Welternährung. Ohne Tiere geht es nicht

Um mit begrenzten Ressourcen möglichst viele Lebensmittel zu erzeugen, brauchen wir gerade die Tierhaltung. Diese muss aber auf die Futtergrundlage abgestimmt sein, sagt Wilhelm Windisch.

Landwirtschaftliche Nutztiere werden oft pauschal als umwelt- und klimaschädlich bezeichnet. Insbesondere den Fleischkonsum verbinden manche Menschen mit einer ungesunden und moralisch negativ behafteten Lebensweise. Diese Argumentation ist eng verknüpft mit dem Vorwurf, für den Menschen geeignete Nahrung werde als Futter ineffizient verschwendet. Aber stimmt das denn? Fünf Argumente sind geeignet, diesen pauschalen Blick auf die Nutztiere zu relativieren.

Weltweit sind nur 30 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche ackerfähig.

Die FAO geht davon aus, dass in spätestens 30 Jahren jedem Menschen rechnerisch nur noch etwa 1 500 m² landwirtschaftliche Nutzfläche zur Verfügung stehen wird, welche im globalen Mittel allenfalls zu 30 % überhaupt ackerfähig ist. Der überwiegende Teil ist Grasland.
Das bedeutet, dass auf der Fläche eines Fußballfelds der gesamte Jahresbedarf an Nahrung für mehr als fünf Menschen erzeugt werden muss, wobei nur der Strafraum als Ackerfläche nutzbar ist und zur Produktion von Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft beitragen kann. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass die limitierten Ressourcen überhaupt nur über eine Kombination aus Pflanzenproduktion und Nutztierhaltung vollständig nutzbar sind.  

Bei der Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel entsteht ein Vielfaches der Menge als Rest-, Neben- oder Koppelprodukt.

In Deutschland bestehen nur gut 30 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus absolutem Grasland, das wegen geografischer Gegebenheiten (Klima, Niederschlag, Hangneigung etc.) für die Ackernutzung ungeeignet ist. Diese Flächen liefern ausschließlich nicht essbare Biomasse und es gibt außer der Aufforstung keine andere Möglichkeit der Verwertung. Aber selbst der Anbau lebensmittelliefernder Pflanzen ist unvermeidlich mit dem Anfall von Koppelprodukten verbunden (z. B. Stroh). Diese stellen mindestens genauso viel Biomasse bereit wie das Ernteprodukt selbst. Hinzu kommen nicht essbare Zwischenkulturen auf der Ackerfläche im Rahmen der Fruchtfolge (z. B. Kleegras). Damit stehen reichlich Futterquellen zur Verfügung, die von Futtergetreide und Eiweißpflanzen (vor allem Sojabohnen) ergänzt werden. Etwa drei Viertel der weltweiten Sojaernte und ein Drittel der Getreideernte dienen diesem Zweck.  

Eine weitere wichtige Quelle nicht essbarer Biomasse sind die Nebenprodukte, die bei der industriellen Verarbeitung der Ernteprodukte zu Lebensmitteln oder Industrieprodukten (z. B. Biosprit) entstehen. Ihr Anteil ist oftmals deutlich größer als das eigentliche Produkt selbst. Rechnet man alle Quellen zusammen, so entstehen in Deutschland bei der Erzeugung von 1 kg pflanzlicher Lebensmittel unvermeidlich mindestens 4 kg nicht essbare Biomasse. Weltweit gesehen liegt das Verhältnis wegen des geringeren Anteils ackerfähiger Flächen noch weit mehr auf der Seite der nicht essbaren Biomasse (etwa 1 : 7).
Die nicht essbare Biomasse enthält enorme Mengen an Pflanzennährstoffen (z. B. Stickstoff und Phosphor). So kumuliert etwa drei Viertel des Phosphorentzuges der Getreideernte in der Kleie. Bei der Ölverarbeitung und Biospritproduktion verbleibt praktisch der gesamte N- und P-Entzug der Ernte in den Nebenprodukten, die allesamt wertvolle Futtermittel darstellen (Extraktionsschrote, Schlempen). Der agrarische Kreislauf an Pflanzennährstoffen (Grafik) reicht also weit über den unmittelbaren landwirtschaftlichen Betrieb hinaus und schließt die industrielle Verarbeitung der Ernteprodukte mit ein. 

Nutztiere fördern die Gesamtproduktivität der Lebensmittelerzeugung.

