
Futteraufnahme. Sau ist nicht gleich Sau
Laktierende Sauen ausreichend zu versorgen – das ist nicht ganz einfach. Zudem unterscheidet sich die Futteraufnahmekapazität von Rasse zu Rasse deutlich, zeigt Steffen Hoy.
Je besser Sauen in der Laktation fressen, desto weniger Probleme gibt es in der folgenden Trächtigkeit. Das Kunststück ist allerdings, die gewünschte hohe Futteraufnahme auch tatsächlich zu realisieren. Es stellt sich auch die Frage: Wie groß ist eigentlich das Futteraufnahmevermögen der unterschiedlichen genetischen Herkünfte? Bisher wurden rassespezifische Fütterungsempfehlungen nur durch die Zuchtunternehmen ausgesprochen. Vergleiche verschiedener Rassen unter denselben Umweltbedingungen (im selben Stall) gibt es kaum. Daten der Uni Gießen schließen diese Lücke.
Knapp 2 000 Laktationen ausgewertet. In der 2014 neu erbauten Sauenzuchtanlage der Universität Gießen auf dem Oberen Hardthof werden tägliche Futterverbrauchsdaten der laktierenden Sauen erfasst (Kasten). Die Ration orientiert sich an den DLG/GfE-Empfehlungen für säugende Sauen, es wird dreimal pro Tag gefüttert. In der hier vorgestellten Auswertung wurden die Futtermengen von insgesamt fast 2 000 Sauen/Laktationen zwischen 2015 und 2023 berücksichtigt. Die Sauen waren überwiegend reinrassige Landrasse- (L, 294 Würfe) oder Edelschwein-Tiere (E, 295 Würfe) oder Kreuzungen aus beiden (L x E, E x L, 1 146 Würfe) und repräsentieren somit moderne Hybridsauen. Reinrassige Pietrain- (Pi, 122 Würfe) und Duroc-Sauen (Du, 84 Würfe) wurden in geringerer Stückzahl ebenso untersucht.
Vom ersten bis zum 26. Säugetag stieg die aufgenommene Futtermenge der Sauen kontinuierlich an. Am Tag nach der Abferkelung betrug die Futteraufnahme im Mittel aller Sauen 1,75 kg. Bis zum 26. Säugetag erhöhte sie sich auf 8,58 kg. Die Futteraufnahmekurve flachte in der dritten und vierten Säugewoche deutlich ab. Mit durchschnittlich über 8 kg Futter je Tag in der letzten Säugewoche ist es somit möglich, durch das dreimal tägliche Füttern eine größere Futtermenge in die Sauen »hineinzubekommen« als in vielen Betrieben bei zweimaliger Fütterung.
Im Mittel der gesamten Säugezeit traten zwischen den Sauen der »weißen Rassen« Landrasse (5,86 kg) und Edelschwein (5,77 kg) und ihren Hybriden L x E bzw.
E x L (5,87 kg) kaum Unterschiede im täglichen Futterverzehr auf. Demgegenüber fraßen die Sauen der »bunten Rassen« deutlich weniger: Pietrain-Sauen
5,16 kg/Tag und Duroc-Sauen 5,54 kg/Tag (Grafik 1). Das Gewicht der Sauen am dritten Tag nach der Abferkelung als möglicher Einflussfaktor unterschied sich bei den »weißen Rassen« und Duroc nicht (242 bis 248 kg im Mittel). Die Pietrain-Sauen waren zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich 225 kg schwer und damit deutlich leichter.
Interessant ist, dass es in den ersten beiden Säugewochen noch keine statistisch nachweisbaren Unterschiede in der täglichen Futteraufnahme zwischen »weißen« und »bunten« Rassen bzw. Hybriden gab. In der ersten Laktationswoche waren die Werte bei L- und E-Sauen und deren Kreuzungen mit 3,07 kg bzw. bei den Duroc-Sauen mit 3,05 kg nahezu identisch (Übersicht). Die Pietrain-Sauen fraßen sogar etwas mehr Futter (3,31 kg).
In den Folgewochen fielen die Pi-Sauen in der Futteraufnahme zurück. In der dritten und vierten Woche nach der Abferkelung wurden die Unterschiede zwischen den Genotypen nachweisbar, und die Sauen der »weißen Rassen« nahmen 1,26 kg bzw. 1,51 kg Futter mehr pro Tag auf als Pietrain-Sauen. Gegenüber den Duroc-Sauen betrug der Unterschied zugunsten der »weißen« Sauen in der 3. bzw. 4. Laktationswoche 0,43 kg bzw. 0,86 kg/Tag.
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Im Sommer war eine um fast 1 kg geringere tägliche Futteraufnahme nachweisbar. Durch eine Verknüpfung der Säugezeiten mit der Jahreszeit lässt sich die bekannte Abhängigkeit der Futteraufnahme von der Außentemperatur eindrucksvoll quantifizieren. Im Herbst und Winter betrug die mittlere tägliche Futteraufnahme 5,99 bzw. 6,09 kg. Bei hoher Außentemperatur im Sommer ging die Futteraufnahme um fast ein Kilogramm auf 5,25 kg zurück. Im Frühjahr verzehrten die Sauen an jedem Säugetag durchschnittlich 5,86 kg.
