
Gründerszene. Nie war mehr möglich
In welchem Umfeld entstehen eigentlich Agrar- und Food-Start-ups in Deutschland? Und was könnte noch viel besser laufen? Ein Einblick in eine dynamische Szene.
Start-ups werden schon lange nicht mehr als lustige App-Entwicklungs-Buden gesehen, sondern als ernst zu nehmende Pioniere in Sachen Innovationskultur. Sie rütteln auch an traditionellen Branchen. Zugleich könnten die Erwartungen, die in sie gesetzt werden, nicht höher sein. Schnell wachsende junge Unternehmen, sogenannte »Gazellen«, sind Hoffnungsträger für eine Erneuerung der Wirtschaft in Sachen Nachhaltigkeit, für neue Technologien, Wachstum und Disruption.
Branchen. Das deutsche Start-up-Ökosystem bringt vielfältige Gründungen hervor und schafft branchenübergreifend Innovationen. Das lässt sich vor allem an dem breiten Spektrum vertretener Branchen erkennen (Grafik 1). Es dominiert die Informations- und Kommunikationstechnologie (31 %), auf Platz drei kommen Ernährungs- und Konsumgüter-Start-ups (9 %) und auf Platz acht die Landwirtschaft mit 2,4 % der Gründungen.
Es lässt sich in den vergangenen Jahren noch ein Trend feststellen: Viele Start-ups wollen nicht nur mit neuen Technologien, Produkten oder Dienstleistungen Geld verdienen. Sie wollen zusätzlich noch einen ökologischen Mehrwert schaffen, wie z. B. Treibhausgasemissionen reduzieren. Man spricht dann von sogenannten »grünen Start-ups«. Laut deutschem Start-up-Verband gibt es hierzulande rund 3 000 dieser Unternehmen – gut jedes dritte gilt heute schon als grün. Tendenz steigend.

Wagniskapital und strategische Investoren gesucht. Start-ups verfügen meist über wenig Startkapital und werben intensiv um externe Finanzierungen – in Form von Risikokapital oder dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen, etwa an Business Angels. Die pandemiebedingten Unsicherheiten bei der Finanzierung haben sich inzwischen beruhigt und die Start-ups in den vergangenen Monaten wieder deutlich mehr externes Kapital aufgenommen (Grafik 2).
Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY attestiert der europäischen Start-up-Szene aktuell sogar neue Finanzierungsrekorde. 36,5 Mrd. € wurden 2020 eingeworben – so viel wie nie zuvor. Frankreich ist eine der europäischen Top-Start-up-Regionen. Das attraktivste Land für junge Gründer ist aber Großbritannien – trotz Brexit. Fast 14 Mrd. € Risikokapital wurden dort 2020 vergeben. Mit weitem Abstand folgen Deutschland und Frankreich mit 5,2 Mrd. €.

Es braucht mehr Einhörner. Was bei den deutschen, aber auch den europäischen Start-ups auffällt, ist das eher bescheidene Finanzierungsvolumen. Darin sieht der Bundesverband Deutsche Start-ups ein Problem. Die europäische Start-up-Szene drohe immer weiter hinter die USA zurückzufallen. Als Indikator dafür dient dem Branchenverband die Zahl der »Unicorns« (Einhörner), das sind Start-ups mit einem Marktwert von mehr als 1 Mrd. US-$. Während in Europa im 1. Quartal 2021 27 neue Unicorns entstanden, waren es in den USA im selben Zeitraum 67.
Mangel an spezialisierten Investoren. Blicken wir auf die Landwirtschaft bzw. AgTech-Innovationen. Ergebnisse des »Green Start-up Monitors 2021« zeigen, dass die Gründer mit deutlichen Herausforderungen konfrontiert sind, besonders mit dem erschwerten Zugang zu Kapital. Vor allem bei der Frühphasenfinanzierung und Venture Capital klafft eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Sie hat sich in den vergangenen Jahren zwar definitiv verbessert, aber immer noch sind viele Investoren skeptisch, weil sie das Feld nicht wirklich verstehen. Start-ups, die in etablierten und berechenbareren Geschäftszweigen tätig sind und sich in Bereichen positionieren, die Investoren besser vertraut sind, wie Technologie und Digitalisierung, erhalten auch eher eine Finanzierung.

Hochschulen stärken das Start-up-Ökosystem. Nicht zuletzt sind es die Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die das deutsche Start-up-Ökosystem stärken. Die Entrepreneure schätzen die Nähe zu Universitäten: 76 % bewerten diesen Aspekt im Deutschen Start-up Monitor 2021 als gut.
Dass die Start-up-Szene eng mit der akademischen Forschung verbandelt ist, belegen drei weitere Ergebnisse der Studie: 55 % der Startups kooperieren mit wissenschaftlichen Einrichtungen; jede vierte Gründung stammt aus dem Umfeld von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, und 36 % der Entrepreneure haben ihre Mitgründer an der Hochschule kennengelernt.
Fazit. Etablierte Unternehmen entscheiden sich immer häufiger für die Zusammenarbeit mit aufstrebenden Start-ups und profitieren dabei von den jungen Technologie-Pionieren. Damit die Gründer dauerhaft Innovationen bereitstellen können, ist eine vielfältige Finanzierungslandschaft notwendig. Und hier brauchen wir in Deutschland dringend einen Mentalitätswandel bei den Investoren, damit mehr Kapital zur Start-up-Finanzierung mobilisiert wird.
Thomas Künzel
Aus DLG-Mitteilungen 1/22. Den vollständigen Beitrag als pdf finden Sie hier.