Bodenmarkt. "Mehr Regulierung ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich"

Einige Landesagrarminister wollen mit einem Agrarstrukturgesetz das Vordringen landwirtschaftsfremder Investoren eindämmen. Ein komplexes Thema mit vielen Rechtsgebieten, auf die der politische Druck deutlich gestiegen ist, erklärt Götz Gärtner im Interview.

Seit Jahren diskutiert die Politik ein stren­geres Bodenrecht. Die Begrenzung des Preisanstiegs, die Stärkung ortsansässiger Landwirte und eine breite Streuung des Bodeneigentums werden mantraartig als Ziele ausgegeben. Warum tut man sich in der Umsetzung so schwer?

Das liegt sicher an unterschiedlichen Faktoren. Zum einen mangelte es in der Vergangenheit teils an der notwendi­gen politischen Mehrheit. Zum anderen scheinen auch rechtliche Un­wägbarkeiten vorhanden zu sein. Nehmen wir beispielsweise die seinerzeitigen Entwürfe für ein Agrarstrukturgesetz in Sachsen-An­halt im Jahr 2015 und Niedersachsen 2016. Es bestanden Zweifel hinsichtlich der Verein­barkeit der vorgeschlagenen Regelungen mit höherrangigem Recht, wie dem Grundgesetz oder Europarecht. Andererseits muss man auch sagen, dass beispielsweise in Polen, aber auch in Litauen bereits ein deutlich regulierterer Bodenmarkt offenbar europarechtlich derzeit nicht angegriffen wird.

Um Investoren den Einstieg zu erschwe­ren, könnte man z. B. Share Deals geneh­migungspflichtig machen. Ist eine not­wendige Zustimmung (und Versagung) bei gesellschaftlichen Anteilsveränderun­gen juristisch haltbar?

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Eigentümer an den Flächen nicht die Gesellschafter, sondern die Gesellschaft selbst ist. Bei einer Veräußerung von Ge­schäftsanteilen findet ein Eigentumswech­sel der Flächen streng rechtlich betrachtet an sich also gar nicht statt, wirtschaftlich aber schon. Eine Genehmigungspflicht nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erscheint da­her besonders begründungsbedürftig. Andererseits können Share Deals, die Grundbesitz umfassen, bereits heute grunderwerbssteuerpflichtig sein. Der Gesetzgeber macht also auch hier schon entsprechende Unterscheidungen zu Share Deals mit und ohne Grundbesitz.

Was die Zuständigkeit für den landwirt­schaftlichen Grundstücksverkehr angeht, liegt diese seit der Förderalismusreform 2006 bei den Ländern. Aber mit Blick auf Regelungen zur Zustimmung von Anteilsübertragungen eines Unternehmens mit Bodeneigentum bewegen wir uns im Ge­sellschaftsrecht. Und das unterliegt der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Die landesgesetzliche Zuständigkeit ist hier zumindest nicht unumstritten und müsste zwischen Bund und Ländern geklärt werden.

Es gibt auch laut Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Bodenmarktpolitik“ zudem Definitions-, Abgrenzungs- und Administrationsprobleme. Dennoch lautete die Empfehlung der Länder mehrheitlich, Share Deals entsprechend zu regulieren, zumindest dort wo Fehlentwicklungen wahrgenommen werden. Das dürfte insbesondere die neuen Bundesländer betreffen, die ja nun auch entsprechende Ziele politisch ausgegeben haben.

Braucht man nicht zuerst eine klare Defi­nition eines agrarstrukturellen Leitbildes als Vorbild für ein Agrarstrukturgesetz?

Ei­ne Definition dessen, wie die Agrarstruk­tur aussehen soll, ist deshalb tatsächlich zu formulieren. In den Koalitions­verträgen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen ist zwar verankert, dass man ein Agrarstrukturgesetz beschließen will. Wel­che Zielvorstellungen mit Blick auf die Ag­rarstruktur man genau verfolgt, wird aber erst dann justiziabel werden, wenn der Gesetzgeber für die Agrarstruktur konkrete Vorgaben macht und seine Ziele definiert, z.B. wieviel Flächen sich direkt oder durch Beteiligung an Unternehmen in einer Hand befinden dürfen und unter welchen konkreten Voraussetzungen und Zielen des Gesetzgebers staatliche Eingriffe zulässig sind.

Ist das in den Koalitionsverträgen veran­kerte Ziel eines »Agrarstrukturgesetzes« dann nur heiße Luft?

Das kann man sicherlich so nicht sagen. Wenn der politische Wille da ist, geht manchmal alles ganz schnell. Der Druck nimmt in letzter Zeit deutlich zu. Deshalb muss man wohl mit allem rechnen.

Der Bodenmarkt in den Koalitionsverträgen

Agrarstrukturgesetz. Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst wurde in den Koalitionsverträgen die Erarbeitung eines Agrarstrukturgesetzes vereinbart. Damit möchte man ortsansässige Landwirte stärken und den Erwerb sowohl landwirtschaftlicher Flächen als auch von Betrieben oder Betriebsanteilen für außerlandwirtschaftliche Investoren erschweren. In Brandenburg soll dafür ein bis spätestens 2021 zu erstellendes agrarstrukturelles Leitbild den Rahmen liefern. Ansonsten sind keine näheren Spezifikationen ausgeführt.


Rückblick. Die Forderungen nach einer Reformierung des Grundstücksverkehrsgesetzes als »ordnende Hand« sind nicht neu. Der Preisauftrieb müsse eingedämmt und Größenkonzentrationen vermieden werden, so die Argumente der Befürworter. Denn schließlich befinden sich nach Aussage von Experten inzwischen ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe im Osten in den Händen außerlandwirtschaftlicher Investoren.
Den ersten Vorstoß wagte Anfang 2015 Dr. Hermann Onko Aeikens als Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt. Er wollte mit einem Agrarstrukturgesetz die Verkäufe von Firmenanteilen eindämmen – und stieß auf Widerstand. Dieser kam vom Landesbauernverband. Das Agrarstrukturgesetz scheiterte. Auch seine Nachfolgerin Claudia Dalbert konnte sich bisher nicht durchsetzen. Und das obwohl die zuständige Landesregierung schon 2016 im Koalitionsvertrag versprochen hatte, solche Verkäufe mit einem Agrarstrukturgesetz zu stoppen. Doch passiert ist bis dato nichts.

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