Ukraine: "Der Betrieb liegt jetzt in den Händen meiner Mitarbeiter"

„Dass das in der Ukraine jetzt so eskaliert, damit hätte keiner gerechnet - auch hier in der Ukraine nicht“, sagt Alexander Albus. Der 35-jährige Nordhesse hat sich gemeinsam mit seinem Kollegen Alexander Wolters gleich am Tag des Kriegsausbruchs auf die Flucht gemacht. Albus lebt dauerhaft in der Ukraine und führt die Geschäfte des Betriebes, den seine Familie über die letzten neun Jahre im Oblast Ternopil südöstlich von Lemberg (Lviv) und etwa 200 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, aufgebaut hat. Im nordhessischen Bad Wildungen hat sein älterer Bruder den dortigen Familienbetrieb mit Ackerbau und Milchvieh übernommen.

Morgens um fünf hat Albus vom russischen Angriff erfahren. Bis alles Notwendige organisiert war und er aufbrechen konnte, war es schließlich früher Nachmittag. „In der Stadt war es das reinste Chaos, alle haben eingekauft, Geld abgehoben, getankt - irgendwann waren die Bankautomaten leer und der Sprit ausverkauft.“

    Seine Freundin und deren Tochter bleiben vorerst in der Ukraine: Ihre Familie betreibt dort mehrere Lebensmittelgeschäfte und stellt so die weitere Versorgung sicher im Rahmen der Möglichkeiten. Außerdem ist die Region bislang von Kriegshandlungen verschont. Es sei aber vereinbart, dass sie zügig nachkommen, sobald die Lage auch dort ernst werde.

    Über 13 Stunden habe die Wartezeit an der Grenze betragen. „Ich habe dort alles gesehen und erlebt“, sagt er sichtlich bewegt. Szenen von dramatischen Abschieden, weil Familien getrennt werden, weil wehrpflichtige Männer nicht ausreisen dürfen. Vollkommen erschöpfte und übermüdete Familien in Autos, pedantisch-penible Grenzkontrollen auf der polnischen Seite, die sich nicht darum zu kümmern scheinen, dass auf der anderen Seite Tausende Menschen in einem 20 Kilometer langen Stau vor einem Krieg fliehen.

    Derweil ist sein Betrieb vorerst abgeschlossen: „Es passiert draußen nichts und die Mitarbeiter haben dafür jetzt auch ohnehin keinen Kopf.“ Er verlasse sich voll auf seine zehn Mitarbeiter, sein Büroleiter trage jetzt die Verantwortung, es laufe alles nach Absprache. Bislang sei keiner der Mitarbeiter eingezogen worden, aber die Stimmung unter ihnen sei sehr gedrückt. „Ich hoffe, dass die Ukraine  und ein freies Land bleibt.“ 

    Man habe in den vergangenen Jahren kräftig in Technik und die Hofstelle investiert, wegen der politische Lage habe man seit Dezember weitere Investitionen vorerst zurück gestellt. Sorge vor Plünderungen - Dünger, Pflanzenschutz und Saatgut liegen bereits auf Lager, zudem die Technik - hat Albus nicht: „Die Ukrainer sind sehr anständig im Herzen.“ Größere Diebstähle habe es in all den Jahren nie gegeben.

    Der Betrieb wurde 2013 mit 200 Hektar gestartet, heute wirtschaftet Familie Albus dort auf 1600 Hektar und baut Weizen, Raps, Sojabohne, Sonnenblume, Gerste und Mais an.  

    Christian Mühlhausen

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