
Geldbeschaffung. Von der Masse finanziert
Sie haben eine findige Geschäftsidee, aber nicht das nötige Startkapital? Vielleicht sollten Sie dann einmal über Crowdfunding nachdenken. Die Geldgeber aus dem Netz investieren in Projekte, Ideen oder Unternehmen – auch in der Landwirtschaft.
Schnell gelesen:
- Bankkredite ade. Im 21. Jahrhundert ist dank des Internets eine neue Finanzierungsalterantive geboren. Sie lautet: Crowdfunding.
- Milchtankstelle, Hühnermobil, Weinberg – die Möglichkeiten für Schwarmfinanzierungen sind vielfältig. Je ausgefallener die Idee, desto willkommener.
- Bis dato fließt hierzulande für Agrarprojekte noch nicht das große Geld. Aber: Crowdfunding ist auch ein interessantes Marketinginstrument.
Es ist eine neue Art der Finanzierung, ganz unabhängig von Banken, Schufa-Auskunft und Bonitätsprüfung: Crowdfunding. Wenn man den englischen Begriff ins Deutsche übersetzt, ist die Funktionsweise selbstredend. »Crowd« steht für Menge oder Schwarm, »Funding« bedeutet Finanzierung. Der Deal ist recht einfach: Man sucht Investoren, die in ein Projekt Geld stecken und dafür beteiligt werden oder Gegenleistungen finanzieller oder naturaler Art bekommen. Je mehr Leute sich auf eine Investition in die kreative Idee einlassen, desto weniger muss der Einzelne locker machen, damit das Projekt realisiert werden kann.
Ob die Anschaffung einer neuen Maschine, der Umbau des Hofladens oder eine Milchtankstelle – alles kann theoretisch über Crowdfunding finanziert werden. Dabei wird das Geld über eine Crowdfunding-Plattform eingesammelt. Diese kann man sich wie einen Online-Marktplatz vorstellen, auf dem Anbieter – in diesem Fall Geldgeber – und Nachfrager (Projektinitiatoren) zusammentreffen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Plattformen, auf denen für Projekte geworben und über die Zahlungen abgewickelt werden können. Die bekannteste hierzulande ist Startnext, auf die rund 90 % des vermittelten Kapitals entfallen. Wer Unterstützer für sein Vorhaben sucht, kann sich hier anmelden, ein Video über die Planung einstellen, Spendenbeiträge und die Gegenleistungen für die »Crowd« festlegen und los geht das Geldeinsammeln.
Der Trend nimmt allmählich Fahrt auf. Vor gut fünf Jahren sind die ersten Crowdfunding-Plattformen in Deutschland an den Start gegangen. Seitdem befindet sich die Schwarmfinanzierung auf Wachstumskurs, die Zahl der erfolgreich finanzierten Projekte sowie die Höhe des eingesammelten Kapitals sind von Jahr zu Jahr gestiegen. Auch in der Landwirtschaft fasst das Modell langsam Fuß.
2015 betrug das Finanzierungvolumen auf Crowdfunding-Plattformen hierzulande 9,8 Mio. €. Seit dem Start im Jahr 2010 flossen bis Ende September 2016 über die Plattformen 33,5 Mio. € an fast 4 700 erfolgreich finanzierte Projekte. Im Vergleich zu US-amerikanischen Plattformen wie Kickstarter oder Indiegogo sind dies jedoch sehr geringe Werte. Kickstarter alleine verbucht bereits ein Finanzierungsvolumen von über 2,7 Mrd. US-$.
Crowdfunding ist aber nicht die einzige Form der Schwarmfinanzierung. Außerdem gibt es Crowdinvesting, Crowdlanding sowie Crowddonation. Diese verschiedenen Formen unterscheiden sich in erster Linie hinsichtlich der Beziehung, die der einzelne Unterstützer mit dem Initiator des Projektes eingeht, sowie in der Gegenleistung, die vonseiten des Kapitalsuchenden im Falle der erfolgreichen Finanzierung gewährt wird. Über alle Formen erhielten Gründer, Unternehmen und Projekte allein in den ersten neun Monaten 2016 knapp 102 Mio. € durch die Crowd.

