
Milchviehbetriebe Niederlande. Mit Vielfalt in die Zukunft
Auch in den Niederlanden gibt es zwischen den Milchviehbetrieben große Unterschiede in der Kostenstruktur und im unternehmerischen Erfolg. Unsere drei Beispiele zeigen, wie verschiedenartig sich die Betriebe aufstellen.
Selbstverständlich gibt es nicht nur einen Weg, um den Betrieb fit für die Zukunft zu machen. Und die Hürden dafür sind in den meisten Ländern nicht gerade gering. Da unterscheiden sich auch die niederländischen Milchviehbetriebe nicht allzu sehr von den deutschen. Die Probleme sind ähnlich, allerdings teilweise in einer anderen Dimension. Die Umweltauflagen und die Flächenknappheit sind Beispiele dafür.
Die Mitglieder der European Dairy Farmers haben sich auf ihrer Jahrestagung in Zwolle ein Bild über die Milchviehhaltung in unserem Nachbarland gemacht. Sie haben bei Betriebsbesichtigungen erfahren, wie niederländische Landwirte auf die politischen und wirtschaftlichen Hürden reagieren und mit welchen unterschiedlichen Strategien sie sich zukunftsfähig aufstellen. Wir stellen drei niederländische Beispiele vor.
Betrieb Haskerweide
»Unsere Leidenschaft gilt den Kühen und dem Erreichen optimaler wirtschaftlicher Ergebnisse. Wir haben durch den neuen Stall eine hohe Arbeitszufriedenheit erreicht und blicken zuversichtlich in die Zukunft«, sagen Jan und Sanne van der Zijl. Sie modernisieren und erweitern ihren Betrieb »Haskerweide« Schritt für Schritt. 2024 zogen ihre 250 Kühe in den neuen Stall, der einige Einbauten zur Emissionsminderung hat.
Die Maßnahmen werden kontinuierlich dokumentiert und analysiert, denn Familie Zijl nimmt an verschiedenen Forschungsprojekten teil. Beispielsweise werden der CH4- und NH3-Ausstoß gemessen. Von den Investitionskosten zur Emissionsminderung wurden zwischen 40 und 60 % der Anschaffungs- bzw. Baukosten gefördert.
Die Laufgänge haben einen speziellen Gummiboden. Eine Bewässerungsanlage sprüht Wasser darauf, nachdem ein Schieber sie abgezogen hat. Durch die Zugabe des Wassers zum Urin wird Ammoniak gebunden und die Emissionen reduziert. Das Verhältnis zwischen Wasser und Urin muss dabei 1 : 1 betragen. Alle 90 Minuten werden die Laufgänge mit einem Gülleschieber abgezogen.
Die flüssige und die feste Phase der Gülle werden im Stall getrennt. Der feste Bestandteil wird durch ein spezielles System auf 30 % Flüssigkeitsgehalt abgepresst. Dadurch soll ein lagerfähiger Mist erzeugt werden, der als Festmist ausgebracht wird. Der flüssige Bestandteil wird in einen abgedeckten Güllebehälter gepumpt, um keine CH4-Emissionen entweichen zu lassen.
Probleme gab es bislang durch eine durch das Stroh aus den Liegeboxen verstopfte Pumpe, die die Feststoffe transportieren sollte. Hier suchen die van der Zijls nach der optimalen Lösung und testen derzeit verschiedene Alternativen.
Besonders wichtig ist Sanne und Jan van der Zijl der Kuhkomfort im Stall. Der als Doppel-Zweireiher gebaute Stall hat eine sogenannte »Schwanz zu Schwanz- Aufstellung«. Die Boxenabtrennung besteht aus einem einfachen Holzbrett. Die Liegebox ist 1,20 m breit. »Für die Boxenlänge wurden uns 2,85 m empfohlen«, sagt Sanne van der Zijl. »Aber wir haben die Länge selbst berechnet: »Im alten Stall habe ich gemessen, wie weit die Kuh ihr Maul beim Aufstehen ausstreckt. Es waren über 3 m. Deshalb haben wir beschlossen, dass die Liegeboxen in unserem Stall jedenfalls an der Wandseite mindestens so lang sein müssen«. Die Kühe legen sich entspannt hin und stehen problemlos wieder auf. Eine ummantelte Kette fungiert als flexible Widerriststange. Rutscht eine Kuh versehentlich nach vorne durch die Liegebox, ist das kein Problem. Es wurde extra ein Laufgang, der vor der Liegebox verläuft, eingeplant, über den sie wieder zur Herde zurückgebracht werden kann.
