Portrait. Immer einen Schritt voraus

Große Bauprojekte im Milchviehbereich gibt es derzeit gerade nicht viele. Familie Essich hat sich allerdings ganz bewusst für einen Wachstumsschritt entschieden. Was hat sie dazu bewogen?

Ein neuer Stall für 250 Kühe, ein 50er Außenmelkkarussell, ein Abkalbestall, eine Fahrsiloanlage und eine Lagune für Silosickersaft – Familie Essich aus Bockenau in Rheinland-Pfalz hat in den vergangenen zwei Jahren ein großes Bauprojekt gestemmt, um ihren Betrieb zukunftsfähig aufzustellen. Die deutsche Gruppe der European Dairy Farmers hat den Lindenhof besucht, als die erste Bauphase kurz vor dem Ende stand. Mittlerweile ist auch der Umbau der Altge­bäude fast beendet.
Andreas und Claudia Essich kauften 1988 den Betrieb, zu dem damals 16 ha und 30 Kühe im Nebenerwerb gehörten. Ursprünglich stammen die beiden aus dem Kreis Ludwigsburg und stießen auf der Suche nach einem Standort, auf dem eine entwicklungsfähige Landwirtschaft möglich ist, auf den Lindenhof im Hunsrück. Seitdem haben sie nahezu ständig kleinere oder größere Erweiterungsschritte in der Milchviehhaltung vorgenommen. Außerdem wurde eine 75 kW Biogas­anlage gebaut und eine Photovoltaikanlage mit 930 kW installiert.

Allein in den vergangenen zehn Jahren vergrößerte Familie Essich die Herde von 170 auf 330 Kühe. Das Ziel sind 430 Kühe plus weibliche Nachzucht. »Wir haben bisher immer billig und mit viel Eigenleistung gebaut«, sagt Andreas Essich. »Die derzeitige Betriebserweiterung ist unser bisher größter Wachstumsschritt. Damit wollen wir unsere Milch arbeits- und kosteneffizienter produzieren.« Beispielsweise konnte die Melkzeit bereits erheblich reduziert werden. Ein weiterer Grund für das Wachstum ist die Vorbereitung für die Hofnachfolge. Sohn Moritz ist bereits in den Betrieb eingestiegen. »Mein Vater und ich sind beide Kuh-begeistert und ergänzen uns sehr gut«, sagt Moritz Essich.
Auf dem Betrieb arbeiten neben den zwei Familienarbeitskräften derzeit 3,5 Mitarbeiter. Ein großes Anliegen ist den Essichs die Ausbildung junger Landwirte. Der Lindenhof ist seit über 25 Jahren anerkannter Ausbildungsbetrieb und dauerhaft werden zwischen zwei und vier Lehrlinge beschäftigt.

 

Der neue Stall wurde sehr bewusst mit zwei statt drei Reihen Liegeboxen gebaut. »Ich hatte solche Milchviehställe in den USA gesehen, die mich überzeugt hatten. Und mir ist ein 1:1-Fress-Liegeplatzverhältnis extrem wichtig«, sagt Moritz Essich. Jeweils an den Stirnseiten befinden sich zwei Laufhöfe. »Neben dem verbesserten Tierwohl waren auch die Fördermittel, die wir für den Bau bekommen haben, ein Grund dafür«, sagt Essich. »Wir liefern unsere Milch an Hochwald und bekommen derzeit noch keinen Tierwohlzuschlag für eine Haltungsstufenkennzeichnung. Der neue Stall erfüllt aber alle Voraussetzungen dafür, und auch unser alter Milchviehstall hat bereits einen Laufhof«. Bisher haben nur die Trockensteher Weidegang, er könnte aber auch für die melkenden Kühe ermöglicht werden.
Im neu erbauten Stall sind vier Gruppen untergebracht: frischmelkende Kühe, frischmelkende Färsen, Hochleistende und eine Strohgruppe für kranke Tiere. Ebenfalls neu gebaut wurde ein Abkalbestall. Er ist 40 m lang und 5 m breit und in acht Gruppen unterteilt. Im hinteren Teil befindet sich ein Servicegang, über den die Tiere in die verschiedenen Abteile getrieben werden können und der einen leichten Zugang zu den Tieren ermöglicht. Die Färsen und Kühe kalben möglichst in getrennten Gruppen ab. Die Färsen kommen danach direkt in die Färsengruppe, in der sie bis etwa zum 150. Laktationstag bleiben.
In den Altgebäuden sind die Altmelker, tragende Kühe und das Jungvieh. Trotz der vielen verschiedenen Gebäude bleiben durch eine geschickte Anordnung die ­Wege für die Kühe zum Melken kurz.
Nach Abschluss der Bauphase möchte Moritz Essich nun einen Fokus auf die Verbesserung der Arbeitsroutinen richten, um die Arbeitsbelastung zu senken. Beispielsweise sollen Standardarbeiten noch besser auf feste Wochentage verteilt werden. Eingeführt wurde auch ein routinemäßiger wöchentlicher Tierarzttermin.

Alle Kuhgruppen bekommen die gleiche Futterration. »Sie ist momentan eher mais- und rübenschnitzellastig. Enthalten sind außerdem Luzernesilage, Biertreber und mineralisiertes Kraftfutter«, sagt Moritz Essich. 450 bis 500 mm durchschnittliche Niederschläge und die Böden mit sandigem Lehm und vielen Steinen erschweren den Futteranbau. Viele Flächen liegen zudem in Hanglage. Bewirtschaftet werden derzeit knapp 300 ha, wovon etwa 200 ha Ackerland sind. 95 % der Flächen liegen in roten Gebieten. »Das belastet uns schon«, sagt Andreas Essich.

Auch die Öffentlichkeitsarbeit liegt Familie Essich sehr am Herzen. »Wir führen viele Besuchergruppen über unseren Hof. Das sind sowohl Fachgruppen, die sich für unsere Betriebsstrategie interessieren, als auch Schulklassen und Kindergärten, die einen Einblick in die moderne Landwirtschaft erhalten möchten«, erzählt Moritz Essich. Für das Forum Moderne Landwirtschaft war er auf der Grünen Woche als Scout dabei, um Verbraucher über Landwirtschaft zu informieren. Auch auf Facebook ist der Betrieb vertreten. Die Essichs geben dort Einblicke in das tägliche Leben auf dem Hof (www.facebook.com/
LindenhofEssich). Ein Ziel ist es dabei, die Akzeptanz von großen Ställen zu fördern.

Bianca Fuchs

Aus DLG-Mitteilungen 4/22. Den Beitrag als pdf finden Sie hier.