Das unternehmerische Risiko tragen die Geldgeber. Deshalb gibt es zumindest bis dato hierzulande für Agrarprojekte noch nicht das große Geld. Die Finanzierer beteiligen sich meist nur mit einigen Euros und fokussieren sich anschließend auf andere Projekte. Das ergibt für die Projektinitiatoren zwei Vorteile: Sie müssen ihren Investoren kaum Mitspracherechte einräumen und beim Scheitern des Vorhabens nicht für die Ausfälle aufkommen. So wird man nicht nur unabhängiger von anderen Geldquellen. Auch der Aufwand und die Kosten sind im Vergleich zu anderen externen Finanzierungsquellen gering.
Ganz oder gar nicht. Crowdfunding funktioniert nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Dies bedeutet, dass ein festgelegter Betrag (Fundingschwelle) bis zu einem fixen Datum eingesammelt werden muss. Wird diese Schwelle erreicht oder sogar überschritten, wird das Geld ausgezahlt. Falls nicht, ist die Kampagne gescheitert und die Unterstützer erhalten ihr Geld zurück. Bis die Schwelle nicht erreicht ist, bleibt alles auf einem Treuhandkonto. So wird das Risiko der Investoren verringert.
Neben der Fundingschwelle wird oft noch ein Fundingziel festgelegt, bei dessen Erreichen die Crowdfundingkampagne automatisch beendet ist. Auf diese Weise werden Überfinanzierungen vermieden.
Mit der ganzen Summe kann man natürlich nicht kalkulieren. Bedenken Sie den Aufwand für das Marketing: Also Flyer, Ausgaben für die Dankeschöns wie Gutscheine etc. Auch die Crowdfunding-Plattform profitiert von einer erfolgreichen Finanzierung und erhält eine anteilige Provision an der eingesammelten Summe.
Was muss man auf jeden Fall beachten? Am wichtigsten ist ein gutes Video auf der Plattform, in dem deutlich wird, worum es bei dem Projekt genau geht, welchen Mehrwert es bringt und warum es unterstützenswert ist. Es sollte außerdem alles auf einer persönlichen Ebene stattfinden, die Leute müssen sich angesprochen fühlen. Hierbei gilt es, die persönliche Geschichte in den Fokus zu nehmen und die potentiellen Unterstützer an der Genese des Projektes mit allen Höhen und Tiefen teilhaben zu lassen. Und dann kommt es auf ein gutes Marketing an. Das heißt: regelmäßig Newsletter verschicken, auf die Medien zugehen, Flyer verteilen und so weiter. Zugegeben, das liegt nicht jedem gleichermaßen. Für diese Form der Finanzierung ist es aber erfolgsentscheidend.
Ideen, die eine bestimmte Nische oder Klientel bedienen, haben es häufig einfacher, da sich die Zielgruppe typischerweise einfacher begeistern lässt als eine breite Öffentlichkeit. Dies gilt ebenfalls für Projekte, die einen bestimmten Nerv oder den vorherrschenden Zeitgeist treffen. Und darum kann Crowdfunding auch für die Landwirtschaft interessant sein, denn mit dem Trend zu regional und ökologisch erzeugten Lebensmitteln wächst bei einigen Verbrauchern auch das Interesse an der Produktion. Das Crowdfunding bietet diesen Leuten die Möglichkeit, mit den Erzeugern direkt in Kontakt zu kommen.

Wichtiger Marketingeffekt. In den meisten Fällen ist Crowdfunding nicht nur für die Finanzierung wichtig, sondern löst gleichzeitig einen positiven Werbeeffekt aus. Die potentiellen zukünftigen Kunden sind von Anfang an einbezogen. So kann Crowdfunding auch ein erstes Indiz dafür sein, ob eine Idee überhaupt marktreif ist. Man bekommt viel Kundenfeedback; das hilft sehr dabei einzuschätzen, ob das Vorhaben erfolgreich sein kann. Und durch den ständigen Austausch mit der »Crowd« kann das Vorhaben während des Funding-Prozesses nicht nur grundsätzlich hinterfragt, sondern auch verbessert werden. Nicht zuletzt wird am Ende derjenige, der Geld in ein Projekt investiert, nicht nur ein Teil der Gründungsgeschichte, sondern vielleicht auch ein treuer Kunde.
Thomas Künzel
Aus DLG-Mitteilungen 1/17. Den vollständigen Artikel finden Sie hier.
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