Die in der nicht essbaren Biomasse gebundenen Pflanzennährstoffe müssen in den agrarischen Kreislauf zurückgeführt werden. Im Wesentlichen stehen dazu drei Strategien zur Verfügung:

  • Die direkte Einarbeitung in den Boden,
  • die Verwertung über Biogasanlagen und Nutzung der Gärreste als Dünger sowie
  • die Verfütterung an Nutztiere und Rückführung der Wirtschaftsdünger.

Gleich welche Strategie man wählt: In jedem Fall müssen auch die Nebenprodukte der industriellen Verarbeitung von Ernteprodukten in vollem Umfang zurückgeführt werden. Dabei entsteht sowohl bei der Verwertung als Futter wie auch als Biogassubstrat lagerbarer organischer Dünger. Dessen Ausbringung und Nutzung ist stets effizienter als die unkontrollierte Freisetzung von Pflanzennährstoffen aus verrottender Biomasse. So zeigten neuere Untersuchungen unter den Bedingungen des biologischen Landbaus, dass bei ausschließlicher Einarbeitung der nicht essbaren Biomasse über die gesamte Fruchtfolge hinweg nur halb so viel pflanzliche Lebensmittel erzeugt werden können wie mit Gärresten aus Biogasanlagen oder Wirtschaftsdüngern aus der Tierhaltung. Beide organischen Dünger erwiesen sich im Hinblick auf die pflanzliche Produktivität als weitgehend gleichwertig.
Im Gegensatz zu Biogasanlagen fallen jedoch bei der Verfütterung zusätzlich hochwertige Lebensmittel wie Fleisch und Milch an. Nutztiere fördern somit nicht nur die Produktivität des Pflanzenbaus, sondern steigern den Gesamtgewinn an erzeugten Lebensmitteln pro Einheit landwirtschaftlicher Nutzfläche. Nutztiere sind demnach keineswegs prinzipielle Konkurrenten der Produktion pflanzlicher Lebensmittel, sondern essentieller Bestandteil der miteinander vernetzten Stoffströme einer effizienten Landwirtschaft.

Die oft zitierten »ökologischen Fußabdrücke« sind sehr unterschiedlich.

Der Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft werden häufig sehr hohe klimaschädliche Emissionen und ein hoher Verbrauch von Flächen, Wasser oder Energie angelastet. Diese pauschale Sichtweise wird jedoch der enormen Bandbreite der Kohlenstoff-, Land- und Wasserbilanzen innerhalb der Tierproduktion keineswegs gerecht. So nehmen die »ökologischen Fußabdrücke« mit steigender Leistung stark ab (Übersicht 1), was hauptsächlich auf der Verdünnung des nicht produktiven Erhaltungsbedarfs am Gesamtumsatz an Nährstoffen beruht.

Dieser Effekt ist jedoch nur bei insgesamt niedrigem Leistungsniveau quantitativ relevant. Er flacht bei höheren Leistungen zusehends ab. Die eigentlichen Unterschiede sind dagegen zwischen einzelnen Tierspezies und Produktionskategorien auszumachen. In der Gesamtschau sinken die Fußabdrücke von Rindfleisch über Schweinefleisch und Milch bis zum Geflügelfleisch sehr stark. Sie liegen um mehr als den Faktor 10 auseinander. Dies ist allein schon aufgrund der Futterverwertung dieser Produktionsrichtungen zu erwarten, denn die Emissionen verhalten sich spiegelbildlich zur Effizienz. Dies erweckt den Eindruck, dass Rindfleisch besonders umwelt- und klimaschädlich sei.

Die derzeit kursierenden »ökologischen Fußabdrücke« lassen in der Regel außer Acht, dass sie von intensiven Produktionssystemen abgeleitet wurden und so keine allgemeine (weltweite) Gültigkeit haben. So spiegeln die als extremes Negativbeispiel geltenden Werte für Rindfleisch das nordamerikanische Feedlot-System mit hohem Kraftfuttereinsatz und Bewässerung wider. Sie dürften die raufutterbasierte Rindfleischproduktion in Deutschland massiv überschätzen. Ein wenig diskutierter Aspekt ist die mangelnde Differenzierung des Nutztierfutters in Bezug auf die Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Die intensive Schweine- und insbesondere Geflügelproduktion erfordert hohe Nährstoffdichten, was einen sehr hohen Grad an Essbarkeit des Futters bedeutet. Demgegenüber können Wiederkäuer sogar ausschließlich mit nicht essbarer Biomasse gefüttert werden. Die sehr niedrigen ökologischen Fußabdrücke  der Geflügelproduktion werden somit durch Nahrungskonkurrenz zum Menschen erkauft.

