Milchprodukte. Abwertung der Weidemilch?
Die Haltungskennzeichnung für Milchprodukte wird um eine Stufe für Bioprodukte erweitert. Das geht allerdings zulasten der Weidemilch. Sie bleibt dann in der gleichen Stufe wie Milch aus Laufstallhaltung. Das will die Organisation »Pro Weideland« verhindern.
Fünf statt vier Haltungsformstufen für Milchprodukte – diese Änderung wird ab dem 1. Juli eingeführt. Die bislang vierte Stufe wird aufgeteilt. Für die Bioprogramme wird es dann eine separate fünfte Stufe geben. Außerdem erhalten die anderen Haltungsformstufen neue Bezeichnungen, die denen einer verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung entsprechen:
- Haltungsform eins: Stall
- Haltungsform zwei: Stall und Platz
- Haltungsform drei: Frischluftstall
- Haltungsform vier: Auslauf/Weide
- Haltungsform fünf: Bio
Biobetriebe
Als Voraussetzung, um in die Haltungsformstufe fünf »Bio« eingruppiert zu werden, benötigt ein Betrieb die Zertifizierung nach EU-Öko-Verordnung und die Mitgliedschaft in einem Bioanbauverband. Er muss sich aber nicht zwangsläufig zusätzlich einem Tierwohllabel anschließen.
Die Kühe stehen in Laufstallhaltung und haben Weidegang (Auslauf), wann immer es die Bedingungen zulassen. Gefüttert wird, wie sonst auch im Biobetrieb, ausschließlich gentechnikfreies Futter, das aus ökologischer Erzeugung stammt. Mindestens 70 % der Futtermittel müssen auf dem eigenen Betrieb angebaut, bzw. aus der Region zugekauft werden. Mehr als 60 % der Trockenmasse in der Tagesration muss durch frisches, getrocknetes oder siliertes Raufutter abgedeckt sein.
Die amtliche Kontrolle der Betriebe erfolgt gemäß der EU-Öko-Verordnung bzw. des Anbauverbandes einmal jährlich.
Weidemilchbetriebe
Ein Problem bringt die neue Haltungsformeinstufung für die »Weidemilch«. Im bisherigen System war die Weidemilch der Stufe drei (bisher »Außenklima«, nun »Frischluftstall«) zugeordnet. Beim Verbleib in Haltungsformstufe drei wird die Weidemilch künftig mit Milch aus Laufstallhaltung oder einem Offenfrontstall auf einer Stufe im »Mittelfeld« der Haltungsformstufen stehen.
»Wir befinden uns zwar in Gesprächen, auch zum Anliegen von Pro Weideland, bislang sind aber keine Änderungen der Kriterien der Haltungsformstufe vier beschlossen«, sagt Dr. Patrick Klein von Haltungsform.de, der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung. »Immerhin gibt es ja Programme, die die Kriterien dieser höchsten konventionellen Haltungsformstufe erfüllen«. Das sind das DLG-Tierwohl-Label in der Stufe Gold und die Premiumstufe des Labels »Für Mehr Tierschutz« des Deutschen Tierschutzbundes. Vorgeschrieben in der Stufe vier Auslauf/Weide ist u. a. Laufstallhaltung mit einem ganzjährig nutzbaren Laufhof (mindestens 3 m2/Tier). Verpflichtend ist Weidegang an mindestens 120 Tagen für sechs Stunden.
Der verpflichtende Laufhof in Haltungsformstufe vier ist der Knackpunkt für die Weidemilchbetriebe von »Pro Weideland«. Für deren Mitgliedsbetriebe ist er bisher kein Muss, dafür ist der Weidegang strenger geregelt. An den 120 Tagen Zugang zur Weide müssen den Kühen mindestens 2 000 m2 Dauergrünland zur Verfügung stehen, davon mindestens 1 000 m2 in Form von Weidefläche.
