
Nestbaumaterial. Stroh gegen Erdrückungsverluste
Vor der Geburt müssen Sauen Zugang zu organischem Nestbaumaterial haben. Stroh meiden dabei allerdings viele Betriebe – nicht zuletzt aus arbeitswirtschaftlichen Gründen. Aber das Stroh kann durchaus Ferkelverluste reduzieren, zeigen Johann Wahmhoff und Imke Traulsen.
Nestbau ist ein genetisch verankertes Verhalten, welches Sauen auch in einer Abferkelbucht zeigen, so sie entsprechendes Material zur Verfügung haben. Es hat eine wesentliche Bedeutung für den Geburtsverlauf. Die Nutztierhaltungsverordnung verpflichtet Sauenhalter daher, organisches Material vor der Geburt anzubieten. Möglich sind dabei neben den häufig gewählten Jutesäcken auch Stroh oder Heu. Letztere verursachen Mehrarbeit und viele Betriebsleiter sorgen sich um Probleme mit den Überresten im Güllekanal. Dabei kann Stroh auch positive Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Ferkelproduktion haben.
Nestbauverhalten fördert Mütterlichkeit
Die Möglichkeit, Nestbauverhalten auszuüben, fördert die Mütterlichkeit. Frühere Untersuchungen haben bereits einen Einfluss von Nestbaumaterial auf das Verhalten der Sau und ebenso auf die Ferkelverluste gezeigt. Beobachtet wurde unter anderem ein gesteigerter Oxytocingehalt im Blut, welcher zu einem stärker ausgeprägten mütterlichen Verhalten und einer besseren Versorgung der Ferkel führte. Das könnte der Grund für geringere Ferkelverluste sein. Die im Folgenden vorgestellte Studie untersucht den Einsatz von organischem Nestbaumaterial in der konventionellen Sauenhaltung. Außerdem sollten Effekte auf das Erdrückungsgeschehen geprüft werden.
Praxisversuch
Durchgeführt wurde die Untersuchung im Rahmen des BMEL-geförderten Projekts ZISSAU auf einem landwirtschaftlichen Praxisbetrieb in Nordrhein-Westfalen. Der Betrieb hält 150 Sauen im 5-Wochen-Rhythmus in Bewegungsbuchten mit einer Grundfläche von 7 m². Die Buchten entsprechen den neuen gesetzlichen Standards. Eine Fixierung der Sauen erfolgte zwei Tage vor dem geplanten Geburtstermin bis etwa eine Woche nach der Geburt.
Organisches Nestbaumaterial stand den Tieren der Versuchsgruppe ab dem 112. Trächtigkeitstag bis zur Geburt uneingeschränkt zur Verfügung. Dazu war in jeder Abferkelbucht eine Raufe angebracht. Morgens wurden 120 g Stroh/Sau gegeben. Sofern die Raufen am späten Nachmittag weniger als zu einem Drittel gefüllt waren, wurden weitere 120 g Material nachgefüllt. Die Sauen der Kontrollgruppe erhielten einen Jutesack pro Tier, um Nestbauverhalten ausüben zu können.
Für die Bestimmung der täglichen Verbrauchsmengen an Nestbaumaterial wurden die Reste in den Raufen jeden Morgen gewogen. Neben einer Erfassung der Produktionsdaten und Videoaufzeichnungen erfolgte täglich bis zum dritten Tag nach der Geburt eine Aufzeichnung der Erdrückungsverluste. Zusätzlich wurden die Gesamt-Erdrückungsverluste am Ende der 28-tägigen Säugeperiode aus den Sauenkarten entnommen. Für die Untersuchung wurden Daten von Sauen bis zum 6. Wurf ausgewertet, die zwischen dem 114. und 118. Trächtigkeitstag abgeferkelt haben. Insgesamt waren das 138 Abferkelungen (Stroh: n = 67, Jutesack: n = 71).
Die Ergebnisse
Die Erdrückungsverluste in den ersten drei Tagen waren nur halb so hoch. Die durchschnittliche Anzahl lebend und tot geborener Ferkel war in den beiden Gruppen vergleichbar (Kontrolle: 15,7/0,9 Ferkel pro Wurf, Stroh: 15,1/0,9 Ferkel pro Wurf). Im Hinblick auf die Erdrückungsverluste konnten deutliche Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen festgestellt werden. Während innerhalb der ersten drei Tage nach der Geburt in der Kontrollgruppe im Durchschnitt 6,2 % der lebend geborenen Ferkel pro Sau erdrückt wurden, waren es in der Strohgruppe 3,3 % (Grafik). Auch bei den gesamten Erdrückungsverlusten am Ende der Säugeperiode lag die Strohgruppe (5,9 %) etwa 1,5 Prozentpunkte unter den Erdrückungsverlusten in der Kontrollgruppe (7,4 %). Außerdem traten in der Kontrollgruppe gut 83 % der Erdrückungsverluste innerhalb der ersten drei Tage nach der Geburt auf. In der Strohgruppe gab es in diesem Zeitraum nur etwa 59 % der Erdrückungen. In beiden Versuchsgruppen lag der Anteil dieser Verluste an den Gesamtverlusten in etwa bei 50 %.
Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die Vorlage von organischem Nestbaumaterial in Form von Stroh einen deutlich positiven Effekt auf das Auftreten von Erdrückungsverlusten hat. Besonders auffallend sind die niedrigen Verluste innerhalb der ersten Tage nach der Geburt in der Strohgruppe.