt die These der gehemmten Wurzelentwicklung aufgrund der feuchten, kühlen Vegetation. Leichte Böden kühlen zwar schneller aus. Sie erwärmen sich aber auch schneller und trocknen rascher ab, was die Wurzelentwicklung in die Tiefe fördert. 

Fazit

Durch das wüchsige Wetter in diesem Jahr sah lange Zeit alles nach einer sehr vielversprechenden Ernte aus. Dennoch verzeichnen viele Landwirte Ertrags- und Qualitätseinbußen beim Getreide, die vor allem auf den Witterungsverlauf zurückzuführen sind. Letzterer sorgte zwar für eine starke vegetative Entwicklung der Bestände. Das entscheidende generative Wachstum litt jedoch darunter. Dabei lässt sich auch mit acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen nicht viel »retten«. Dennoch lohnt in jedem Fall eine individuelle Analyse der bekannten ertragswirksamen Stellschrauben.

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