Die Futteraufnahme ist bei Altsauen erst ab der zweiten Säugewoche höher. In der Zusammenfassung aller betrachteten Genotypen nahmen Jungsauen (560 Säugezeiten) zwischen dem 1. und dem 26. Säugetag durchschnittlich 5,4 kg Futter auf. Altsauen (1 381 Säugezeiten) fraßen täglich im Mittel der Laktation 0,39 kg mehr, nämlich 5,79 kg/Tag. Lediglich in der ersten Säugewoche gab es keinen Unterschied in der täglichen Futteraufnahme zwischen Jung- und Altsauen. Bereits ab der zweiten Laktationswoche fraßen die älteren Sauen signifikant mehr Futter pro Tag als die Erstlaktierenden. In der dritten Woche betrug die Differenz etwa ein halbes Kilogramm zugunsten der Altsauen und in der letzten Laktationswoche nahmen diese jeden Tag über 1 kg mehr als die Jungsauen auf (Übersicht S. 54). Neben dem Einfluss der Jahreszeit bzw. der Temperatur muss demzufolge bei der Futteraufnahme der Sauen im Abferkelstall auch die Parität bzw. das Alter der Sauen berücksichtigt werden.
Technik nutzen, um das Potential auszuschöpfen
Der Abferkelbereich auf der Forschungsstation Oberer Hardthof ist mit einer Spotmix-Fütterungsanlage (Fa. Schauer) ausgestattet. Damit kann die tägliche Futtermenge für jede Sau im Abferkelstall dosiert und erfasst werden. So war es möglich, den Futterverbrauch für jeden einzelnen Säugetag bei über 1 900 Würfen zu analysieren. Die in der Spotmix-Anlage hinterlegte Futterkurve lässt sich täglich für jede einzelne Sau anpassen. Über einen Trogsensor wird der Füllstand kontrolliert. Treten Futterreste auf, wird die nachfolgende Futterportion reduziert. Andernfalls wird die nächste Rationsmenge etwas angehoben. Mit der Anlage kann somit nahe am tatsächlichen Bedarf der Sauen gefüttert werden. Nach Inbetriebnahme ließ sich diese automatische Dosierung mit der Futtergabe auf Basis täglicher Trogbonituren durch das Stallpersonal vergleichen. In allen vier Säugewochen wurde mithilfe des Sensors eine größere Futtermenge als im »Handbetrieb« ausdosiert. In den ersten drei Wochen war der Unterschied gering, in der 4. Woche nahmen die Sauen mit Sensorsteuerung pro Tag etwa 0,6 kg mehr Futter auf. Seither wird routinemäßig der Sensor zur Dosierung eingesetzt.
Bis zum 10. Säugetag gab es keine Unterschiede in der täglichen Futteraufnahme zwischen den »weißen« und den beiden »bunten« Rassen (Grafik 2). Die Futteraufnahmekurve verlief darüber hinaus bis zum 15. Laktationstag ohne Differenz zwischen den Landrasse- und Edelschwein-Sauen sowie ihren Kreuzungen auf der einen und den Duroc-Sauen auf der anderen Seite. Nach diesem Zeitpunkt fraßen die L- und E-Sauen und ihre Hybride deutlich mehr pro Tag als die Pi- und Du-Sauen. Am Ende der dritten Säugewoche war der Vorteil der weißen Sauen auf etwa 1 kg/Tag gegenüber den Duroc- und 1,7 kg im Vergleich zu den Pi-Sauen angewachsen. Am 26. Laktationstag fraßen die weißen Sauen täglich durchschnittlich 1,5 kg mehr als die bunten. Grundsätzlich können diese in der Praxis nachgewiesenen Futterkurven als Orientierung für die Fütterung in den meisten Sauenzucht- bzw. Ferkelerzeugerbetrieben dienen.
In Summe nahmen die Landrasse- und Edelschwein-Sauen und ihre Kreuzungen 157,5 kg Laktationsfutter in der durchschnittlich 26-tägigen Säugezeit auf. Damit war die Futteraufnahme insgesamt um 17,5 kg höher als bei den Pietrain-Sauen und um fast 10 kg höher als bei den reinrassigen Duroc-Sauen.
Die Versorgungsempfehlungen von GfE und DLG für säugende Sauen sehen bei einer Wurfgröße von elf bis zwölf abgesetzten Ferkeln und einem Wurfzuwachs von 2,5 kg pro Tag im Mittel der Säugezeit eine tägliche Energieversorgung von 81 MJ ME bei Jungsauen und 85 MJ ME bei Altsauen vor. Bei einem Säugefutter mit 12,5 MJ ME/kg, wie es auch am Oberen Hardthof gefüttert wird, müssten Altsauen pro Tag demnach 6,8 kg Futter aufnehmen (gerechnet vom Abferkeltag bis zum 26. Säugetag). Auf dem Oberen Hardthof ist die mittlere Futteraufnahme mit 5,7 kg pro Säugetag somit geringer als empfohlen. Der Gewichtsverlust der Sauen während der Säugezeit ist nachweislich moderat (7,3 kg netto = Differenz zwischen dem Gewicht drei Tage nach der Abferkelung und dem Gewicht beim Absetzen der Ferkel). Es wurden 11,7 Ferkel im Mittel der letzten zehn Jahre abgesetzt und die Trächtigkeitsrate liegt mit über 95 % auf einem sehr hohen Niveau. Nachteile der etwas geringeren Futteraufnahme können demzufolge nicht erkannt werden – zumal über das Fütterungssystem nahe am tatsächlichen Aufnahmevermögen der Sauen gefüttert wird.