Durch das gerade Liegen ist der hintere Bereich der Box nur wenig verschmutzt. So können die 250 Liegeboxen in 20 Minuten gesäubert werden. Einmal täglich streut ein Roboter die Boxen ein. Der Gummiboden dient nicht nur der Emissionsminderung, sondern verhindert auch Klauenprobleme.
Die Fütterung besteht aus einer Mischung aus Weidegang und TMR-Futter im Stall. Die Ration legt ein Lohnunternehmer einmal täglich vor, der auch noch andere Milchviehbetriebe in der Nachbarschaft anfährt. Die Vorteile liegen für Jan van der Zijl auf der Hand: Der Lohnunternehmer hat immer die modernste Technik, arbeitet zuverlässig und präzise und das hat dafür gesorgt, dass die Herdenleistung um mehr als 1 kg gestiegen ist.
Betrieb Baneman
Die Familie von Gerbert Krukerink bewirtschaftet den Betrieb »Baneman« in der vierten Generation, seit 2008 als spezialisierten Milchviehbetrieb. Derzeit werden 178 Kühe gehalten. Seit 2019 hat Gerbert Krukerink die Jungviehaufzucht ausgelagert. Ein Nachbarbetrieb hatte mit der Milchviehhaltung aufgehört und er nutzt nun die dort frei gewordenen Stallplätze. Der bisherige Betriebsinhaber kümmert sich um die Betreuung der Aufzuchtfärsen und ihre Besamung.
Der Betrieb arbeitet mit einer Drei-Rassen-Rotationskreuzung, um robuste, aber trotzdem hochleistende Kühe zu erhalten. 20 % der Kühe werden mit Fleischrasse-Bullen besamt (Black Angus bei Färsen und Belgian Blue bei Kühen). Die Milchleistung liegt bei 8 400 kg pro Kuh und Jahr.
Derzeit ist Gerbert Krukerink dabei, die Herde auf saisonale Abkalbung umzustellen, um Arbeitsspitzen aus dem Sommer in die Winterzeit zu verlagern, wenn weniger in der Außenwirtschaft zu tun ist. Aktuell baut Krukerink einen Stall für 36 trockenstehende Kühe, um die Ansprüche der Tiere nach mehr Platz und Komfort besser erfüllen zu können.
Insgesamt bewirtschaftet die Familie Krukerink 107 ha Flächen auf sandigem Boden. Leider gehört davon nur ein Drittel der Familie Krukerink. Doch es ist schwierig und teuer, in der Fläche zu wachsen. Nahezu die gesamte bewirtschaftete Fläche ist Grünland. Dazu kommen einige Hektar Mais. In der Weidesaison gehen die Kühe acht Stunden täglich auf Rotationsweiden und das Jungvieh bleibt dauerhaft auf zwei zwölf und dreißig Hektar großen Flächen. Die Kühe werden zusätzlich mit frischem Gras im Stall gefüttert.
Derzeit befindet sich der Betrieb in der Umstellungsphase zur Biozertifizierung. Ein Grund für die Umstellung war für Krukerink der Wegfall der Derogation. Die 170 kg N-Grenze gilt bei der Ökoproduktion schon länger. Dazu kommt der bessere Milchpreis, den Friesland Campina für Biomilch zahlt, so kann der Betrieb auch künftig seine Wirtschaftlichkeit stabil halten. Außerdem gibt es natürlich auch in den Niederlanden den Trend, dass die Gesellschaft mehr Bioprodukte fordert. Allerdings steigt die Bioproduktion derzeit kaum. Das ist insofern ein Vorteil, dass Krukerink problemlos Abnehmer für seine Biogülle findet. Müsste er die Gülle an konventionelle Betriebe abgeben, würde ihn das 20 €/m3 kosten.
