Meinung Ernährungswende. Großstadtblase oder großer Trend?
Brauchen wir eine Ernährungswende? Diese Frage wurde auf dem gemeinsamen Forum der DLG-Mitteilungen mit der Zeitung DIE ZEIT in Berlin gestellt. Die Antwort des Publikums war wenig überraschend: 75 % antworteten mit »ja«.
Wenig überraschend, weil das Publikum sich weitgehend aus der Berliner Großstadtblase zusammensetzte. In der Eifel oder im Vogelsberg wäre die Antwort sicherlich ganz anders ausgefallen. Worin aber eine Ernährungswende genau besteht, kann niemand so richtig definieren. Allen Antworten gemein ist, dass wenigstens ein Teil des Fleischkonsums durch pflanzliche Eiweiße ersetzt werden soll. Ach ja: Natürlich soll auch weniger Zucker und vor allem viel Bio verzehrt werden.
Ein etwas anderes Bild zeichnete die Anuga, die Fachmesse für Lebensmittel, die Anfang Oktober in Köln stattfand. Auch dort ging es sehr viel um Pflanzenproteine, Ersatzstoffe und Bio, aber eben auch um die klassischen Lebensmittel wie Fleisch, Milch und Backwaren. Das zeigt: Wenn reale Geschäfte im Vordergrund stehen, ist von Ernährungswende weniger die Rede.
Sind Fischersatz aus Meeresalgen oder schnitzelähnliche Produkte aus Erbsen also die Zukunft auf dem Teller? Eine Zukunft, die in der Großstadt beginnt und sich auf das Land ausbreitet? Immerhin ist Deutschland europaweit der größte Markt für solche Produkte. Oder ist das ein Zeitgeist, der wieder geht, wenn wirtschaftliche Probleme zunehmend in den Vordergrund rücken? Aktuell deutet ja alles darauf hin, dass der Fleischkonsum wieder leicht steigt, jedenfalls nicht weiter sinkt.
Wie so oft wird die Wahrheit in der Mitte liegen. Eine Ernährungswende brauchen wir sicher nicht und es wird wohl auch keine geben. Aber Ernährungsgewohnheiten ändern sich. Der große Anteil an Milchersatz aus Hafer, Mandeln oder Soja ist ein Beispiel dafür. Ein Problem sieht darin niemand, denn diese Entwicklung vollzog sich ohne ideologischen Zwang. Und wenn die Verbraucher sich entscheiden, vegane Ersatzprodukte zu bevorzugen, ist das auch kein Problem. Ein Problem wird dies erst, wenn – so wie aktuell – ein ideologischer Kampf daraus wird.
Als Landwirte sind wir gut beraten, wenn wir uns der Ideologie verschließen und auf die Märkte hören. Denn eines können wir von den jungen Unternehmen lernen, die Tempeh aus Bohnen, Fischersatz aus Algen oder Käseersatz aus Hafermilch entwickeln und daraus eine Geschäftsidee machen: Sie klagen nicht und suchen nach neuen Marktchancen. Das stünde uns Landwirten auch gut an. Jedenfalls besser als nach staatlicher Hilfe zu rufen, wenn der Marktanteil für Bio stagniert.