
Agroforstwirtschaft. Weniger Wind, mehr Wasser
Die letzten Trockenjahre haben gerade auf leichten Standorten das Interesse für die Kombination von Ackerbau und Bäumen wachsen lassen. Christian Böhm stellt das System vor.
Agroforstwirtschaft: Was so innovativ klingt, ist im Grunde ein traditionelles System. Dazu zählen nicht nur südeuropäische Korkeichen- und Olivenhaine oder mehrstöckige »Homegardens«, sondern auch Hutungen und Streuobstwiesen. Durch den Klimawandel, Biodiversitätsverluste sowie die Forderung nach mehr Ressourcenschutz nimmt das Interesse aktuell zu. Ab 2023 sollen in einigen Bundesländern sowie über die Eco-Schemes auch seitens des Bundes Fördermittel bereitgestellt werden.
Ein wesentliches Kennzeichen der Agroforstwirtschaft ist, dass es sich bei der gesamten Fläche um eine landwirtschaftlich geprägte Nutzfläche handelt. Die Gehölzareale sind also genauso bewirtschaftbare Nutzflächen wie die Acker- oder Grünlandbereiche. Das ist der wesentliche Unterschied zu Bäumen und Feldgehölzen, die als Landschaftselement dienen oder durch regionale Verordnungen besonders geschützt sind (z. B. Knicks).
Wird heute in Deutschland über Agroforstwirtschaft gesprochen, so liegt der Fokus in der Regel auf modernen, produktionsorientierten Systemen. Wichtige Kriterien sind die Produkte, nach denen sich die Wahl der Gehölzart und damit auch das Pflanzdesign richtet, sowie die Arbeitsbreite der eingesetzten Technik. Letztere lässt sich besonders gut in Systemen anpassen, bei denen die Gehölze streifenförmig angeordnet sind. Wenn der Abstand zwischen zwei Gehölzstreifen ein Vielfaches der gängigen Arbeitsbreite beträgt und an beiden Enden der Streifen ein der Arbeitsbreite entsprechendes Vorgewende belassen wird, können Agroforstflächen sehr zeiteffizient bewirtschaftet werden. Dennoch ist bei der Bearbeitung ein Mehraufwand einzukalkulieren, insbesondere bei variierenden Arbeitsbreiten. Der durchschnittliche Mehraufwand beträgt nach bisherigen Erfahrungen etwa 5 %. Für eine Stunde Bodenbearbeitung sollte man bei streifenförmiger Gehölzanordnung also etwa drei Minuten mehr einplanen.
Mögliche Gehölzarten. Prinzipiell sind alle Baum- und Straucharten möglich, die unter mitteleuropäischen Klimabedingungen gedeihen. Allerdings sind nach wie vor rechtliche Restriktionen zu beachten. Gleiches gilt für die Umtriebszeit; das ist die Zeitspanne zwischen Pflanzung und Ernte der Bäume. Grob lässt sich die Produktpalette differenzieren nach Frucht- und Holznutzung. Bei Letzterer kann der Schwerpunkt sowohl auf einem schnellen Zuwachs an Holzbiomasse liegen (schnell wachsende Baumarten) als auch auf der Produktion von Stammholz. Letzteres kann gegebenenfalls sogar als Wertholz vermarktet werden.
Produktivität und Klimaanpassung. Bei Einbeziehung aller Komponenten übersteigt die Produktivität in der Regel jene des Reinkulturanbaus. Eine Maßzahl dafür ist das sogenannte Landäquivalentverhältnis (LER). Es beschreibt die relative Fläche, die bei einem Anbau in Reinkultur erforderlich ist, um den gleichen Biomasseertrag wie bei einem Mehrfruchtanbau bzw. einer agroforstlichen Nutzung zu erzielen. Ist der LER kleiner als 1, so weist der Reinkulturanbau eine höhere Produktivität auf als das Agroforstsystem. Bei Werten größer als 1 ist der agroforstliche Anbau insgesamt produktiver. Die Unterschiede stehen in Zusammenhang mit einem veränderten Mikroklima im Bestand. Die Gehölze bewirken eine deutliche Reduktion der Windgeschwindigkeit und führen auf den Ackerkulturbereichen zu einer Verringerung von Temperaturextremen. Als Folge reduziert sich hier die potentielle Verdunstung. Damit steht den Ackerkulturen mehr Wasser zur Verfügung.
Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede zugunsten der Agroforstwirtschaft in trockenen Jahren bzw. auf trockenen Standorten. Die Grafik zeigt ein Beispiel aus Südbrandenburg. Zwischen zwei 10 m breiten Pappelstreifen (inklusive 1 m breite Saumbereiche an beiden Seiten) befinden sich ca. 50 m breite Ackerstreifen. Auf der Agroforstfläche war im Frühjahr und Sommer die potentielle Verdunstung deutlich geringer als auf der als Referenz herangezogenen benachbarten Ackerfläche ohne Gehölze. Diese Unterschiede waren an den Randbereichen am größten und betrugen im Mittel etwa 25 %. Besonders eng war dabei der Zusammenhang zwischen Verdunstung und Windgeschwindigkeit. Durch deren Reduktion konnte die Wasserverfügbarkeit für die Feldfrüchte erhöht werden.

Die verbesserte Wasserversorgung äußerte sich auch in höheren Erträgen. Bei Winterweizen lag der Mehrertrag bezogen auf 1 ha im Vergleich zur Referenzfläche bei knapp 16 %. Dabei sind klassischerweise an den Randbereichen aufgrund der stärkeren Konkurrenzsituation die niedrigsten und etwas weiter entfernt die höchsten Kornerträge zu verzeichnen. Die Gehölze nahmen in dem Beispiel einen Flächenanteil von ca. 17 % ein. Wird diese Fläche herausgerechnet, so wurden im Agroforstsystem auf 83 % der Anbaufläche nur ca. 4 % weniger Kornertrag erzielt. Die Gehölzfläche konnte folglich nahezu durch den flächenbezogenen Mehrertrag kompensiert werden. Hinzu kommt, dass auf der Agroforstfläche auch der Zuwachs der Pappeln aufgrund des höheren Lichtgenusses im Vergleich zu einer Plantage im Mittel um 20 % höher war. Aus diesen Werten ergibt sich ein LER von 1,16 (Summe aus 0,96 beim Weizen und 0,2 bei der Pappel). Das heißt, die Produktivität im Agroforstsystem war um 16 % höher als beim Reinkulturanbau. Bei Zuckerrüben konnte auf diesem Standort sogar ein LER von 1,23 und somit eine Produktionssteigerung von 23 % festgestellt werden.
Umweltwirkungen. Zahlreiche Studien belegen eine positive Wirkung von Agroforstflächen auf Klima, Boden, Wasser, Biodiversität und Landschaft. So leistet der agroforstliche Anbau beispielsweise auch einen direkten Beitrag zum Klimaschutz. Denn im Holz werden beachtliche Mengen an CO2 gebunden (oberirdisch und unterirdisch). Auch der Humusaufbau, der längerfristig insbesondere im Bereich der Gehölze zu erwarten ist, sorgt für eine entsprechende CO2-Speicherung. Nicht zuletzt nimmt auch der bewirtschaftungsbedingte Ausstoß von Treibhausgasen je Flächeneinheit aufgrund der sehr extensiven Bewirtschaftung der Gehölzareale ab.
Besonders positive Effekte haben Agroforstsysteme auch bei der Vermeidung von Bodenerosion. Auf Hängen verkürzen quer zum Gefälle angelegte Gehölzstreifen die Hanglänge. Erosionsrelevante Windgeschwindigkeiten können fast vollständig vermieden werden.
Durch die tiefreichenden Wurzeln gelingt es den Bäumen, Nährstoffe auch noch aus tiefen Bodenschichten aufzunehmen und damit eine Art Filterfunktion zu übernehmen. An Gewässerrändern tragen die Gehölzstreifen zu einer erheblichen Reduzierung des Stoffeintrages in Oberflächengewässer bei.
Darüber hinaus erhöhen Agroforstsysteme die Lebensraumvielfalt. Vielerorts hat die Schlaggröße beträchtlich zugenommen bzw. sind Saum- und Heckenstrukturen in der Feldflur verschwunden. Agroforstsysteme bieten die Möglichkeit, Schläge weiterhin vollständig zu nutzen und dennoch den Strukturreichtum in der Landschaft deutlich zu erhöhen. Insbesondere nimmt durch den Wechsel von Gehölz- und Ackerkulturen der Anteil an Grenzlinien (Saumbereiche bzw. Ökotone), die eine große ökologische Bedeutung haben, erheblich zu. Auf die Lebensraum- und damit Artenvielfalt hat das einen positiven Einfluss. Blühstreifen an den Rändern der Gehölzareale können die Wertigkeit für die biologische Vielfalt zusätzlich erhöhen, ohne wesentliche Ertragseinbußen in Kauf nehmen zu müssen.
Ausblick. Die Bewirtschaftung von Agroforstsystemen ist komplexer als die von Reinkulturen. Überdies muss man sich mit den rechtlichen Regelungen auseinandersetzen. All das führt zu Beratungsbedarf. Aber das Interesse dafür wächst mit den Herausforderungen der Landwirtschaft.
Dr. Christian Böhm, BTU Cottbus-Senftenberg
Der Beitrag stammt aus der Sonderbeilage "Klima und Boden". Das komplette Sonderheft als e-Magazin finden Sie hier.