Um die Biodiversität des Betriebes zu steigern, hat Krukerink Strauchhecken um einen Teil seiner Weideflächen gepflanzt. Sie erhöhen nicht nur die Artenvielfalt und verschönern das Landschaftsbild, sondern sie haben noch eine weitere Funktion: Das Anpflanzen der Hecken ist Teil des »Houtal 2.0-Projekts« zu dem u. a. Forscher der Universität Wageningen gehören. Krukerink wählte dafür Standorte, die ihn nicht zu viel Produktionsfläche kosteten, z. B. entlang von Gräben und zwischen vorhandenen Bäumen. Die Hecken stehen teilweise neben Treibewegen, an denen die Kühe mehrmals täglich vorbeilaufen. Die gepflanzten Sträucher sind sogenannte »Futterhecken«, also Arten, die von Rindern gefressen werden. Dabei handelt es sich häufig um heimische Gehölze, z. B. Erle, Weide, Hainbuche oder Hasel. Neben Artenvielfalt, Landschaft Tierschutz und als Beschäftigungsmaterial für die Kühe sind Hecken auch für das Klima wichtig. Sie dienen z. B. als CO2-Speicher, aber auch als Feinstaub-, Ozon- und Stickoxid-Abscheider. Zudem dämpfen sie starke Temperaturanstiege. Das Projekt wird aus dem Aktionsplan der Provinz für naturverträgliche Landwirtschaft Gelderland finanziert.
Familie Dinkelman
Der Betrieb von Edwin Dinkelman und seiner Familie befindet sich in einer relativ zersiedelten Milchviehregion mit eher kleineren Flächen. Dinkelmans Ziel ist es, genug Milch mit einem einfach organisierten und strukturierten Betrieb zu erzeugen und immer zu den Top 25 % der Milchproduzenten zu gehören. Grundlage dafür sind das Leistungsvermögen der Kühe, die hohe Arbeitsproduktivität in einem guten Umfeld und die Möglichkeit, durch die Gülleaufbereitung die Strategie »high input – high output« weiterzuverfolgen.
Der Milchviehstall bietet derzeit Platz für 230 Kühe, bis Ende 2024 sollen es 250 Plätze sein. Ein Teil des Jungviehs wird von einem Vertragspartner aufgezogen. Die Kühe produzieren 10 400 kg ECM/Kuh im Durchschnitt bei einem hohen Eiweiß- und Fettgehalt (4,58 % und 3,73 %) und einer sehr effizienten Futteraufnahme. Die Abgangsrate der Herde ist sehr niedrig. Der Betrieb hat ein 22 Plätze fassendes Melkkarussell. Eine Melkzeit täglich melken Aushilfskräfte, die andere übernehmen Familienmitglieder.
Die meisten Außenarbeiten erledigt ein Lohnunternehmer. Auf den nur 70 ha Flächen mit sandigem Boden werden zu 80 % Gras und zu 20 % Silomais (in Rotation mit Kartoffeln) angebaut.
Durch verschiedene Investitionen will Familie Dinkelman die Stickstoffemissionen des Betriebes um die Hälfte zu senken. Dieses Ziel erreiche er noch in diesem Jahr, ist sich Dinkelman sicher. Durch die Investitionen möchte er auch das Tierwohl verbessern und durch einen Stallanbau sind 90 neue Kuhplätze entstanden. Die Hochboxen sind mit flexiblen Boxenbügeln und Matratzen ausgestattet. Aktuell wird ein Trockensteherstall gebaut, der einen Liegeboxenbereich und eine große Strohfläche haben wird.
Die hohe Flächenproduktivität von über 30 000 kg Milch/ha ist gut für die Profitabilität, aber stellte den Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorgaben auch vor Herausforderungen.
Mit einer Biogasanlage soll die Methanemission reduziert und gleichzeitig erneuerbare Energie erzeugt werden. Ein sogenannter »Stickstoff-Stripper« soll künftig die Ammoniak-Emissionen verringern und durch das »Eindampfen« der festen Phase der Gülle kann diese separat abgegeben und so das »Güllekonto« des Betriebes entlastet werden. Die Gülle fließt im unterkellerten Stall im Slalomsystem in einen giebelseitigen Querkanal. Von dort aus wird sie stündlich mit einem Schieber in eine separate Vorgrube geschoben, gemixt und dann in die Biogasanlage gepumpt. Die nachfolgende Aufbereitung der Gärreste ist ein komplexes Verfahren in drei Stufen: vom Vergären zur Energiegewinnung über das Separieren in fest und flüssig bis zum Ausfällen des Ammoniaks. Im Ergebnis werden die Emissionen reduziert und der Stickstoffanfall, der im Betrieb verbleibt, um 50 % gesenkt.
Familie Dinkelman hat sich unter anderem für diese Investition entschieden, weil ihr Betrieb zur Finanzierung des gesamten Entwicklungsschritts eine finanzielle Förderung (etwa 30 %) bekommen hat.