
Schweinefleisch. Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Familie Albersmeier hat gemeinsam mit Rewe West das Programm »Strohwohl« entwickelt. Heute vermarkten sie ihre gesamte Produktion dorthin und weitere Schweinehalter sind dazugestoßen.
Einen konventionellen 5 000er-Schweinemastbetrieb komplett auf Strohhaltung umstellen – dazu gehören Mut und eine Vermarktung, die die höheren Produktionskosten wieder hereinbringt. Beides kommt bei Marianne und Klaus Albersmeier aus Lippetal (Kreis Soest, NRW) zusammen. Ihre Motivation war, auch künftig Schweinehaltung im Vollerwerb betreiben zu können.

Suche nach einem Konzept für die Zukunft. »Für uns wurde 2015 immer deutlicher, dass die Schweinehaltung, wie wir sie praktizierten, nicht mehr lange möglich sein würde«, erzählt Marianne Albersmeier. Testweise baute das Ehepaar 200 Mastplätze um: Der Boden wurde planbefestigt, die Buchtenabtrennungen zugunsten einer Großgruppe entfernt und ein Durchbruch zu einem Auslauf geschaffen. Außen und innen wurde mit Stroh eingestreut. Kurz darauf bekamen sie die Möglichkeit, an einem Ringelschwanzprojekt teilzunehmen. Der Fokus lag dabei auf dem Erhalt des Schwanzes, Haltungsvorgaben gab es nicht. Finanziert wurde das Projekt von der Rewe West mit Sitz in Köln. »Damals haben wir die erste Verbindung zu Rewe geknüpft und unseren auch heute noch zuständigen Hauptansprechpartner kennengelernt.«
Etwa zeitgleich stellten die Unternehmer einen Bauantrag für den Umbau ihrer gesamten Schweinehaltung auf Stroh. »Dass wir den großen Umbau nur realisieren konnten, wenn wir vorher die Vermarktung gesichert haben, war uns durchaus klar. Dennoch wollten wir vorbereitet sein, falls sich eine Gelegenheit ergibt.« Das Resümee aus dem Ringelschwanzprojekt war positiv und die Rewe West an der Etablierung eines regionalen Tierwohlprogramms interessiert. Bedingungen waren mehr Platz (1,5 m2/Mastschwein), die Haltung auf Stroh und eine GVO-freie Fütterung. Die Rewe West war überzeugt, dass diese Kriterien für Verbraucher besser greifbar sind als der Ringelschwanz. Erst später kam er als Vorgabe wieder dazu.
»Einen Großteil der Anforderungen hatten wir schon in unserem Teststall umgesetzt. Daher konnten wir uns eine Teilnahme an so einem Programm vorstellen.« Albersmeiers arbeiteten daraufhin mit Westfleisch und Rewe West ein Konzept aus – inklusive eines Namens für das Produkt, »Strohwohl-Schwein«. Das Programm entspricht der Haltungsform 4.
Keine Diskussion um den Preis. Bevor es 2018 an die praktische Umsetzung des Umbaus aller Ställe ging, wurde der Vertrag mit der Rewe und Westfleisch ausgehandelt. »Das Besondere an unserem Projekt ist, dass wir vom Ferkelerzeuger über den Mäster bis zum Schlachthof und Handel alle in einem Boot sitzen und von Anfang an auf Augenhöhe verhandelt haben«, so Marianne Albersmeier. Ständig neue Diskussionen über den Preis wollte das Betriebsleiterpaar unbedingt vermeiden. Die Abrechnungsbasis bildet daher der jeweils aktuelle VEZG-Preis ohne Anwendung einer Maske. Vertraglich gesichert ist außerdem eine Untergrenze des Basispreises, die aus einem Fünfjahresmittel abgeleitet wurde. Hinzu kommt eine Prämie für den Mehraufwand durch die höheren Haltungsanforderungen. Die Berechnungen der Albersmeiers dazu wurden von den Vertragspartnern ohne Diskussion akzeptiert. »Als Vertragslaufzeit hätten wir damals gerne zehn Jahre gehabt. Am Ende haben wir uns auf fünf Jahre geeinigt. Gerade sind wir im vierten Jahr, haben aber schon die schriftliche Zusage, dass es weitergehen wird.«
Tierwohlprogramme wachsen weiter
Kaufland. Unter der Marke »Wertschätze« verkauft Kaufland deutsches Schweinefleisch mit höherem Tierwohlstandard. Das Programm der Haltungsform 3 plus GVO-freier Fütterung ab der Mast wird aktuell von rund 90 Mästern beliefert. Die Weiterverarbeitung findet in eigenen Fleischwerken statt. »Die Verträge laufen bis zu fünf Jahren, je nach Wunsch des Landwirts«, so Dr. Clemens Dirscherl, zuständig für Tierwohl bei Kaufland-Fleischwaren. Landwirt und Kaufland sind direkte Vertragspartner, Erzeugergemeinschaften oder der Viehhandel treten als Zwischenstufe auf. Eine Abnahme der vertraglich vereinbarten Produktionsmenge wird garantiert.
