Südafrika. Zwischen Hightech und Handarbeit
Subsistenzwirtschaft und Haupterwerbsbetriebe, hohe Spezialisierung und möglichst naturnahe Bewirtschaftung – die Landwirtschaft in Südafrika ist von Gegensätzen geprägt. Matthias Mahrenholtz berichtet über die Gegebenheiten vor Ort.
Wandile Shilobo ist Agrarwissenschaftler und Chefvolkswirt der Landwirtschaftskammer Südafrikas (Agbiz). Er ist in beratender Funktion als Mitglied des Wirtschaftsbeirats von Präsident Ramaphosa tätig. Sihlobo teilt Südafrika in zwei verschiedene Arten der Landwirtschaft auf. Auf der einen Seite die »commercial farmers« und auf der anderen die »Subsistenzbetriebe«. »Commercial farmers« würden wir übersetzen mit Haupterwerbsbetriebe. Diese bewirtschaften von den rund 100,67 Mio. ha landwirtschaftlicher Fläche gut 81 %. Die restliche LF von 18,67 Mio. ha entfällt auf die Subsistenzwirtschaften. Die Zahl der kommerziellen Betriebe wird mit ca. 36 000 angegeben, während rund 3 Mio. Farmer Subsistenzwirtschaft betreiben. Wir haben uns auf unserer Studienreise auf die kommerziellen Betriebe beschränkt. Dabei haben wir zwei der insgesamt neun Provinzen bereist.
Start der Reise war Johannesburg. Keine Autostunde entfernt liegt Pretoria, die administrative Hauptstadt Südafrikas. Daneben gibt es mit Kapstadt die legislative und mit Bloemfontein die judikative Hauptstadt. In Pretoria trafen wir zunächst auf Corné Louw und Dr. Theo de Jager. Corné Louw ist Agrarökonom bei der Grain SA, einem Farmerverband für Getreideanbauer. Schnell haben wir begriffen, dass die Landwirtschaft in Südafrika vielfältig organisiert ist. Es gibt verschiedenste Organisationen und Verbände, Grain SA ist eine davon und fördert die Produzenten von Weizen, Gerste und Hafer; aber auch von Mais, Körnersorghum, Sojabohnen, Sonnenblumen und Erdnüssen. Dr. de Jager ist Präsident der Weltbauernorganisation (Farmers Major Group) und ehemaliger Präsident verschiedener Farmers Unions Südafrikas.
Südafrika teilt sich in drei Klimazonen auf mit sehr unterschiedlichen Jahresniederschlägen. Im Nordosten fallen bis zu 1000 mm, im Süden 400 – 450 mm, während der Nordwesten von Trockenheit geprägt ist. Dort regnet es nur 100 mm im Jahr. Das Anbauspektrum variiert in den einzelnen Regionen. Hauptsächlich angebaut werden Weizen, Gerste, Mais, Sorghum, Raps, Sojabohnen, Trockenbohnen, Sonnenblumen, Erdnüsse und Süßlupinen. Das Ertragspotential liegt bei Weizen bei 3,5 – 4 t/ha, Gerste 2,5 – 4,0 t/ha, gelber Mais 5 – 7,5 t/ha, Sorghum 1,5 – 4,5 t/ha und bei Raps bei 1,2 – 2,3 t/ha.
Provinz Gauteng
Die Provinz Gauteng liegt im Norden des Landes und befindet sich auf einer Höhe von 1 200 bis 1 800 m über dem Meeresspiegel. Im Februar herrscht dort Regenzeit, die Temperaturen lagen um die 17/18 °C. Gauteng beheimatet ein Hochplateau mit fruchtbaren Ackerböden, genauso aber auch Hanglagen mit Grün- und Buschland.
Für die allermeisten unserer Reisegruppe vollkommen neu war der Ansatz der Halali Farm an der Westgrenze der Provinz Gauteng. Hier wirtschaftet das junge Ehepaar Schlotfeldt in fünfter Generation auf 1 500 ha Grün- und Buschland – mit einer eigenen Philosophie. Um die schwer zu bewirtschaftenden, hügeligen Flächen nicht zu übernutzen, weiden Rinder und heimisches Wild wie Giraffen und Steinböcke auf derselben »Weidefläche«. Während die Rinder das Gras kurz halten, ist es die Aufgabe der Giraffen, die Büsche und Bäume von oben zu befressen, damit ein schattenspendendes Blätterdach entsteht. Die Schlotfelds möchten eine möglichst naturnahe Form der Landwirtschaft implementieren und zugleich einen möglichst hohen ökonomischen Nutzen aus ihrer Farm ziehen. Die Vermarktung des Rindfleisches stellt die tragende Säule dar. Auf der Halali Farm haben wir auch ein paar Dinge abseits der Landwirtschaft erfahren. Für die Farmer dort ist es selbstverständlich, eigene Wehren sowohl zur Sicherheit als auch zum Feuerschutz mit Nachbarn in der Region zu organisieren. Die lokale Polizei und Feuerwehr sind nicht immer schnell genug vor Ort.
