Bioschweine. Umstellen oder lieber nicht?

Die Umsetzung der Borchert-Pläne ist derzeit unsicherer denn je. Im Biobereich hingegen sind die Bedingungen relativ klar. Sollten konventionelle Schweinehalter auf den Biozug aufspringen?

Bioschweine sind aktuell gesucht. Preise von 4,25 €/kg SG und 165 €/Ferkel bringen manchen Schweinehalter angesichts der aktuellen Krise in der konventionellen Schweinehaltung ins Grübeln: Bietet eine Umstellung auf Bio bessere Zukunftsperspektiven für den Betrieb? Und ist jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt dafür? Eine Online-Tagung von bio2030.de, einer unabhängigen Initiative zur Weiterentwicklung des Bio-Landbaus, hat versucht, Antworten auf diese und weitere Fragen zu geben.

Markt

Die Nachfrage nach Bioschweinefleisch steigt in Deutschland seit Jahren – ganz im Gegensatz zu der nach konventionellem Schweinefleisch. Dennoch liegt der Bioanteil an der gesamten deutschen Schweinefleischproduktion derzeit bei 0,5 bis 0,7 % (je nach Datenbasis). Beim Verbrauch von Schweinefleisch macht der Anteil der Bioware mit 35 000 t (Grafik 1) etwa 0,9 % des Gesamtkonsums aus. Die Lücke zwischen Konsum und Produktion wird durch Fleischimporte gedeckt. Tönnies gibt an, zwei Drittel des vom Unternehmen verarbeiteten Bioschweinefleischs aus dem EU-Ausland zu importieren. Aus Mangel an deutschen Ferkeln, werden auch diese teilweise aus den Niederlanden und Dänemark importiert. Dennoch spielt die deutsche Herkunft für Kunden eine große Rolle. Bei Verfügbarkeit würden sie die EU-Importe sofort ersetzen. Doch trotz des coronabedingten Nachfragebooms (Grafik 2) prognostiziert die AMI auch für 2021 nur ein gleichbleibendes Produktionsniveau. Neue Mäster und vor allem Ferkelerzeuger werden ­händeringend gesucht. Von der guten Marktlage profitiert nicht nur Verbands­ware, sondern dies tun auch nach EU-Ökoverordnung erzeugte Mastschweine.
Auch die gestiegenen Erzeugerpreise wirken sich derzeit nicht negativ auf die Nachfrage aus. Der Preis scheint eine nachrangige Rolle zu spielen.

Empfindliches Marktgleichgewicht. Wie viele zusätzliche Bioferkel und -mastschweine verkraftet der Markt, ohne dass der Preis nachgibt? Diese Frage bewegt viele Betriebe, die über einen Umstieg nachdenken. Christian Wucherpfennig von der LWK NRW schätzt die Lage so ein: »Bio hat eine gute Perspektive, allerdings nur für einzelne Betriebe. Es wird zu Marktverwerfungen kommen, wenn plötzlich 2 000 Biosauen dazukommen.« Denn das entspräche einer Produktionssteigerung von 10 %.
Trotz Vorsicht bei der Ausweitung der Produktion, die während der Tagung vielfach angemahnt wurde, sehen die Vermarkter Potential für Bioschweinefleisch, da der Ernährungstrend längerfristig in diese Richtung gehe. »Selbst bei einer Verdopplung der Produktion läge der Anteil von Bioschweinefleisch noch immer unter 2 %. Damit hätten wir es noch nicht übertrieben«, schätzt Tomás Sonntag von Naturland die Lage ein. Sein Verband will die Vermarktung von 60 000 Mastschweinen pro Jahr auf 90 bis 100 000 ausweiten.

Vermarktung

Um Angebot und Nachfrage möglichst ausgeglichen zu halten, ist es wichtig, den Absatz von Ferkeln und Mastschweinen bereits vor Beginn der Umstellung zu klären. Vermarktungspartner bieten auch langfristige Lieferverträge von 5–10 Jahren an. »Liefervereinbarungen sollten Aussagen zur Preisfindung enthalten. Bei Mastschweinen können die Preismeldungen der AMI Orientierung geben. Möglich ist auch eine Berücksichtigung sich ändernder Kosten, wenn beispielsweise Futter teurer wird«, so Wucherpfennig. Kalkulationen zu den aktuellen Vollkosten durch neutrale Beratungsinstitutionen können da helfen. Sie waren Basis für einen deutlichen Anstieg des Bioschweinepreises im vergangenen Jahr.
Ob man sich für die Bindung an einen Verband oder die Produktion nach EU-Ökoverordnung entscheidet, hängt für Biolandmäster Dag Brodersen aus Reußenköge von der Ausrichtung des restlichen Betriebes ab: »Für die Schweinehaltung reicht EU-Bio im Grunde aus. Es gibt bei Bioland zwar einen kleinen Aufschlag, der wird aber von den höheren Futterkosten durch den Bioland-Standard mehr als aufgezehrt.« Bioland biete für seinen Betrieb aber Erlösvorteile bei der Vermarktung von Gemüse.