Vertragskonditionen. Für die Vertragsbetriebe gilt die gemeinsam abgestimmte Maske. Der Basispreis kann nicht unter 1,40 €/kg SG fallen. Der Bonus für Haltung, Fütterung und ITW beträgt derzeit 27,28 €. Ab Januar 2024 wird er auf 28 € aufgerundet und ein »Zukunftsbonus« für besondere Strohsysteme und eine langfristige Vereinbarung von 3 € sind möglich.
Kaufland berücksichtigt Entwicklungen am Markt auf freiwilliger Basis. So wurde der für GVO-freies Futter gezahlte Bonus (8 €) aufgrund des starken Futterkostenanstiegs in 2021/22 mehrfach angepasst und zwischenzeitlich auf 14 € erhöht. »Solidarität mit den Landwirten gehört für uns zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit dazu«, so Dirscherl. Kaufland möchte das Wertschätze- Programm weiter ausweiten. »Gerade in Märkten mit Bedientheke sehen wir, dass es eine Nachfrage nach Tierwohlfleisch gibt. Darüber hinaus entwickeln wir unsere SB-Sortimente kontinuierlich weiter und nehmen daher nach wie vor neue Betriebe auf.«
Das Strohwohl-Programm macht keine Vorgaben zur Genetik. Vereinbart ist die Produktion eines hochwertigen Fleisches, das sich deutlich von der konventionellen Ware abhebt. Der erste Schritt dahin war, die Tiere deutlich schwerer zu mästen. »Das Fleisch ist dann reifer und die Teilstücke sind größer. Wichtig war der Rewe, dass man in der Frischtheke einen Unterschied zwischen Strohwohl- und konventionellem Fleisch sehen kann«, erklärt Albersmeier. Auf ihrem Betrieb wird ein Pietrain-Endstufeneber eingesetzt. Versuche mit Durocs haben sich nicht bewährt, sie werden bei dem angestrebten hohen Mastendgewicht von 150 kg zu fett.
Zu Beginn wurde das Fleisch in nur 20 Rewe-Märkten verkauft, heute sind es 180 in NRW und Rheinland-Pfalz. Um die Nachfrage zu decken, sind weitere Schweinehalter hinzugekommen. Albersmeiers liefern pro Woche 150 Schlachtschweine und damit die komplette Produktion ihrer heute 3 500 Mastplätze. Insgesamt umfasst das Programm aktuell 380 Tiere/Woche, Tendenz steigend. Da Strohwohl-Fleisch auch zu Wurst und Schinken veredelt wird, werden mittlerweile 60 % des Schweins unter dem Strohwohl-Label vermarktet.
Preislich liegt Strohwohl-Fleisch zwischen konventioneller und Bioware. Wichtiger Teil des Konzeptes ist die Schulung der Mitarbeiter der teilnehmenden Märkte inklusive eines Betriebsbesuchs. »Der Erfolg des Programms steht und fällt mit denjenigen, die hinter der Verkaufstheke stehen. Wenn sie bei uns auf dem Hof waren und die Haltung live erlebt haben, können sie den Kunden das Programm ganz anders vermitteln«, ist Albersmeier überzeugt.
Strohwohl-Fleisch ist Teil des Regionalsortiments bei Rewe West und wird an der Bedientheke verkauft. Das Programm gilt als »Herzensprojekt«, mittelfristig soll es in allen 650 Märkten der Rewe West angeboten werden.