
Haltungsform. Trend hin zu Stufe 3
Mehr Platz und verpflichtender Zugang der Kühe zu Laufhöfen oder Weide – immer mehr Molkereien fordern von ihren Lieferanten, dass sie diese und andere Bedingungen erfüllen. Nur dann können sie das entsprechende Label auf ihren Produkten platzieren. Was bedeutet das für Milchviehhalter?
Der Weg zu höheren Haltungsformstufen in der Milchproduktion ist unaufhaltsam und muss von allen Akteuren der Wertschöpfungskette gemeinsam gegangen werden. Darüber waren sich die Teilnehmer des Fachforums Milch des Deutschen Bauernverbandes (DBV) einig. Aber s ie betonten auch, dass die Milcherzeuger als zentrales Element des Ganzen dafür gerecht entlohnt werden müssen.
Die Tierwohl-Label. Die Privatwirtschaft hat schon lange vorgelegt und ist mit dem DLG-Tierwohl-Label und QM-Milch im Markt etabliert. M it dem DLG-Tierwohl-Label in den Stufen Basis, Bronze, Silber und Gold gewährleisten die landwirtschaftlichen Betriebe ein Maß an Tierwohl über dem gesetzlichen Standard. Die Erfüllung der Anforderungen des DLG-Programms Milchviehhaltung in einer der Stufen Basis, Bronze, Silber oder Gold wird auf der Grundlage eines Betriebsaudits durchgeführt und von einem durch die DLG zugelassenen Auditor überprüft. Bisher wurden etwa 1 000 Erzeuger, die an sieben Molkereien liefern, nach den DLG-Labelkriterien zertifiziert. Mehr als 80 Produkte mit Silber- bzw. Goldstatus können die Konsumenten im Kühlregal finden.
Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) präsentiert sich mit vielen seiner Eigenmarken im Sortiment der Molkereiprodukte mit dem DLG-Tierwohl-Label. Gelabelte Produkte wie Frischmilch, Joghurt und verschiedene Käsevariationen sind bei Kaufland (K-Classic), Norma (Bio-Sonne und Landfein), Aldi (Milsani), Edeka (Gut & Günstig) Lidl (Milbona) und Rewe (ja!) unter den Eigenmarken zu finden. Auch bekannte Markenprodukte sind deutschlandweit in den Geschäften vertreten, wie der Almette Frischkäse, verschiedene Grünländer-Produkte der Molkerei Hochland und seit Beginn dieses Jahres der Gervais Hüttenkäse »Original«.
Gelabelt werden überwiegend Produkte mit dem DLG-Tierwohl-Label in Silber. Dies erfüllt die Anforderungen der Haltungsform Stufe 3. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Frischmilch und Käse. Die für den Landwirt zu erfüllenden Anforderungen
sind z. B.:
- Außenklimakontakt durch offene Ställe oder Weidegang oder ganzjährig nutzbarer Laufhof,
- 100 % Futtermittel ohne Gentechnik,
- viel Platz für jede Kuh im Stall,
- Kuhkomfort durch b equeme Liegeflächen, Kuhbürste und Klauenpflege,
- sehr gute Gesundheitsvorsorge und Tierwohlmanagement.
»Der Fokus liegt beim DLG-Tierwohl-Label derzeit klar auf dem Silberstatus, aber auch für Gold sehen wir noch Potential«, sagt DLG-Projektleiterin Larissa Butz. Für den Goldstatus, d er der ITWHaltungsformstufe 4 entspricht, sind bereits einige Produkte in den LEH-Regalen zu finden, beispielsweise der Molkerei Allgäuer Hof-Milch. Ab dem Frühjahr wird deutschlandweit die Marke Grünländer mit dem DLG-Tierwohl-Label in Stufe Gold ausgelobt im LEH zu finden sein. Die durch die Milchviehbetriebe zu erfüllenden Anforderungen sind hierfür:
- Premiumhaltung durch d auerhaft zugänglichen Laufhof und Weidegang oder Biohaltung,
- regional erzeugte Futtermittel, die zu 100 % ohne Gentechnik erzeugt sind,
- großzügiges Platzangebot für jede Kuh,
- Kuhkomfort durch b equeme Liegeflächen, Kuhbürste und Klauenpflege,
- sehr gute Gesundheitsvorsorge und Pro-Tierwohl-Management.

Mehrwert für Schlachtkühe. »Seit Ende vergangenen Jahres ist es an verschiedenen großen Schlachthöfen durch eine Schnittstelle möglich, direkt vor Ort abzurufen, ob das Tier aus einem landwirtschaftlichen Betrieb stammt, der am DLG-Tierwohl-Label teilnimmt. Zu unseren Partnern gehören in diesem Projekt z. B. Fleischverarbeiter wie Tönnies, Vion und Müller Fleisch«, erklärt Larissa Butz.
Hoher Wiedererkennungswert. »Unser Tierwohl-Label ist sehr praxisnah«, sagt Larissa Butz, »das Renommee der Produkte aus den Sensorikprüfungen der DLG überträgt sich auch auf Lebensmittel, die mit den Haltungsstufen gekennzeichnet sind«. Außerdem habe der Name DLG einen hohen Wiedererkennungswert und durch den im Label auf den Verpackungen integrierten Begriff »Tierwohl« sei dem Verbraucher eindeutig klar, worum es gehe.