Tierische Lebensmittel aus nicht essbarer Biomasse sind quasi emissions- und klimaneutral.

Auf den ersten Blick scheinen Nutztiere im Zielkonflikt zwischen Effizienz, Umwelt- und Klimaschutz sowie der Befriedigung des menschlichen Nahrungsmittelbedarfs gefangen zu sein. Häufig ist zu hören, zur Schonung von Umwelt und Klima müsse man insbesondere die Wiederkäuer vermeiden. Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz. Denn sie unterschlägt den Umstand, dass bei der Erzeugung pflanzlicher Ernteprodukte durch die Landwirtschaft und ihre Weiterverarbeitung zu Lebensmitteln bzw. Industriegütern unvermeidlich große Mengen an nicht essbarer Biomasse anfallen.
Unabhängig vom Weg ist die Rückführung dieser Biomasse in den landwirtschaftlichen Stoffkreislauf weitgehend emissions- und klimaneutral. Die Emis-
sionen sind die gleichen, egal, ob die nicht essbare Biomasse an Nutztiere verfüttert wird, in einer Biogasanlage vergärt, oder einfach nur auf dem Feld verrottet. Zwar setzen Wiederkäuer einen Teil der Emissionen als klimaschädliches Methan frei. Diese Emissionen stehen jedoch im Gleichgewicht mit dem stetigen Abbau in der Atmosphäre und heizen die Atmosphäre demnach nicht noch weiter auf. Die Drosselung der Methanemissionen hätte zwar durchaus einen kühlenden Effekt, muss aber mit der einzigartigen Fähigkeit der Wiederkäuer zur Verwertung der nicht essbaren Biomasse gegengerechnet werden

Der Weg des Abbaus der unvermeidlich anfallenden Biomasse hat allerdings indirekt einen starken Einfluss auf die Klimawirksamkeit des gesamten agrarischen Systems. So entstehen beim Verrotten der nicht essbaren Biomasse auf dem Feld Emissionen ohne eine begleitende Umwandlung in ein nutzbares Gut. Im Gegensatz dazu werden in Biogasanlagen Energieträger gewonnen bzw. über Nutztiere hochwertige Lebensmittel erzeugt. Demnach ist die Verfütterung von nicht essbarer Biomasse an Nutztiere im Vergleich zu alternativen Verwertungsformen nicht nur weitgehend klimaneutral, sondern im bioökonomischen Sinne auch die sinnvollste Form der Verwertung: Die Emissionen je Einheit insgesamt erzeugter Nahrung (pflanzlich plus tierisch) erreichen bei optimaler Integration der Nutztierhaltung ein Minimum.

Zu einer Belastung von Umwelt und Klima durch Nutztiere kommt es erst dann, wenn Tier- und Pflanzenproduktion entkoppelt werden und die Stoffströme in ein Ungleichgewicht geraten, beispielsweise bei verstärkter Tierproduktion auf der Basis essbarer Biomasse. Reststoffe, Neben- und Koppelprodukte hingegen sind in der Regel reich an Faser, und ihre Verdaulichkeit ist eher gering. Daher sind insbesondere Wiederkäuer dafür prädestiniert, diese Biomasse in Lebensmittel umzuwandeln. Solange sie unvermeidlich anfallende nicht essbare Biomasse fressen, sind die im Vergleich zu Schwein und Geflügel höheren Emissionen auch kein Problem für Umwelt und Klima.