Im Biobereich ist die Lieferbeziehung zwischen Ferkelerzeuger und Mäster eng. Man versteht sich als gemeinsame Wertschöpfungskette, was sich in einer vertraglichen Kopplung des Ferkelpreises an den Preis für Biomastschweine äußert. Das sorgt für eine faire Verteilung auch bei Marktschwankungen. Dass Produk­tion und Absatz überwiegend zu vertraglich vereinbarten festen Lieferkonditionen erfolgen, führt nach Meinung von Sonntag zu wesentlich stabileren Preisen als in der konventionellen Schweineproduktion.
Durchaus gängig ist es, Bioschlachtschweine nur nach Gewicht und ohne weitere Maske abzurechnen. Gewünscht werden eher 56 als 60 % MFA. Auch bei Schinken sind die Anforderungen an bestimmte Maße und Konformität nicht so hoch. Das führt zu Optionen bei der Eiweißversorgung der Tiere. Dennoch muss die Qualität grundsätzlich passen und das Fleisch darf nicht wässrig sein.

Umstellung

Wer auf Bioschweine umstellen will, sollte zuerst mit der Umstellung des Ackerbaus beginnen, so die einhellige Empfehlung der Biolandwirte und Berater. Zwar ist es bei einer Produktion nach EU-Ökoverordnung auch möglich, nur den Betriebszweig Schweinehaltung umzustellen, nach den Regeln der Bioverbände ist das aber nicht erlaubt. So oder so, schon aufgrund der Abhängigkeit vom Biofutterzukauf und der damit verbundenen höheren Kosten empfiehlt sich einen Teilumstellung auch bei »normalen« Futterpreisen nicht, da sie die Liquidität stark belastet. Den Futterbedarf zu 60 % selbst oder in Kooperation zu decken bringt Stabilität, so Wucherpfennig.
Auch wenn die Umstellungsphase des Ackerbaus drei Jahre dauert, darf das in der Zeit produzierte Futter bereits an Bioschweine verfüttert werden. Der umstellungswillige Betrieb braucht außerdem genug Fläche. Bei der Sauenhaltung ist das nicht so kritisch, beispielsweise sind für 100 Tiere nur etwa 15 ha nötig. Aber bei Mastschweinen kann die Fläche schnell der begrenzende Faktor werden. Allein nach EU-Ökoverordnung sind es pro ha nur 14 Mastschweine, bei einigen Bioverbänden sogar nur 10. Auf dem Pachtmarkt kann Bio durchaus ein Vorteil sein.

Was bedeutet die Umstellung für meinen Ackerbau? Ackerbau und Schweinehaltung benötigen ein gemeinsames Konzept. Will man Leguminosen oder Gemische (z. B. Gerste und Erbsen, Wintererbse und Triticale) anbauen? Oder doch nur Getreide und einen Eiweißergänzer zukaufen? Restriktionen können dabei sein: Was gibt der Boden her? Was ist man gewillt an mechanischer Unkrautbekämpfung durchzuführen? Welche Möglichkeiten bestehen hinsichtlich Lagerung, Trocknung und Belüftung (Stichwort Mykotoxine)? Je größer die eigene Futtergrundlage, desto unabhängiger ist man von Preisschwankungen und Versorgungsengpässen. Diese sind bei Ökofutter durch den Krieg in der Ukraine noch größer geworden.
In der Biofütterung sind freie Aminosäuren sowie Phytase nicht erlaubt. Auch Extraktionsschrote dürfen nicht verwendet werden. Stattdessen wird Ölkuchen eingesetzt.
Betriebe, die bereits umgestellt haben, betonen, eine Umstellung aus rein ökonomischen Gründen sei kein Hindernis, ein guter Biolandwirt zu werden. Man sollte sich die Frage stellen, ob Bio für die Betriebsentwicklung langfristig Chancen bietet und ob die persönlichen Präferenzen dazu passen.

Ist jetzt ein günstiger Zeitpunkt für eine Umstellung? Wer unter den derzeit hohen Bau- und Futterkosten eine Umstellungsplanung macht, stellt fest, dass eine Bioschweinehaltung wirtschaftlich fast nicht darstellbar ist. »Die Situation für umstellungsinteressierte Betriebe ist heute eine ganz andere als noch vor einigen Jahren«, so Wilhelm Schulte-Remmert, Biosauenhalter aus Lippstadt. Aus seiner Sicht kam man vor 8 bis 10 Jahren unter wirtschaftlichen Aspekten quasi gar nicht an der Bioferkelerzeugung vorbei. Die aktuell hohen Baukosten sind das größere Problem. Bei den Futterkosten wird sich mittelfristig die Lage sicher entspannen. Doch heute getätigte teure Baumaßnahmen verderben die Kalkulation bis zum Abschreibungsende.

