Milchproduktion Niederlande. Immer größer, immer intensiver?
Auch bei den Kühen belasten steigende Kosten, Flächenknappheit und hohe Umweltauflagen die Rentabilität. Trotzdem finden die niederländischen Milchviehhalter immer wieder Wege, sich zukunftsfähig aufzustellen. Wie schaffen sie das?
Die Milchviehhaltung der Niederlande wuchs extrem in Größe und Intensität. Die mittlerweile sinkende Anzahl der Betriebe (3 bis 4 % jährlich) fangen andere, wachstumswillige Landwirte durch das Aufstocken ihrer Herden nahezu auf. Durch das Größenwachstum war es den Landwirten möglich, ihr Einkommen bisher stabil zu halten. Ob das so bleiben wird, hängt stark von den politischen Vorgaben ab.
Die derzeit 14 000 Milchviehbetriebe machen den größten Teil der insgesamt etwas mehr als 50 000 landwirtschaftlichen Betriebe aus, wobei ihre Anzahl sinkt. Hauptsächlich betrifft dies Erzeuger mit weniger als 100 Kühen. Diese Größenklasse schrumpfte in 2022 um 8 %. Dagegen wuchs die Anzahl Betriebe, die über 100 Kühe melken um über 3 %, wobei ein Großteil davon sogar mehr als 200 Kühe melkt. Insgesamt werden 3,8 Mio. Rinder gehalten, davon sind 1,57 Mio. Milchkühe und 980 000 Stück Jungvieh als Nachzucht für die Milchproduktion. Der Rest teilt sich auf Fleischrinder (200 000) und Mastkälber (1 Mio.) auf. Seit den 90er Jahren steigt die Durchschnittsgröße der Bestände gleichmäßig und beträgt derzeit 110 Kühen. Auch die Milchleistung pro Kuh nimmt immer weiter zu. Im vergangenen Jahr gab eine Kuh durchschnittlich 9 200 kg Milch. Durch den Leistungszuwachs stieg auch die Milchproduktion pro Hektar Futterfläche von 9 500 kg/ha in 1990 auf über 16 250 kg/ha in 2023. Mehr als 80 % der Kühe haben Weidegang, eine Tradition in den Niederlanden. Gefördert wird dies noch durch Weidezuschläge auf den Milchpreis, wie sie beispielsweise die größte niederländische Molkerei, Friesland Campina, bezahlt.
Wie geht es künftig weiter mit der Milchwirtschaft?
Kurzfristig geht es für die meisten Betriebe darum, trotz der hohen Gülleentsorgungskosten weiter Milch produzieren zu können. Viele handeln derzeit nach dem Motto »abwarten und beobachten«, statt große strategische Entscheidungen zu treffen. Mittelfristig (2030 – 2035) gehen verschiedene Studien, unter anderem der Universität Wageningen, davon aus, dass all die Zielvorgaben und Aufgaben unmöglich umzusetzen sind, ohne die gesamte Tierproduktion zu kürzen. Die Wissenschaftler sind sich einig, dass das Größenwachstum der Milchviehbetriebe weitergehen wird. Wahrscheinlich wird parallel dazu aber auch eine extensivere/alternative Produktion wachsen.
Betriebsbeispiele, mit welchen Strategien sich niederländische Milchproduzenten zukunftsfähig aufstellen wollen, lesen Sie hier.
Wirtschaften auf engem Raum
Eine Besonderheit des Landes ist seine dichte Besiedelung. Die Bevölkerungsdichte liegt bei 5,3 Einwohner/ha. Zum Vergleich: In Deutschland leben 2,4 Personen/ha. Die Viehdichte liegt bei 1,45 GV/ha in den Niederlanden und 0,37 GV/ha in Deutschland. Das macht deutlich, dass es viele konkurrierende Ansprüche an die natürlichen Ressourcen gibt.
Milchindustrie und Exporte. Die Niederlande sind für ihren Käse weltweit bekannt. Aus etwa der Hälfte der knapp 14 Mrd. kg verarbeiteten Milch wird Käse hergestellt. Die Käseproduktion sank in 2022 um 1 % auf knapp 950 000 t (inklusive Frischkäse). Etwa 60 % des Käses werden zu Gouda.