 

So lässt sich die Futternutzung noch weiter verbessern

Je effizienter die Transformation von Reststoffen, Koppel- und Nebenprodukten pflanzlicher Herkunft in hochwertige Lebensmittel durch Nutztiere ist, desto mehr Lebensmittel stehen insgesamt für die menschliche Ernährung zur Verfügung. Maßnahmen zur Effizienzsteigerung sind:

  • Kein Futterpotential verschwenden. Der Futterwert der nicht essbaren Biomasse sollte möglichst hoch sein. Das geht durch züchterische Verbesserungen der Nutzpflanzen (etwa dem 00-Raps) oder die Separierung dieser Biomasse in qualitativ unterschiedliche Fraktionen. Dies erlaubt eine differenzierte Verfütterung und erhöht ihr Verwertungspotential.
  • Präzise füttern. Futterrationen mit ausgewogenen Nährstoffgehalten sind das Ziel. Die Ergänzung mit essentiellen Aminosäuren, Vitaminen, Spurenelementen, Enzymen etc. sind dabei äußerst effiziente Instrumente. Um diese Effekte voll nutzen zu können, bedarf es einer konsequenten Nährstoffanalyse der oftmals sehr stark schwankenden Gehalte in Futtermitteln.
  • Verdauungskapazität sowie Stabilisierung der Darmgesundheit fördern. Enzymatische Futtermittelzusatzstoffe eröffnen ein breites Handlungsfeld zur indirekten Verbesserung der Futterqualität. Sie verstärken die natürliche Verdauungskapazität (z. B. Proteasen) oder fügen eine grundsätzlich neue Verdauungskapazität hinzu (z. B. Phytasen). Auch Zusatzstoffe zur Stabilisierung der Darmgesundheit erhöhen signifikant den Nettogewinn an Nährstoffen aus dem Futter, indem sie die Nutztiere von energie- und nährstoffraubenden Abwehrreaktionen entlasten.
  • Den Basis-Futteraufwand minimieren. Ein Teil des Futters wird unweigerlich für die Bestandserhaltung von Nutztierherden verbraucht. Die Reduzierung der Aufzuchtdauer von Jungtieren sowie eine lange Nutzung tragen signifikant zur Drosselung dieses »nicht produktiven« Futterverbrauchs bei und fördern damit die Gesamteffizienz der Tierproduktion. Dazu muss selbstverständlich die Tiergesundheit und das Tierwohl sichergestellt sein.

 

Pflanzliche Lebensmittel und die Fütterung von Nutztieren sind ebenfalls kein Gegensatz. Pflanzliche »Imitate« tierischer Produkte (etwa Haferdrink, Sojamilch, Eiweiß aus Lupinensamen) werden vielfach als Alternativen zur Tierproduktion beworben. Sie entstehen jedoch aus der Weiterverarbeitung bereits vorhandener, pflanzlicher Biomasse und generieren wiederum große Mengen an Nebenprodukten, die am sinnvollsten durch die Verfütterung an Nutztiere verwertet werden können.
Pflanzliche Imitate sind somit kein Gegenpol zu Lebensmitteln tierischer Herkunft. Sie sind vielmehr eine weitere Differenzierung der pflanzlichen Biomasse in eine essbare und eine nicht essbare Komponente. Im Sinne der Bioökonomie ist dieser Prozess durchaus sinnvoll, denn die Kombination aus pflanzlichen Lebensmitteln und der Verwertung der dabei anfallenden Biomasse durch Nutztiere generiert in der Summe mehr Lebensmittel als die alleinige Verwertung durch einer dieser beiden Pfade.

Fazit. Insgesamt sind Nutztiere weder grundsätzliche Nahrungskonkurrenten zum Menschen noch mit einer pauschalen Bürde an Emissionen und Klimaschädlichkeit behaftet. Solange sie überwiegend mit nicht essbarer Biomasse gefüttert werden, sind die von Nutztieren erzeugten Lebensmittel ein weitgehend emissions- und ­klimaneutraler Gewinn an landwirtschaftlicher Produktivität. Insofern gibt es zu Nutztieren derzeit keine Alternative. ­Voraussetzung ist aber die Vermeidung von Lebensmittelkonkurrenz. Darüber hinaus muss die Effizienz der Transformation von nicht essbarer Biomasse zu hochwertigen Lebensmitteln tierischer Herkunft maximiert werden (siehe Kasten).
Im Sinne einer nachhaltigen und möglichst klimaneutralen Erzeugung von Lebensmitteln wird es künftig immer wichtiger, die lokalen Potentiale der Pflanzen- und Tierproduktion unter Einbeziehung der Lebensmittel-Industrie als ein bioökonomisches Gesamtsystem der Verwertung von Biomasse zu begreifen und zu optimieren.

Prof. Dr. Wilhelm Windisch, Technische Universität München

Aus DLG-Mitteilungen 11/21. Den vollständigen Beitrag als pdf-Datei finden Sie hier.