Getreide- und Rapspreise. Wann haben wir den Gipfel erreicht?

Die Preise für Getreide wie auch Raps haben inzwischen Höhen erreicht, die eine Prognose der weiteren Preisentwicklung unmöglich machen. Die spannende Frage lautet daher auch nicht: Wie hoch steigen die Preise noch? Vielmehr: Was kann ein Ende der Rallye auslösen? Und folgt dem ein Preisrückgang oder gar ein massiver Preissturz?

Mit Angebot und Nachfrage allein lassen sich die aktuellen Preise für Getreide oder Raps nicht mehr erklären. Ob irgendwo einige Mio. t mehr oder weniger Weizen lagern oder ob sich ein paar Schiffe mehr oder weniger Raps finden lassen, das alles erklärt nicht Preise jenseits der 600 €/t für Raps bzw. 270 €/t für Weizen. Augenscheinlich ist die Ware extrem knapp. Aber mit diesem Argument könnte Raps ja auch 800 €/t kosten oder Weizen 400 €/t. Erst wenn der Preis die Nachfrage wirklich rationiert, dann ist der an der Spitze angelangt. Oder aber wenn eine neue Ernte ins Haus steht, die die Knappheit auf den Märkten beseitigt. Was können Anzeichen dafür sein?

Kommt die Wende aus den Finanz- oder Energiemärkten? Vor 14 Jahren war es eine Kombination aus Finanzkrise und Rekordernte (2008), die die Preise wieder auf den Boden holte, ja sogar in den Keller schickte. Daher sehen die meisten Marktbeteiligten die größte Gefahr für die Preise nicht etwa in einem sinkenden Verbrauch oder Spitzenernten (die potentiell nächste käme aus Brasilien). Vielmehr steht ein Kollaps des Finanzmarktes, stark fallende Öl- und Gaspreise oder aber politische Entscheidungen (Beimischung von Biotreibstoffen) ganz oben auf der Liste möglicher Auslöser eines Preisrutsches.
Alle drei Faktoren wären sicherlich geeignet, das Ende der Hausse einzuläuten, aber wie wahrscheinlich ist das?

  • 2007/08 war Geldmangel das Problem, an dem Lehman Brothers und andere zerbrachen. Heute besteht das Problem eher in einem Überfluss an Liquidität, die dringend Anlagemöglichkeiten sucht.
  • 2007/08 lag der Ölpreis bei 140 US-$ das Fass, heute ist er mit 85 US-$/Fass kaum teurer als 2017.
  • Und dass die Beimischung von Biotreibstoffen kurzfristig gestrichen wird, ist ebenfalls nicht zu erwarten. Die ganze Welt (einschließlich China) versucht sich in Klimaschutz und die USA haben gerade erst Anfang Oktober ihre Beimischungsquoten bestätigt. Und in der EU sind Kürzungen auch unwahrscheinlich.

Kurzum: Von den Randmärkten geht zwar eine potentielle Gefahr aus, aber keine akute.

Eine Rekordernte wie weiland 2008 dürfte sicherlich dazu geeignet sein, den Höhenflug zu stoppen. Aber dazu reichen die anstehenden Erntemengen Australiens (Weizen, Gerste, Raps) oder aber die Weizenernte Argentiniens nicht aus. Selbst die Aussicht auf eine Rekordernte Brasiliens an Mais und Sojabohnen konnte Mitte Oktober die Preise nicht beeindrucken. Erst im Frühjahr, wenn wir wissen, wie das Wintergetreide und der Raps durch die kalte Jahreszeit gekommen sind, werden wir vermutlich wieder von möglichen Spitzen- oder gar Rekordernten sprechen. Und auch dann stellt sich die Frage, ob eine gute Ernte allein ausreicht, um die Preise wirklich wieder dahin zu schicken, wo wir im Sommer 2020 anfingen, also in die Zeit vor dem großen Kaufrausch Chinas. Eine Korrektur ist leicht vorstellbar, ein Zusammenbruch hingegen schwer. Dagegen sprechen auch die weltweit drastisch gestiegenen Produktionskosten.
Auch die Brasilianer zahlen für Stickstoffdünger inzwischen 2 € je kg N. Ersatzteile und Neumaschinen sind nicht nur bei uns knapp und teuer, sondern auch in Russland oder in den USA. Und der Anstieg der Bodenpreise ist kein rein deutsches Phänomen. Das bedeutet: Billiger als in Deutschland können viele Länder produzieren, aber so billig, dass wir wie 2008 von einem Preisbruch ausgehen müssen, kann es niemand.

Prognose: Es gibt in der aktuellen Lage keine seriöse Preisprognose. Weder wie hoch die Preise klettern noch wann der Wendepunkt erreicht sein wird. Es lassen sich nur die möglichen Auslöser für eine solche Wende benennen: Neben politischen Entscheidungen (Biotreibstoffe, Embargos) sind das wahrscheinlich der Finanzmarkt und ausgangs des Winters positive Ernteprognosen. Solange beides nicht eintritt, bleiben die Preise sehr fest. Ob auf heutigem Niveau, noch höher oder auch um 20 % niedriger.

Christian Bickert

Aus DLG-Mitteilungen 11/21. Den vollständigen Artikel als pdf finden Sie hier.