Ein Bündnis aus verschiedenen Verbänden und Politikern fordert deshalb nun, aus der Haltungsformstufe drei das Kriterium »Laufstallhaltung mit Weidegang« herauszulösen und in die Stufe vier zu verschieben. Das Kriterium »Laufstallhaltung mit ganzjährig nutzbarem Laufhof« solle gestrichen werden und die Stufe vier dann »Haltungsstufe vier – Weide« heißen (siehe Interview).
»Die Weidemilch wird in Stufe drei untergehen«
Die Initiative »Pro Weideland« vertritt mehr als 1 600 Lieferanten und hat einen Marktanteil von 68 % bei den Weidemilch-Labeln. Wir haben mit
Arno Krause über die Folgen des Verbleibs in Haltungsformstufe drei gesprochen.
Warum ist der Verbleib der Weidemilch in Stufe drei ein Problem?
Mit einer Einordnung in Stufe drei würde die Weidehaltung den Frischluftstallsystemen gleichgestellt. Das setzt den Wert von Weidesystemen herab und die Produkte stehen noch dazu in starker Konkurrenz zu den Milcherzeugnissen aus reiner Stallhaltung. Auf der Seite der Weidemilchbauern führt das unweigerlich zu einem erhöhten wirtschaftlichen Druck und wirkt sich eher kontraproduktiv auf unsere Zielsetzungen aus, den Anteil der Weidehaltung an den Produktionssystemen zu erhalten. Wir finden, dass das eine Abwertung unseres Produktes darstellt und Verbrauchern nicht vermittelbar ist. Ich gehe so weit, darin sogar eine Täuschung der Konsumenten zu sehen, die mit dem Kauf von ProWeideland gelabelten Produkten den Erhalt der Weidehaltung unterstützen wollen.
Wäre die Haltungsformstufe vier die passendere Eingruppierung?
Das fünfstufige Modell der Haltungsform ist nicht kompatibel zu den seit zehn Jahren etablierten Kriterien von ProWeideland. Sie würde derzeit keine Eingruppierung in die für die Weidehaltung vorgesehene Stufe vier ermöglichen. Stufe vier mit der Vorgabe von Laufhöfen ist nicht geeignet, um der Weidehaltung den entsprechenden Raum zu geben. Nur 1 bis 5 % unserer Weidemilch-Lieferanten haben zusätzlich einen Laufhof für ihre Kühe. Das ist in meinen Augen auch gar nicht nötig. Wohnungen, die eine Terrasse haben, brauchen ja nicht zwingend einen zusätzlichen Balkon.
Was fällt alles unter den Begriff »Weidegang«?
Alle reden von den gängigen 120 Tagen sechs Stunden täglich im Jahresverlauf, aber die Vorgaben des Flächenangebotes unterscheiden sich stark. Die Auslaufvorgaben müssten aber für alle Label einheitlich geregelt werden. Wir schreiben unseren Betrieben mindestens 2 000 m2 Futterfläche pro Kuh vor. Dafür bekommen die Landwirte derzeit einen Zuschlag von 1,5 – 2,5 Ct/kg Milch. Ihr zusätzlicher Aufwand muss weiterhin entsprechend honoriert werden. Denn ohne eine Vergütung des Mehraufwands aufseiten der Landwirtschaftsbetriebe – vor allem der Arbeit – wird die Weidehaltung in absehbarer Zeit verschwunden sein. Und wenn sich Betriebe erst mal entschieden haben, ihr Haltungssystem auf ganzjährige Stallhaltung umzustellen, bleiben die Kühe auch dort im Stall. Dann fehlen auch alle wichtigen Ökosystemleistungen, die durch die Weidehaltung bereitgestellt werden.
Was wäre aus Ihrer Sicht die Lösung des Problems?
Die Weidemilch muss in eine überarbeitete Haltungsformstufe vier eingestuft werden. Wir sind bereit, an der Entwicklung der Vorgaben dafür mitzuarbeiten und ein Alternativprogramm zu entwickeln, das sich an den bestehenden deutschen Weidesystemen orientiert.
Die Fragen stellte Bianca Fuchs