In den folgenden Tagen führte uns unser Weg zu sehr unterschiedlichen, größeren Betrieben, angefangen mit der Terra Aqua Farming. Hier wird auf einer Fläche von rund 3 300 ha hochprofessionell Ackerbau betrieben. Die Flächen sind völlig eben mit einem hohen, roten Lehmanteil. Gut 20 % befinden sich unter Beregnung. Auf diesen Flächen werden Kartoffeln, weißer Mais, Zuckermais sowie weiße und grüne Bohnen für die Nahrungsmittelproduktion erzeugt. Auf den übrigen 80 % werden weißer und gelber Mais, Sojabohnen und weiße Bohnen angebaut. Die Kartoffeln finden ihren Weg in den Tiefkühl-Chipsmarkt. Der weiße Mais landet im menschlichen Verzehr. Der Zuckermais geht in die Konserven- sowie Tiefkühlweiterverarbeitung. Die weißen Bohnen gehen zu Konserven-, die grünen Bohnen in Tiefkühlfabriken.
Precision Farming wird als Baustein genutzt. Der sehr gut gemanagte Betrieb befindet sich seit Jahren auf Wachstumskurs und setzt auch für die Zukunft auf weitere Flächenakquise. Neben dem Ackerbau wird eine kommerzielle Rinderhaltung mit Mutterkühen betrieben. Die Kälber werden mit etwa 240 kg an Mastbetriebe verkauft.
Nach Terra Aqua Farming folgte ein Besuch bei Greenway Farms Rugani Juice. Gegründet wurde das Unternehmen Ende der 1980er Jahre. Angefangen auf 20 ha Ackerland versorgt das Unternehmen heute den südafrikanischen Markt mit Frischmöhren und Möhrensaft. Über die Jahre wurde die landwirtschaftliche Möhrenerzeugung auf verschiedene Regionen Südafrikas ausgeweitet, um die Versorgung des Landes rund ums Jahr mit Frischmöhren sicherstellen zu können. Wir haben die Möhrenfabrik besichtigt. Hier wird der größte Anteil zu Frischmöhren als Beutelware verarbeitet und verpackt. Aus dem kleineren Anteil der Möhren wird hochpreisiger Möhrensaft hergestellt. Die Möhren werden innerhalb einer Stunde geerntet, gewaschen, verpackt und auf 2 °C gekühlt. So können diese vier Wochen gelagert werden.
Die entscheidende Weichenstellung liegt 30 Jahre zurück. Die beiden Firmengründer Vito Rugani und Vincent Sequeira stellten damals ihre Philosophie völlig um. Weg von einer großen Palette, hin zu einer Spezialisierung auf wenige Gemüseerzeugnisse mit dem Hauptstandbein Möhren, weg von billigen hin zu qualifizierten Arbeitskräften, weg von alter hin zu moderner Technik. Diese Umstellung ebnete den Weg für den Erfolg und das Wachstum des Unternehmens.
Der Wohlstand wächst
Südafrika ist ein wirtschaftlich aufstrebendes Land, in dem sich das Leben der Menschen allerdings zur selben Zeit auf die Stufen 1 (bitterarm) bis 4 (unser Einkommensniveau) verteilt (nach Prof. Hans Rosling, Factfulness, 2018). In fast allen Ländern der Welt wächst der Volkswohlstand. Der Übergang erfolgt stufenweise. Dies konnten wir in Südafrika par excellence beobachten. Die früher (und heute leider immer noch gebräuchliche) Kategorisierung in Erste und Dritte Welt trägt der Entwicklung nicht genügend Rechnung.
Ebenso wie die Bundesrepublik ist Südafrika eine parlamentarische Demokratie. Im Unterschied zu uns ist der Präsident zugleich auch der Regierungschef. Seit Februar 2018 ist Cyril Ramaphosa vom African National Congress (ANC) Präsident und Regierungschef. Südafrikas Landfläche ist mit 1,22 Mio. km2 knapp 3,5-mal so groß wie die der Bundesrepublik Deutschland. Im Wirtschaftsrang der Nationen belegte Südafrika im Jahr 2023 Platz 40, Deutschland Platz 3. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner betrug im selben Jahr knapp 6 000 €. Die Haupthandelspartner waren im selben Zeitraum China, USA, Deutschland, das Vereinigte Königreich und Japan. Die Landwirtschaft trug zu 2,5 % zum Bruttoinlandsprodukt bei (D 0,9 %). Der stärkste Sektor ist die Dienstleistung mit 63 % (D 69,7 %).
Provinz Western Cape
Kapstadt und die Provinz Western Cape erwarteten uns mit mediterranem Klima, bei Sonne und angenehmen Temperaturen um die 30 °C. Die gewonnenen Eindrücke der ersten Tage sollten sich verfestigen. Auch hier sind die Betriebe professionell aufgestellt.
