
Ertragsmessung. Das leisten neue Technologien
Die Futterration lässt sich bis ins kleinste Detail berechnen, weil wir Menge und Inhaltsstoffe vieler konservierter Komponenten genau kennen. Aber was ist mit dem frischen Futter auf unseren Grünlandflächen? Die digitale Erfassung des Aufwuchses auf Mahd- und Weideflächen ist noch nicht in der breiten Praxis angekommen. Leonie Hart und Esther Paulenz berichten, was möglich ist.
Nicht nur im Stall, auch auf den Grünlandflächen ist eine präzise Futterplanung immens wichtig. Denn je nach Region, Jahreszeit, Wachstumsstadium und botanischer Zusammensetzung variieren die Futterqualität und der Ertrag. Deshalb sollten Sie die Aufwuchsmenge und Qualität Ihrer Grünlandflächen genau kennen. Neben der Messung von konserviertem Futter können immer mehr Daten über die frische Biomasse und Nährwerte unserer Grünlandbestände automatisiert erhoben und für eine präzisere Rationsgestaltung genutzt werden. Besonders bei der Weiterentwicklung von Platten-Herbometern und dem Einsatz von tragbaren Nahinfrarotspektroskopen wurden zuverlässige und praxistaugliche Lösungen gefunden. Solche Technologien unterstützen heute vor allem die Parzellenzuteilung auf der Weide und helfen Nährstoffmängel des Aufwuchses zu identifizieren, um eine bedarfsgerechte und ausgewogene Fütterung der Tiere sicherzustellen. So hat eine neuseeländische Studie gezeigt, dass eine weidebasierte Milchproduktion profitabler ist, wenn regelmäßig Informationen über die verfügbare Aufwuchsmenge erhoben werden.
Messgeräte im Vergleich. Im Folgenden betrachten wir die Funktionsweisen von drei unterschiedlichen Technologien zur Weidefuttermessung genauer. Diese konkurrieren in ihrem Nutzungszweck nicht zwingend, sondern weisen unterschiedliche Potentiale auf.

Der Grasshopper
Der "Grasshopper" ist ein Platten-Herbometer, das anhand eines integrierten Sensors die komprimierte Bestandshöhe von Grünlandflächen misst und die Aufwuchsmenge schätzt. Zusätzlich verfügt das Gerät über GPS und ermöglicht die Ausmessung und Kartierung der zu bewirtschaftenden Flächen. Mit Hilfe einer App können bei regelmäßiger und adäquater Messung der Zustand und das Wachstum der Pflanzenbestände langfristig verfolgt werden. Typischerweise läuft der Anwender im Zickzack über die Fläche und führt in regelmäßigen Abständen mindestens 35 Messungen pro Hektar durch. Dies kann je nach Anzahl und Flächengröße einige Zeit in Anspruch nehmen. Der Grasshopper wurde in Irland von der Firma True North Technologies entwickelt und mit Daten irischer Flächen validiert, die sich durch einen hohen Anteil an Weidelgräsern und eine intensive Nutzung auszeichnen.
Wie gut funktionieren die Algorithmen auf deutschen Grünlandflächen? Das sollte 2019 in Norddeutschland ein Parzellenversuch zeigen. Vier Wochen alte Bestände wurden regelmäßig beprobt und die Aufwuchsmengen mit denen des Grasshopper-Systems verglichen. Die vom Grasshopper geschätzten Aufwuchsmengen unterschieden sich zum Teil beachtlich von denen der klassischen Schnittproben. Neben gewissen Messunsicherheiten könnte dies an folgenden Gründen liegen:
- Die Aufwuchsmengen von Pflanzenbeständen mit höheren Anteilen von Kräutern und Leguminosen stimmten weniger mit der Schätzung des Grasshopper-Systems überein.
- Der Weiderest von 4 cm ist bei Grasshopper und Schnittprobe nicht direkt vergleichbar. Während der Grasshopper die komprimierte Bestandshöhe misst, wurde die Schnittprobe von nicht komprimierten Pflanzenbeständen genommen.
