Ukraine: "Ich werde einen Hilfstransport organisieren"

Im Osten der Ukraine brodelt es schon seit mehreren Jahren, der Westen des Landes galt dagegen bislang als sicher. Doch das hat sich mit den russischen Angriffen schlagartig geändert. Das musste auch Michael Dihlmann erfahren, der bei Iwano-Frankiwsk, südöstlich vom Lemberg (Lviv) und an den Ausläufern der Karpaten gelegen, seit 2015 einen 500 ha großen Bio-Betrieb bewirtschaftet. „Das hätten wir niemals gedacht“, sagt er. Nur zwei Kilometer von seiner Mietwohnung im Ort schlugen Raketen ein, der Flughafen von Iwano-Frankiwsk wurde beschossen. In naher Entfernung zu seinem Hof wurde zudem ein russischer Kampfjet abgeschossen. Der Krieg, der lange weit weg schien, ist im Westen angekommen.

Der Zufall wollte es, dass Dihlmann gerade ein paar Tage zuvor ausgeflogen war zu seiner Familie auf den Hof in die Altmark, die aktuellen Ereignisse verfolgte er also besorgt aus Deutschland. Jeweils etwa zwei bis drei Wochen ist der 50-Jährige in der Ukraine, die andere Zeit auf seinem nach Bioland Kriterien bewirtschaftete Hauptbetrieb, den die Familie 1995 in der Altmark an der Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg kaufen konnte.

Per Telefon ist er mit seinen sechs Mitarbeitern in Kontakt - neben Ukrainern auch ein Deutscher, der vorerst im Land bleibt. Aber auch Dihlmann ist unruhig, ihn hält es nicht in Deutschland. „Sobald es die Situation erlaubt, spätestens Mitte März, will ich wieder in die Ukraine.“ Es gehe um Loyalität, Verantwortung und Anerkennung sowie darum, zu zeigen, dass er zum Land, zu einer freien Ukraine und seinen Leuten stehe. Das sei er auch seinen Mitarbeitern schuldig. Zudem sei der Betrieb auch ein Teil seines Lebenswerks, in das er Zeit, Energie und Geld gesteckt habe - den könne man in diesen Kriegswirren nicht sich selbst überlassen. „In einem Krieg ist sich jeder immer selbst der Nächste. Und wenn Not da ist, wird man auch vor fremden Eigentum nicht zurückschrecken“, sagt Dihlmann.

Der im Aufbau befindliche Hof in der Ukraine, auf dem Dihlmann Weizen, Mais, Hafer, Buchweizen, Klee und Luzerne anbaut, sei ein Teil des Generationenvertrages. Er selbst sei die 15. Generation der seit 1535 bestehenden Landwirtschaftstradition der gebürtig aus der Region Pforzheim stammenden Familie und wolle auch seinen fünf Söhnen das Landwirt sein ermöglichen. Seine Familie habe zwar Sorgen und Bedenken, dass er schnell wieder in die Ukraine zurückkehren wolle - andererseits fühle er sich auf dem Dorf relativ sicher, sähe man einmal von Kollateralschaden durch Abschüsse, Abwehr und fehlgeleitete Schüsse ab. „Aber die Gegend ist kein primärer Kriegsschauplatz und wenn der Krieg näher kommt, ist die Grenze nicht weit weg.“

Dihlmann will nicht mit leeren Händen zurück kommen. Über seine Mitarbeiter, die unter anderem über die Hof-Infrastruktur das Dorf mit Strom und Telekommunikation versorgen können, erfährt er, woran es mangelt. „Ich werde einen Hilfstransport zusammenstellen mit allem, was man im Zivilschutz braucht“, sagt er. Ob Erste-Hilfe-Pakete, Feuerwehrschläuche oder ausrangierte Feuerwehrhelme - all das werde dort gebraucht. Wer mit Material unterstützen kann, sollte sich bei ihm per E-Mail ([email protected]) melden.

Er selbst glaube an die Freiheit, die freie Meinungsäußerung, die offene Gesellschaft: „Ich gehe davon aus, dass wir das Feld dort nicht räumen und dass die Westukraine nicht russisch bestimmt wird“, sagt er. 

Christian Mühlhausen

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