
SINS bei Saugferkeln – ohne Folgen für den Kupierverzicht
Bereits bei der Geburt weist ein erheblicher Anteil der Ferkel nekrotische Veränderungen an peripheren Körperteilen auf – auch bekannt als Entzündungs- und Nekrosesyndrom beim Schwein (SINS). Welche Bedeutung hat dieses Phänomen für die weitere körperliche Unversehrtheit in der Säugezeit und der Aufzucht?
Am Lehr- und Versuchsgut (LVG) Köllitsch wurden insgesamt 4 024 Ferkel (Viktoria x 77er Pietrain-Eber) direkt nach der Geburt und zum Ende der Säugezeit gewogen und im Hinblick auf entzündliche bzw. nekrotische Veränderungen an Schwanz, Kronsaum, Ballen, Zitzen und Vulva untersucht und bewertet (Befundkategorien 1 bis 4). Bei etwa 84 % aller Tiere wurde nach dem ersten Lebenstag der Schwanz kupiert, 644 Ferkel (16 %) blieben zur weiteren Bonitur in der Ferkelaufzucht unkupiert. In der Aufzuchtphase wurden die Tiere drei- bis viermal hinsichtlich auftretender Schwanzverletzungen und -nekrosen bewertet.
Der Anteil untersuchter Ferkel mit nekrotischen Veränderungen zum Zeitpunkt der Geburt ist hoch (Grafik). Die Ursache wird in einer Darmträgheit (Koprostase) der Sau unmittelbar vor der Geburt gesehen. Die dabei entstehenden Endotoxine erreichen über das Blut die Föten. Die Neugeborenen zeigen in der Folge nekrotische Veränderungen an verschiedenen Körperteilen gleichzeitig. Besonders stark betroffen sind die Fußballen mit 75 %, vergleichsweise selten waren Veränderungen der Schwanzregion mit nur 16 % aller lebend geborenen Ferkel. Im Mittel über alle bonitierten Körperregionen sind 37 % der Ferkel von nekrotischen Veränderungen betroffen. Am Ende der Säugezeit werden aber nur noch bei 9 % aller Ferkel SINS-Symptome festgestellt.
Eine hohe SINS-Belastung nach der Geburt bedeutet nicht, dass diese Ferkel auch in der Aufzucht betroffen sind. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Geburtsgewicht und dem Vorkommen nekrotischer Veränderungen: Während die Ballen, der Kronsaum, die Vulva und auch die Zitzen eine besser Bewertung bekommen, je leichter die Ferkel geboren werden, ist es bei der Bonitur des Schwanzes nicht so. Durch die bessere intrauterine Blutversorgung sind schwere Neugeborene stärker durch im Darm ihrer Mütter entstehende Endotoxine belastet und vorgeschädigt. Alle nekrotischen Veränderungen wachsen sich innerhalb der Säugezeit jedoch wieder aus und beeinflussen währenddessen die Zunahmen nicht negativ. Im Gegenteil, die Ferkel wachsen ihrem höheren Geburtsgewicht entsprechend besser, obwohl sie stärker vorgeschädigt sind.
In der Aufzucht sieht das anders aus. Von den 644 nicht kupierten Ferkeln erreichen 433 (69 %) das Ende der Aufzucht ohne Verletzungen durch Schwanzbeißen und 373 Ferkel (60 %) ohne Verletzungen durch Schwanznekrosen. Ferkel, die in der Aufzucht ernsthafte Schwanzverletzungen entwickeln, haben nur durchschnittliche Geburtsgewichte und waren somit nicht überproportional von Nekrosen nach der Geburt betroffen. Sie erreichen trotzdem weit überdurchschnittliche Säugezunahmen und Einstallgewichte in die Aufzucht. Möglicherweise aufgrund einer besseren genetischen Veranlagung haben sie so gute Zunahmen und überholen Wurfgeschwister mit besseren Voraussetzungen (Geburtsgewicht). Die hohe Fressmotivation setzt sich dann mit hohen Futteraufnahmen in der Aufzucht fort, was den Darm überfordert und zu Nekrosenausbildung führt.
Fazit. Es ist wahrscheinlicher, dass unerwünschte und offensichtlich leistungs- und tierschutzrelevante Nekrosen bei Aufzuchtferkeln mehr mit der Darmgesundheit der Ferkel als mit der ihrer Mütter vor der Geburt zu tun haben. Das Futteraufnahmeverhalten ist der Schlüssel zur Lösung des Problems.