- Die Wetterverhältnisse spielen eine wichtige Rolle. Zum Beispiel wurde nach starkem Regenfall durch ein «Umliegen» der Gräser eine deutlich niedrigere Höhe gemessen und damit auch eine geringere Aufwuchsmenge geschätzt als noch vor Regenbeginn.
- Zusätzlich können eine geringe Anzahl an Messpunkten und eine sehr heterogene Grünlandfläche, verursacht durch Graslücken oder auch Dung- und Trampelstellen, zu unterschiedlichen Messergebnissen führen.
Dennoch kann das kostengünstige System vor allem auf homogenen und grasbetonten Grünlandflächen einen brauchbaren Anhaltspunkt für die Entscheidungen im Weidemanagement bieten.
HarvestLab 3 000
Bis vor einigen Jahren war das Einsenden einer Grasprobe ins Labor oder der Gebrauch von Futterwerttabellen die einzige Möglichkeit zur Bestimmung der Frischgrasqualität. Futterwerttabellen sind eine schnelle und einfache Methode für das Grünlandmanagement, benötigen allerdings Kenntnisse, um unterschiedliche Leguminosen, Kräuter und Gräser und deren Wachstumsstadien zu identifizieren. Um hier eine korrekte Einschätzung der Futterqualität zu erhalten, ist jahrelanges Training und natürlich Zeit für die eigentliche Pflanzenbonitur notwendig.
Eine automatisierte und schnellere Alternative bieten mobile Nahinfrarotspektroskope wie das »HarvestLab 3 000«-System von John Deere. Es liefert innerhalb von zwei Minuten ein Messergebnis zur Frischgrasqualität. Das System kann auch für andere Futtermittel wie Gras- und Maissilagen oder Luzerne genutzt werden. Es lässt sich leicht transportieren und kann im Stallbüro oder direkt im Feld auf einer Ladefläche mit Stromanschluss stehen. Für die Messung ist das Schneiden einer Grasmischprobe erforderlich. Diese wird zerkleinert und in die Glasschale oberhalb der Lichtquelle gefüllt. Über das von der Grasprobe reflektierte Licht und eine Kalibrierungsfunktion werden Rohprotein, Trockensubstanz und unterschiedliche Strukturkohlenhydrate bestimmt. Die Kalibrierungsfunktionen spielen eine wichtige Rolle für die Genauigkeit von Nahinfrarotspektroskopie-Methoden. Wenn diese auf einem breiten »Vorwissen« inform von Daten unterschiedlichster Grasbestände basiert, steigt die Genauigkeit der Ergebnisse.
Ergebnisse aus der Praxis. Agroscope hat das System auf sechs Schweizer Betrieben und auf 18 unterschiedlichen Grünlandparzellen getestet. Dabei wurden 167 Proben von botanisch sehr unterschiedlichen Mischbeständen in verschiedenen Wachstumsstadien untersucht und mit einer Referenzmessung aus dem Labor verglichen. Es zeigte sich ein systematischer Fehler zwischen 9 % (für ADF) und 22 % (für Rohprotein), der allerdings korrigierbar war. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass eine Störung des reflektierten Lichts oder eine Drift des Lichtsensors diesen systematischen Fehler verursacht. Ein regelmäßiger Abgleich des Lichtsensors müsste also vom Hersteller vorgenommen oder betreut werden. Nach einer Korrektur misst das HarvestLab 3000 mit einer akzeptablen Fehlerrate von 2 bis 8 %. Trotzdem ist das System aufgrund der hohen Investitionskosten wohl eher für einen überbetrieblichen Einsatz oder im Bereich der Beratung geeignet.

Drohne und GrassQ-Plattform
Die Fernerkundungs- und Sensortechnologie ist in der Entwicklung weit fortgeschritten und mancherorts bereit für einen Einsatz auf Betriebsebene. Die Algorithmen zur Aufwuchsmengen- und Grasqualitätsmessung hinken allerdings hinterher. Zumindest sind sie noch nicht verfügbar für eine überregionale Anwendung, die das Bewerten unterschiedlicher Grünlandbestände ermöglichen würde. Je nach landwirtschaftlicher Struktur sind in manchen Regionen der Welt Satelliten oder bodennahe Flugkörper besser geeignet.