Der erste Besuch im Western Cape führte uns nach Caledon zu Overberg Agri – ein Landhandelsunternehmen, das ursprünglich aus zwei der ältesten Bauerngenossenschaften des Westcapes hervorgegangen ist. Heute ist Overberg Agri fusioniert mit der Acorn Agri in ganz Südafrika präsent. In Caledon trafen wir auf Heinrich Georg Schönfeldt und seine Söhne. Vater Heinrich Georg hat den Ackerbaubetrieb, der in der Region um Caledon liegt, in den 1990er Jahren gegründet. Heute bewirtschaften Vater und Söhne rund 5 000 ha Ackerfläche. Die Fruchtfolge besteht aus Raps – Winterweizen – Wintergerste – Klee/Alfalfa. Aus dem Klee und der Alfalfa wird Heu gewonnen, welches an die im Betrieb gehaltenen Rinder verfüttert wird.
Die Böden in der Region Caledon stellen die Betriebe vor besondere Herausforderungen. Die Ackerkrume aus schwerem Lehm mit einem Steinanteil von 25 % ist wenig fruchtbar. Die Jahresniederschläge liegen bei 400 – 450 mm und fallen fast ausschließlich in den Wintermonaten. Den Klee bzw. die Alfalfa haben die Schönfeldts in ihre Fruchtfolge integriert, um den Humusanteil im Oberboden zu erhöhen und die Böden fruchtbarer zu machen. Nach der Ernte weiden die Rinder die Stoppelfelder ab. Im Winter wird Heu zugefüttert. In Südafrika versteht man unter dieser Wirtschaftsweise Regenerative Landwirtschaft.
Die Schönfeldts konnten den Humusgehalt in den letzten 40 Jahren von 1 % auf 3 % erhöhen, bei einem pH-Wert um die 6. Trotzdem sind die Erträge vergleichsweise niedrig. Durchschnittlich werden 2 t/ha Raps und 3,6 t/ha Getreide geerntet. Düngemittel kosten genauso viel wie in Europa. Erst ab Erzeugerpreisen von 250 €/t Getreide werden Gewinne erzielt. Subventionen erhält der Betrieb nicht, mit Ausnahme einer Dieselvergütung von etwa 20 €/ha. Zum Einsatz kommen moderne Großtraktoren. Gearbeitet wird im Pflegesystem von 36 m.
Landenteignungs-Gesetz
Wenige Tage vor unserer Ankunft hat Präsident Ramaphosa am 23.1.2025 ein neues Gesetz zur Landenteignung unterzeichnet. Dieses ersetzt den veralteten Expropriation Act aus der Apartheidzeit von 1975. Nach den kritischen Berichten in den Medien und der Einmischung Donald Trumps waren wir davon ausgegangen, dass der neue Expropriation Act für die Farmer ein großes Problem darstellt. Weit gefehlt. Alle, mit denen wir darüber gesprochen haben, haben sogleich abgewunken. Im Einklang mit der südafrikanischen Verfassung darf gemäß dem neuen Enteignungsgesetz Eigentum enteignet werden, wenn es dafür einen öffentlichen Zweck oder ein öffentliches Interesse gibt. Eine Entschädigung ist allerdings nicht zwingend vorgesehen. Sofern eine Entschädigung gezahlt wird, muss sie angemessen sein und einen gerechten Ausgleich zwischen den öffentlichen und den Interessen des Betroffenen schaffen. Allerdings steht die Möglichkeit einer entschädigungslosen Enteignung nach wie vor in der Kritik. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Expropriation Act von 1975 nicht mehr der aktuellen südafrikanischen Verfassung von 1996 entsprach und schon lange einer Anpassung bedurfte.
Am Folgetag stand der Besuch eines Milchviehbetriebs auf dem Programm. Rund eine Autostunde nördlich von Kapstadt liegt die Saamstaan Boerdery. Auch dieser Betrieb hat in den zurückliegenden 25 Jahren ein enormes Wachstum verzeichnet. In einer Region umgeben von Ackerbaubetrieben werden heute 12 000 Rinder gehalten, davon 6 000 Milchkühe. Die Herdenführung ist exzellent. Die Milchleistung beträgt 42 kg pro Tag.
Geführt als Familienbetrieb wird auf zwei Aspekte allergrößter Wert gelegt: die Ausbildung der Mitarbeiter und die Hygiene im Stall. Neben der Milchviehhaltung wird auch Ackerbau betrieben. Bei 400 mm Jahresniederschlag liegen die Rapserträge bei 1,5 t/ha und die Wintereizenerträge bei 3,2 – 3,5 t/ha.
Zum Abschluss unserer Reise trafen wir Prof. Johann Kirsten. Er war lange als Agrarökonom an der Universität Stellenbosch tätig. Heute leitet er das Wirtschaftsforschungsinstitut Südafrikas. Die wissenschaftliche Beurteilung deckte sich mit unseren gesammelten Erkenntnissen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Subsistenzwirtschaft ist das Perpetuieren von Armut, die kommerziellen Landwirte wirtschaften auf einem hohen Niveau. Dabei produzieren sie nicht nur für den lokalen Markt, sondern auch für ihre Nachbarländer und den Weltmarkt. Zum Einsatz kommt moderne Technik. Wichtigstes Kapital sind die Mitarbeiter. Die größten Unterschiede zur hiesigen Landwirtschaft liegen in den Standortvoraussetzungen und im Klima.