Jährlich exportieren die Niederlande Milch und Milchprodukte im Wert von etwas über 10 Mrd. €. Hauptabnehmer (72 %) ist die EU.
Die politischen Rahmenbedingungen haben schon seit Langem einen großen Einfluss auf die niederländische Milchproduktion. Immer waren politische Vorgaben der limitierende Faktor für die Milchviehhalter. Die ersten Ausbringungsnormen für Gülle und das erste Ziel zur Reduzierung der Ammoniakemissionen (– 70 %) wurden schon vor über 35 Jahren eingeführt. Nachdem zunächst der Schwerpunkt der Auflagen vor allem auf der Reduzierung von Gülle (Stickstoff und Phosphat) lag, spielt die Nachhaltigkeit mittlerweile eine immer größere Rolle. Weitere Themen sind Tierschutz, Klima und Biodiversität. Auslöser dafür ist nicht alleine die Regierung, sondern die gesamte Wertschöpfungskette.
Besonders die »Derogation« belastet die Milchviehhalter derzeit immens
In den Niederlanden galt eine Ausnahmegenehmigung von der EU-Nitratrichtlinie. Es durften 250 bis 230 kg N/ha ausgebracht werden. Diese Menge wird bis 2026 auf 170 kg N/ha abgesenkt. Deshalb müssen die meisten Milchviehbetriebe (zusätzliche) Gülle entsorgen und gegebenenfalls weitere Lagermöglichkeiten schaffen, was hohe Mehrkosten verursacht. Wie die anderen Tierhalter sind auch die Milcherzeuger seit Jahren durch die Phosphatquote in ihrer Produktion eingeschränkt. Seit ihrer Einführung haben die Landwirte versucht, die Milchleistung pro Kuh noch weiter zu steigern und weniger Jungvieh aufgezogen. Als Ergebnis ist die nationale Milchproduktion gewachsen, trotz des Phosphatreduktionsplans.
Seit 2024 werden »Pufferstreifen« von 5 m entlang von Gräben vorgegeben, die nicht gedüngt werden dürfen. Darüber hinaus wurden die Gebiete ausgeweitet, in denen aufgrund der Wasserqualität das Ausbringen von Gülle und Dünger nur eingeschränkt erlaubt ist. Bisher waren davon 40 % der landwirtschaftlichen Flächen betroffen, nun sind es 60 %.
Die durch die Auflagen immer transparentere Produktion hat allerdings nicht nur Nachteile. Denn mittlerweile haben sämt-liche Milchviehbetriebe Kenntnis über ihren Nährstoffkreislauf, die Stickstoff- und Phosphatüberschüsse und ihren CO2-Fußabdruck. Der Staat hat zahlreiche Förderprogramme aufgelegt, beispielsweise um die Betriebe für Naturschutzmaßnahmen zu entlohnen oder auch für den Einbau von emissionsreduzierender Stallausstattung. Darunter fallen z. B. Stallbodensysteme, bei denen Urin und Feststoffe direkt im Stall getrennt werden.
Das Aufkaufprogramm der Regierung (zum Beitrag »Bezahlter Ausstieg im großen Stil«), um die Landwirte zum Ausstieg aus der Produktion zu bewegen, gilt natürlich auch für Milcherzeuger. Aus dem Programm werden Landwirte entschädigt, die zur Senkung von Stickstoffeinträgen in sensiblen Natura-2000-Gebieten die Tierhaltung dauerhaft aufgeben. In diesem Frühjahr wurden die Etats für die beiden Programme »LBV« und »LBV plus« um 602 Mio. € auf 1,10 Mrd. € beziehungsweise um 845 Mio. € auf 1,82 Mrd. € erhöht. Allerdings war das Interesse der Milchviehhalter an den Ausstiegsprogrammen sehr viel geringer als das der Schweinehalter. Auch in den Niederlanden wachsen die gesellschaftlichen Anforderungen auf die Tierproduktion. Das wird neben anderen Dingen in einigen heftigen Kampagnen von NGOs sichtbar. Die Milchproduktion gilt durch die Methanproduktion der Kühe als großer Verursacher von Treibhausgasemissionen. Das wird von Teilen der Öffentlichkeit kritisch gesehen. Außerdem sind auch die Moorgebiete, ein Standort vieler Milchviehbetriebe, ebenfalls eine große Quelle für Treibhausgasemission.