QM-Milch. » Spätestens im zweiten Halbjahr 2024 wird es keine Trinkmilcheigenmarke mehr ohne ein Label in Haltungsform 3 oder höher geben«, so QM-Milch-Geschäftsführer Ludwig Börger beim DBV-Milchforum. Weitere Produkte der weißen Linie (Sahne und Quark) und
erste Produkte der gelben Linie (Käse) werden bei QM-Milch aktuell vorbereitet zur Auslobung auf QM + und ++ bei LEH-Eigenmarken.
»Unser Fokus liegt künftig klar auf der Haltungsform 3 mit QM++«, sagt Börger, »auch QM+ und die Haltungsform 2 wird es weiterhin geben«. Die Haltungsstufe 4 bleibt seiner Meinung nach, zumindest vorläufig, eine Nische.
Beim Discounter Lidl führt der Weg langfristig ebenfalls zur Haltungsstufe 3, die ab 2024 zunächst bei Trinkmilch gelistet wird: »Nichtsdestotrotz sehen wir natürlich auch die Herausforderung außerhalb der Trinkmilch. Wie entwickeln sich die anderen Sortimente weiter? Wir werden die Haltungsstufen 2, 3, 4 im Bereich Käse und Milchbasisprodukte weiter vorantreiben. Da stehen wir noch ein stückweit am Anfang. Die Haltungsstufe 2 bei Milchbasisprodukten und Käse wird Lidl auch auf längere Sicht weiter anbieten. Ein Grund dafür ist die Warenverfügbarkeit«, so Henrik Wiedenroth, zuständig für den Tierwohl-Einkauf bei Lidl. Zudem biete das QM Milchprogramm für Betriebe mit Anbindehaltung in Haltungsform 1 die Chance, in die Kombihaltung und Haltungsform 2 zu gehen. »Lidl hat bewusst noch kein Ausstiegsdatum aus der Haltungsstufe 2 festgelegt«, sagt Wiedenroth. Dadurch behalten die Produkte aus Milch dieser Betriebe für einen Übergangszeitraum einen Platz im Lidl-Sortiment. Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass diese Haltung gesetzlich erlaubt bleibt. »Für Milch wollen wir den Anteil an Produkten aus der deutschen Landwirtschaft in unserem Sortiment deutlich ausbauen. Wir werden 500 Produkte im Jahresverlauf listen und kennzeichnen.«
Schneller als die Politik. »Die Milchbranche bewegt sich bei der Haltungsformkennzeichnung viel schneller als die Politik«, sagt Kasper Thormod Nielsen von der Molkereigenossenschaft Arla. »Wir als Branche erwarten von der Politik klare, breite Rahmenbedingungen. Denn wir sind in der Lage, unheimlich viel selbst zu gestalten. «Damit meint er das staatliche Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. Teilweise
andere Kriterien und Stufen – das verunsichert und sorgt für Unmut in der Branche.´Zwar ist zunächst primär der Schweinesektor betroffen, aber natürlich wird auch die Milchbranche schon hellhörig, angesichts solcher Ankündigungen. Die Initiative Tierwohl hat auf die Einführung einer fünften Stufe für Bioprodukte bereits reagiert und ihre Haltungsformkennzeichnung ebenfalls von 4 auf 5 Stufen erweitert. Außerdem ändert sich die Bezeichnung der Haltungsformstufen, die der verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung entsprechen.
Käse in Haltungsformstufe 3

Mehr Tierwohl, mehr Haltungsstufen, mehr Aufwand – das Problem bleibt die Entlohnung. Das zeigte sich erst Ende Januar wieder, als Edeka ankündigte, es werde zahlreiche Käseartikel seiner Eigenmarke »Gut & Günstig« auf die Haltungsform 3 umstellen. Auch der «Netto Marken-Discount« nimmt daran teil. Daraufhin hagelte es große Kritik aus der Branche. Denn die Kunden zahlen dafür keinen Aufpreis. Was den Konsumenten erfreut, ist natürlich aus Erzeugersicht ein »No-Go«.
Mehr Tierwohl ohne gleichzeitig steigende Produktpreise für die Verbraucher würde das falsche Signal senden. Und die Landwirte dürfen nicht auf den Mehrkosten für die Einhaltung der Vorschriften sitzen bleiben. Allerdings beteuert EDEKA, dass dies nicht Fall sein wird und der LEH-Konzern die Mehrkosten über eine niedrigere Gewinnmarge auffängt. Zweiter Kritikpunkt: Edeka bezieht den Käse zumindest teilweise aus den Niederlanden und nutzt dazu das hauseigene Siegel »Respekt Pro Tierwohl«. Dessen Kriterien entsprechen denen des Siegels »Kuh bewusst« der niederländischen Molkerei »Royal A-Ware«. Beide Siegel sind seit Oktober 2023 in Haltungsform 3 anerkannt worden. Dabei spielt die Herkunft der Rohstoffe keine Rolle. Denn die Initiative Tierwohl stuft auch Programme aus dem Ausland ein, wenn sie die Anforderungen der Haltungsformstufen erfüllen.