
Moore. Neue Perspektiven sind notwendig
Die Moorwiedervernässung ist ein wichtiger Baustein zur Erreichung der Klimaziele. Doch sie stellt die Landwirte vor neue Herausforderungen. Ob und wie eine Bewirtschaftung auf Moorflächen künftig möglich und ökonomisch interessant ist, damit beschäftigen sich derzeit verschiedene Projekte.
Die Moorschutzstrategie und das Klimaschutzgesetz geben es vor: Um die Wiedervernässung von Mooren kommen wir demnach nicht herum. Denn 2021 wurde in der Bund-Länder-Vereinbarung zum »Klimaschutz durch Moorbodenschutz« das Ziel gesetzt, die jährlichen Emissionen aus entwässerten Moorböden um 25 Mio. t CO2-Äquivalente bis 2030, 35 Mio. t bis 2040 und 40 Mio. t bis 2045 zu reduzieren. Das führt bei Landwirten zu Unsicherheit und Existenzängsten.
Die Wiedervernässung ist zudem ein hoch emotionales Thema, denn die Betriebe wirtschaften auf den entsprechenden Flächen seit Generationen. Und nun sollen sie die herkömmliche Landwirtschaft umstrukturieren, neu gestalten oder gar aufgeben?
Viele Fragen sind hinsichtlich ihrer Umsetzung in die Praxis noch ungeklärt
Welche Bewirtschaftung ist bei hohen Wasserständen überhaupt möglich? Wie verändern sich Ertrag und Futterqualität des Grünlandes? Welche Maschinen können zur Bewirtschaftung der vernässten Flächen genutzt werden? Ist eine Beweidung noch möglich?
»Sicher ist, dass die betroffenen Landwirte ihr Betriebskonzept anpassen oder neu gestalten müssen«
sagt Prof. Dr. Tammo Peters.
Er beschäftigt sich an der Fachhochschule Kiel mit den Themen Grünlandwirtschaft und Klimaschutz. Selbst wenn die Bereitschaft da ist, »mal eben« lässt sich der betriebliche Schwerpunkt natürlich nicht ändern. Besonders auf den besseren Standorten kommt es unweigerlich auch zur Nutzungskonkurrenz. Denn auch Moorstandorte können eine gute bis sehr gute Produktivität aufweisen.
»Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht macht es eigentlich nur Sinn, die Flächen zu vernässen, auf denen die CO2-Emissionsreduktionskosten am geringsten sind«,
sagt Prof. Dr. Holger Thiele
vom Fachbereich Agrarökonomie und Statistik der FH Kiel. Der Druck von außen wird weiter steigen. Die Konsequenzen für die Betriebe können erheblich sein. Wenn beispielsweise ein intensiv wirtschaftender Milchviehbetrieb einen Stall umbauen oder neu errichten möchte, kann er vor dem Problem stehen, dass ihm die Bank die Finanzierung nicht bewilligt, weil er in einer Moorregion liegt. »Eine weitere Herausforderung entsteht, wenn noch nicht abbezahlte Gebäude genutzt werden«, sagt Peters.
Leichter fällt die Anpassung, wenn nicht alle Betriebsflächen gleich stark betroffen sind. »Die Flächen liegen teilweise auch in Moorrandbereichen und können nach der Wiedervernässung weiter semi-intensiv bewirtschaftet werden«, sagt Peters und räumt aber ein, »dass es noch sehr viele Fragestellungen gibt, die dringend regional spezifisch beantwortet werden müssen. Damit dürfen die Landwirte nicht alleine gelassen werden«. Das gelte nicht nur für den Gesamtbetrieb, sondern auch für die Fläche selbst. Was muss der Landwirt z.B. pflanzenbaulich beachten? Welche Gräser etablieren sich auf dem Schlag, nachdem der Grundwasserspiegel wieder gestiegen ist? Sind sie silierfähig und zur Verfütterung geeignet? »Die Zusammensetzung der Grünlandbestände wird sich zu futterbaulich weniger wertvollen Gräserarten hin entwickeln«, sagt Peters, »das macht eine intensive Milchproduktion dort schwierig«. Er kann sich eine extensivere Produktion mit Tieren, die einen geringeren Anspruch an die Futterqualität haben, wie z. B. Fleischrinderrassen, vorstellen. Natürlich ändern sich dann auch das Management und die Vermarktung. Dazu müsse ein Landwirt erst einmal bereit sein und es dann auch noch wirtschaftlich gestalten können.
Erfahrungen zur Anhebung des Grundwasserspiegels werden derzeit in verschiedenen Regionen und Projekten gesammelt. Ein Beispiel ist »Unsere Moor Zukunft Oldenburger Graben (UMZOG)«. Dessen Ziel ist die Entwicklung eines nachhaltigen Nutzungskonzepts für die Moorflächen des Oldenburger Grabens. Ein zentrales Anliegen des Projekts ist es, die landwirtschaftlichen Betriebe und Flächeneigentümer nicht zu den »Verlierern« potentieller politischer Maßnahmen zu machen, heißt es auf der Homepage. Stattdessen werde gemeinsam mit den Akteuren ein Plan entwickelt, der sicherstellt, dass sie durch alternative Nutzungsformen eine hohe Wertschöpfung erzielen können. Die betroffenen Akteure werden aktiv in die Planung und Umsetzung einbezogen, um tragfähige, wirtschaftlich attraktive Lösungen zu schaffen. Dies könnte ein richtiger Weg aus dem Dilemma der Landwirte sein. Allerdings bleibt der Knackpunkt der Honorierung.
Anreize für Freiwilligkeit setzen
»Die Beteiligung der Landwirte muss auf Freiwilligkeit basieren«, sagt Prof. Dr. Holger Thiele vom Fachbereich Agrarökonomie der FH Kiel, der auch in UMZOG mitarbeitet. »Dafür benötigen wir aber Anreizsysteme und Kompensationen, die das Mitmachen interessant machen. Das ist unsere Herausforderung in allen Moorprojekten, die wir derzeit wissenschaftlich begleiten«. Doch was sind die ökonomisch interessantesten Nutzungsalternativen? »In allen Projekten kam heraus, dass PV-Anlagen auf dem wiedervernässten Moor gut umzusetzen wären und die höchste Rendite für die Betriebe versprechen«, sagt Thiele. Das ist natürlich keine Pauschallösung für jeden Landwirt und auch nicht in allen Regionen möglich. Am Ende wird es auch Betriebe geben, welche die bisherige Bewirtschaftung einstellen. »Dabei haben wir uns u. a. angeschaut, wie sich die regionale Wertschöpfung verändert, wenn die Landwirtschaft sich aus den Moorstandorten teilweise und im Extrem ganz zurückzieht. Denn das wirkt sich auch massiv auf den dortigen vor- und nachgelagerte Bereich aus«, sagt Thiele.
Nach einer Moorwiedervernässung werden Eigentümer und Bewirtschafter noch stärker miteinander kooperieren müssen. »Beim UMZOG-Projekt geht es beispielsweise darum, die Moorflächen nach der Vernässung gemeinsam mit anderen Landwirten kooperativ zu nutzen«, sagt Thiele, z.B. soll dort neben einer PV-Zone, eine Zone für intensive bzw. extensive Milcherzeugung, eine Polderzone und eine für Windkraft geben. Ziel der gemeinsamen Nutzung muss sein, dass die Wertschöpfung bei der kooperativen Moornutzung höher ist als zuvor. Das ist ein bisschen wie bei einer Flurbereinigung mit Rückabwicklung der Moortrockenlegung«.