Eiweißversorgung. Getreide wird oft unterschätzt

Eiweißstrategien oder "heimisches Eiweiß" – damit ist immer der Ersatz importierten Sojaschrots durch Erbsen, Ackerbohnen oder Rapsschrot gemeint. Dabei kommt mehr als die Hälfte des Proteins in den Futtertrögen aus der EU, vor allem aus Getreide. 

Hätten Sie gedacht, dass ...

  • Getreide unser zweitwichtigster Eiweißlieferant ist – weit vor Raps- und Sonnenblumenschrot?
  • nur ein Drittel der EU-Proteinversorgung aus dem Sojaschrot kommt?
  • davon EU-Sojabohnen über 1 Mio. t Protein bzw. 8 % liefern?
  • der Markt für nicht-gentechnisch verändertes Sojaschrot gerade einmal 4,5 bis 5 Mio. t Sojabohnen umfasst?
  • selbst aus der Gerste fast ebenso viel Eiweiß kommt wie aus dem Rapsschrot und mehr Eiweiß als aus allen heimischen Körnerleguminosen (einschließlich Soja) zusammen?
  • in Deutschland in diesem Jahr rund 200 000 ha Körnerleguminosen angebaut werden, davon fast 20 000 ha Sojabohnen?

Dass die Tierhaltung in Europa ohne Soja- (oder wenigstens Sojaschrot-) importe nicht funktioniert, das ist gewiss. Ohne diese Importe wäre der Eiweißbedarf nicht zu decken, müsste die Tierhaltung massiv eingeschränkt werden. Dennoch: Die Rolle des Sojaschrotes in der EU-Tierhaltung wird maßlos überschätzt. Mit etwa 13 Mio. t reinem Eiweiß ist Sojaschrot in der Tat die größte Proteinquelle für Hühner, Schweine und Rinder – jedenfalls wenn man das Eiweiß aus dem Grundfutter nicht mitrechnet. Aber angesichts von rund 35 Mio. t Protein, das in Mischfutterwerken und in hofeigenen Mischungen verarbeitet bzw. verfüttert wird, relativiert sich diese Zahl etwas.

Getreide ist die zweitwichtigste Eiweißquelle. Gerne übersehen wird in der EU-Eiweißbilanz das Getreide. Allein in den jährlich verfütterten 55 Mio. t Weizen stecken etwa 6 Mio. t Protein, wenn man nur mit 11 % rechnet. Wahrscheinlich hat der Futterweizen im Schnitt aber eher 12 %, dann wären es schon 6,6 Mio. t. Aus den fast 40 Mio. t Gerste (10 % Eiweiß) kommen weitere 4 Mio. t und der Roggen (etwas über 3 Mio. t gehen in den Trog) steuert weitere 400 000 t bei. Auf diese Weise stammen etwa 30 % der Eiweißration (ohne Grundfutter) aus heimischem Getreide. Wie wichtig allein der Weizen als Eiweißlieferant ist, das zeigt sich immer dann, wenn Sojaschrot teuer ist: Dann steigt der Weizenanteil im Mischfutter rapide an, weil das Protein aus Weizen dann vergleichsweise günstig ist.

Rapsschrot (mit rund 4,5 Mio. t die Nummer drei) fällt dahinter schon deutlich ab. Und heimische Leguminosen? Von denen ist in der Statistik erst gar nicht die Rede. Das französische Analysehaus Tallage rechnet mit einem Einsatz von 2,3 Mio. t. Erbsen, das entspricht rund 500 000 t Eiweiß und deckt gerade einmal 1,5 % des EU-Bedarfes. Die EU-Kommission spricht für das vergangene Jahr (neue Zahlen gibt es noch nicht) von 5 Mio. ha, die mit Erbsen, Ackerbohnen oder Süßlupinen bestellt waren. Erbsen und Ackerbohnen sind daher ackerbaulich zwar eine Bereicherung, aber für die Eiweißversorgung spielen sie keine Rolle. Selbst eine Verfünffachung der Anbaufläche hätte nur einen geringen Effekt auf die Bilanz, zumal etwa die Hälfte der im Futter eingesetzten Menge aus Importen stammt. Laut EU-Statistik kommen rund 4 Mio. t Erbsen und Bohnen vom Feld, wobei diese Zahl auch Speiseerbsen und -bohnen beinhaltet. Ein Teil der Erbsen findet Absatz in Stärkefabriken, die dabei anfallende Eiweißfraktion geht in der Regel in Futter für Aquakultur. Damit können Erbsen und Ackerbohnen zwar in einzelnen Mischfutterwerken oder in Hofmischungen wirtschaftlich und sinnvoll sein, aber an der Eiweißversorgung der EU-Tierhaltung werden sie auch auf Dauer keinen maßgeblichen Anteil haben.