Baukosten. Die Kosten eines neuen Mastplatzes liegen bei 2 000 €, für einen Sauenplatz müssen 12 000 € einkalkuliert werden. »Während Güllelager häufig vorhanden sind, müssen Mistplatte und Strohlager meistens neu geschaffen werden«, so Wucherpfennig. Insbesondere am Abferkelstall, dem Herzstück im Biobereich, sollte aber nicht gespart werden, sind sich die Praktiker einig. In der Mast kann der Stallplatz unter günstigen Bedingungen (Strohlager vorhanden, Fütterungstechnik weiter nutzbar) auch deutlich billiger werden und damit weniger Liquidität erfordern (500 bis 600 €/Platz).
Hinzu kommt: »Bio muss man erst lernen«, so Schulte-Remmert. Neueinsteiger sollten einkalkulieren, dass sie in den ersten Jahren Lehrgeld zahlen werden. Dafür sollte in der Planungsrechnung ein finanzieller Spielraum von etwa 10 % vorgesehen werden. Um große Fehler zu vermeiden, ist der Austausch mit bereits aktiven Biolandwirten im Vorfeld unbezahlbar. So sollte keinesfalls die Arbeitsbelastung in der Biosauenhaltung unterschätzt werden. Sie liegt bei mindestens 30 h/Sau/Jahr, ohne den Ackerbau!
Baugenehmigungen sind für eine Umstellung auf Bio nicht leichter zu bekommen als im konventionellen Bereich, so die Erfahrung der Bioschweinehalter. Die Akzeptanz in der Nachbarschaft ist für einen Umbau auf »Bio« aber doch größer. Jüngere Menschen stehen dem Anbau von Ausläufen dabei positiver gegenüber als ältere.

Herausforderungen für die Bioschweinehaltung

»Der Megatrend Bio funktioniert«, so äußerten sich mehrere Vermarkter auf der bio2030.de-Tagung zuversichtlich. Im Verlauf der Veranstaltung wurden aber auch Risiken und Unwägbarkeiten angesprochen:

  • ASP: Eine Aufstalllungspflicht in den Sperrgebieten schränkt die Vermarktung massiv ein. Gras, Stroh und Heu dürfen erst nach sechsmonatiger Lagerung als Einstreu oder zur Verfütterung an Schweine verwendet werden.
  • Tierwohllabel: Für den Verbraucher ist eine Differenzierung zwischen Bio und Haltungsstufe 4 schwer. Im Zweifel wird doch zum günstigeren Produkt gegriffen. Eine Ausweitung des Angebots der hohen Haltungsstufen könnte zur Gefahr für Bioschweinefleisch werden.
  • Futtermittel: Bioeiweißfuttermittel müssen im nennenswerten Umfang importiert werden – bisher auch aus der Ukraine. Weiter steigende Kosten werden sich nicht unbegrenzt in der Vermarktung weitergeben lassen.
  • Mehrwertsteuererhöhung: Eine Finanzierung des geplanten Umbaus der konventionellen Tierhaltung (Tierwohl) durch eine Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch würde Bioschweinefleisch im Vergleich zu konventioneller Ware überproportional verteuern.
  • Konsumrückgang: Verbraucher, die Wert auf Bio legen, essen eher weniger Fleisch. Der Bioboom lässt sich also nicht auf Schweinefleisch übertragen.
  • Discounter: Nach wie vor sind die Discounter nicht bereit, längerfristige Verträge einzugehen. Das hemmt das Wachstum der Biofleischproduktion in Deutschland. Vermarkter, Schlachter und Landwirte können und wollen das Risiko nicht tragen.

Fazit. Ob sich der Einstieg in die Bioschweinehaltung lohnt, ist sehr individuell. Mit der Grundsatzfrage, ob durch die Krise in der konventionellen Schweinehaltung mehr Betriebe auf Bio umstellen, als der Biomarkt aufnehmen kann, sollten sich Umstellungswillige nicht aufhalten, ist Gustav Alvermann von bio2030.de überzeugt. Viel wichtiger sei es, gemeinsam mit einem Berater für den eigenen ­Betrieb zu schauen, ob die Umstellung sinnvoll ist, und ein Konzept zu entwickeln. Erst dann entsteht ein Bild und man kommt bei der Entscheidungsfindung besser ­vo­ran. Denn Experten schätzen, dass am Ende nicht der Markt der begrenzende Faktor ist, sondern es die einzelbetrieb­lichen Möglichkeiten sind.
Klar wurde auch: Einfach drauflos produzieren geht nicht. Der Betriebsleiter muss die Vermarktung aktiv und im Vorfeld in die Hand nehmen.

Christin Benecke

Aus DLG-Mitteilungen 4/22. Den Beitrag als pdf-Datei finden Sie hier.