Australiens Onlineplattform pasture.io bietet seit 2018 eine Grünlandbewertung über Satellitenbilder an. Nachteilig ist, dass nicht überall Satellitenaufnahmen in zeitlich und räumlich geeigneter Auflösung zur Verfügung stehen. Obwohl man inzwischen die Bilder der Sentinel-2 Satelliten kostenlos beziehen kann, stellt die Bewölkung für manche Regionen der Welt eine Herausforderung dar, weil dadurch nicht immer wöchentliche Aufnahmen des Betriebes erstellt werden können. Außerdem ist die räumliche Auflösung der Satellitenbilder von 10 bis 60 m besonders für kleinstrukturierte Regionen mit Grünlandparzellen von manchmal nur 1 bis 2 ha problematisch. Für die Schweiz mit ihren relativ kleinen Betriebsgrößen von durchschnittlich 21 ha hat sich daher die bodennahe Drohnentechnologie als interessant herausgestellt. Deshalb wurden 2018 in einem Feldversuch Multispektralbilder von begrünten Flächen mit einer Consumer-Drohne aus einer Flughöhe von 50 m aufgenommen, um Aufwuchsmenge und Rohproteingehalt zu schätzen. Die irische Plattform «GrassQ» (www.grassq.com) bietet die Möglichkeit, multispektrale Reflektionskarten hochzuladen und kostenlos zu analysieren. Leider basieren die bereitgestellten Schätzmodelle auf homogenen Weidelgrasbeständen einer Forschungseinrichtung in Irland und sind daher nicht anwendbar für die Bewertung von Grünland anderer botanischer Zusammensetzung. Es stellte sich heraus, dass die Algorithmen für die untersuchten Betriebe in der Schweiz nicht geeignet waren. Die digitale Infrastruktur für eine einfache Anwendung steht also zur Verfügung, aber die Schätzmodelle haben bisher noch keine ausreichende Datengrundlage, um die Vielfalt des Grünlandes abzubilden. Bis es so weit ist, experimentieren manche Betriebsleiter trotzdem bereits mit dem Blick von oben, um beispielsweise Graslücken zu detektieren oder Rehkitze vor der Mahd aufzuspüren.
Fazit. Die beiden nicht-destruktiven Methoden (Grasshopper und Multispektralbilder mittels Drohnen) eignen sich bisher nur für kurze Bestände, so wie wir sie bei der Weidenutzung vorfinden. Grasshopper und HarvestLab 3 000 sind zwar einsatzbereit, aber die Systeme verbessern sich noch von Jahr zu Jahr, weil die Hersteller die Datengrundlage für die Kalibrierungsfunktionen erweitern. Ebenso rasant wird die Drohnen-Methodik voranschreiten. Der große Vorteil hierbei wird künftig das Einsparen von Arbeitszeit und physischer Beanspruchung sein, weil die Begehungen der Grünlandflächen wegfallen. Welche Technologien sich auf den Betrieben in Zukunft durchsetzen, hängt voraussichtlich stark von der Betriebsgröße, Vernetzung mit Nachbarbetrieben und Technikaffinität des Anwenders ab.
Leonie Hart, Agroscope, Ettenhausen, Schweiz und Esther Paulenz, Humboldt Universität zu Berlin und Thünen Institut für Ökologischen Landbau in Trenthorst
Gefördert durch das BMEL aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages über die BLE, Förderkennzeichen 2817ERA12H und 2817ERA13H, im Rahmen des ERA-NETs ICT-Agri II, sowie durch das Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft im Rahmen der Projekte »GrassQ« (Projekt-ID 35779 ) und »CowData« (Projekt-ID 37729) unter den ICT-Agri ERA-Net Calls »Enabling Precision Agriculture« und »Farm management Systems for Precision Farming«.
Aus DLG-Mitteilungen 3/21. Den vollständigen Artikel als pdf finden Sie hier.
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