Gleichwohl spielen heimische Leguminosen als Tierfutter regional eine Rolle. Natürlich in der Biolandwirtschaft, aber auch in einzelnen Mischfutterwerken, wo kontinuierlich Ware zur Verfügung steht. Das ist nämlich das Kernproblem, warum Mischfutterhersteller sich beim Einsatz heimischer Eiweißpflanzen oft zieren: die kontinuierliche Versorgung.
Ein, zwei LKW in der Woche sind zu wenig, um in einer Ration Berücksichtigung zu finden. Zumal auch kein Mischfutterwerk für solch geringe Mengen Silozellen mit 500 t oder mehr blockiert. Es bedarf schon der sicheren Lieferung von etwa 500 t monatlich über mehrere Monate hinweg, damit Erbsen oder Bohnen genommen werden. Ist das gewährleistet, dann werden sie auch gerne genommen. Die Preise liegen dann ganz grob im Mittelwert zwischen denen von Weizen und Rapsschrot.

Die Aussaatprobleme im Herbst in Norddeutschland, speziell in Schleswig-Holstein, könnten dazu führen, dass sich in diesem Jahr ein entsprechendes Angebot herausbildet, das dann auch für ein oder zwei zusätzliche Mischfutterwerke attraktiv wird. Immerhin stehen laut Statistischem Bundesamt in Schleswig-Holstein aktuell 11 000 ha Ackerbohnen und damit ein Fünftel der deutschen Anbaufläche von 54 000 ha. Nennenswerte Flächen gibt es noch in Bayern (9 700 ha) und Nordrhein-Westfalen (7 800 ha). Zusammen stellen diese drei Länder ein Drittel des deutschen Ackerbohnenanbaus, der Rest verteilt sich (Grafik).

Bei den Erbsen konzentriert sich der ­Anbau auf Bayern (14 100 ha), Sachsen-Anhalt (12 000 ha), Mecklenburg-Vorpommern (9 400 ha) und Brandenburg (8 500 ha). Allerdings dürfte gerade in Mecklenburg-Vorpommern ein Großteil der Fläche auf die widrigen Aussaatbedingungen im Herbst zurückgehen. In Sachsen-Anhalt und in Brandenburg hingegen hat sich die Erbse auch in der Vergangenheit immer gehalten. Bundesweit wachsen Erbsen auf  75 000 ha. Im vergangenen Jahr waren das noch 85 500 ha (und zusätzlich 46 400 ha Ackerbohnen).
Hinzu kamen 2017 knapp 29 000 ha Süßlupinen und 19 200 ha Sojabohnen. Vermutlich kann sich die Leguminosenfläche in Deutschland in diesem Jahr wegen der widrigen Bedingungen im Herbst 2017 noch einmal auf dem Niveau des vergangenen Jahres (knapp 200 000 ha) halten. Aber wenn die Agrarpolitik ab 2021 kein Greening mehr vorsehen sollte (das wird gerade in Brüssel diskutiert), wird sich die Fläche vermutlich wieder verringern. Das geschieht auch schon jetzt wegen des Verbots von Pflanzenschutz auf Greening-Flächen, wird aber vom Sondereffekt wegen der besonderen Witterungssituation in diesem Jahr überdeckt. Pflanzenbaulich wäre eine Ausdehnung sicherlich sinnvoll und etliche Betriebe (vor allem in Süddeutschland) werden angesichts schlechter Rapspreise und fallender Rapserträge auch über einen Umstieg auf Sojabohne nachdenken. Im Norden ist dies aber keine Option.

Die Sojabohne hat damit als einzige Körnerleguminose echtes Wachstumspotential. Aus heimischem bzw. EU-Anbau spielt sie zwar für die EU-Eiweißversorgung weiterhin eine untergeordnete Rolle, aber immerhin wächst diese. 2017 wurden in der EU von gut 1 Mio. ha knapp 3 Mio. t Bohnen geerntet. 2016 waren das erst 800 000 ha und 2,4 Mio. t.
Die EU-Sojaernte steuert rund 1 Mio. t Eiweiß zur EU-Bilanz bei und ist in der eingangs genannten Zahl von 13 Mio. t Protein aus Soja enthalten. Damit macht der Anteil des importierten Soja-Eiweiß an der gesamten EU-Eiweißbilanz kaum mehr als ein Drittel aus. Dieses Drittel stammt aber fast vollständig aus gentechnisch veränderten Sojabohnen. Statistiken über den Import nicht gentechnisch veränderter Sojabohnen gibt es nicht. Aber unsere Importe stammen vor allem aus Argentinien bzw. Brasilien. Die argentinischen Bauern bestellen nahezu 100 % ihrer Felder mit entsprechenden GVO-Sorten, in Brasilien sind es etwa 75 % der Sojaflächen. Aus diesen Zahlen  kann man leicht ermessen, dass nicht so sehr viel Sojabohnen/-schrot aus nicht gentechnisch verändertem Anbau kommen kann. Auch die Preisdifferenz zu normalem Sojaschrot (gut 100 €/t für Importware) spricht gegen umfangreiche Importe. International engagierte Händler schätzen den EU-Markt für gentechnisch nicht veränderte Sojabohnen auf bis zu 4,5 Mio. t, was Importe von 1,5, vielleicht auch 2 Mio. t solcher Sojabohnen (entsprechend rund 600 000 t Protein) nahelegt.

Fazit. Ohne Soja- oder Sojaschrotimporte geht es zwar nicht, aber die Bedeutung dieser Importe wird gerne überschätzt. Sie machen gerade einmal ein Drittel der EU-Eiweißversorgung (ohne Grundfutter) aus.  

Aus DLG-Mitteilungen 7/18. Den vollständigen Beitrag finden Sie hier.

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