
Fruchtbarkeit. Wenn Sauen zu viel Gewicht verlieren
Stark abgesäugte Sauen bringen schlechte biologische Leistungen im Folgewurf – klar. Aber je nach Wurfnummer gibt es starke Unterschiede mit Blick auf die Zeitspanne bis zur nächsten Belegung und die Wurfgröße. Steffen Hoy stellt eine Detailauswertung vor.
Jedes Ferkel zählt! Eine verminderte Fruchtbarkeit durch zu hohe Substanzverluste der Sau in der Laktation schadet der Nachhaltigkeit – ökonomisch und ökologisch. Das Ausmaß des Effizienzverlustes lässt sich begrenzen und wird grundsätzlich von der Genetik, Wurfnummer, Stalltemperatur, Wurfgröße beim Absetzen und natürlich durch die Futteraufnahme während der Säugezeit beeinflusst. Welche Auswirkungen hat es genau, wenn die Sauen während der Säugezeit zu viel Gewicht verlieren.
Jungsauen verlieren am stärksten. Die Auswertung bezieht sich auf Sauen der Lehr- und Forschungsstation Oberer
Hardthof der Universität Gießen. Es gingen Daten von 612 Sauen der Rassen Landrasse, Edelschwein und deren Kreuzungen ein. Im Mittel betrug der Gewichtsverlust in der vierwöchigen Säugezeit 6,9 kg netto (Gewicht nach der Geburt minus Gewicht beim Absetzen).
Die Sauen wurden in Abhängigkeit ihres Gewichtsverlusts in vier annähernd gleich große Gruppen eingeteilt, wobei die Sauen der ersten Gruppe (A, Übersicht S. 54) während der Säugezeit sogar zunahmen. Die ehemaligen Jungsauen hatten mit 9 kg den höchsten Netto-Gewichtsverlust während der Säugezeit. Bei Sauen im zweiten Wurf (5,8 kg) und älteren Sauen (5,0 kg) war der Gewichtsverlust weniger ausgeprägt.
Gewichtsverlust und Absetz-Beleg-Intervall.
Erste mögliche Folge eines hohen Gewichtsverlustes währen der Säugezeit ist die Verlängerung des folgenden Absetz-Beleg-Intervalls. Im Mittel wurden die Sauen nach 5,03 Tagen belegt. Je stärker der Gewichtsverlust ausfiel, desto später fand die erste Belegung nach dem Absetzen statt. Sauen ohne Gewichtsabnahme wurden nach 4,93 Tagen besamt. Ihre Stallgefährtinnen mit 23,5 kg Gewichtsverlust (Gruppe D) erhielten dagegen erst nach 5,17 Tagen die erste Besamung. Wenngleich der Unterschied aus biologischer Sicht nicht sehr groß ist, zeigt er dennoch die negative Auswirkung eines starken Gewichtsverlustes auf.
Dabei ist jedoch zugleich die Wirkung der Wurfnummer entscheidend. Ehemalige Jungsauen (insgesamt 232 Tiere) benötigten 5,15 Tage bis zur ersten Belegung, Sauen mit Belegung zum dritten Wurf (168 Tiere) 5,03 Tage und ältere Sauen (239 Tiere) 4,92 Tage. Physiologisch ist das Ergebnis durch den stärkeren Gewichtsverlust bei Jungsauen und die Belastung durch die Aufzucht des ersten Wurfes zu erklären.
Bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Wurfnummer und Ausmaß des Gewichtsverlustes spreizte sich das Absetz-Beleg-Intervall noch stärker auf. Der höchste Wert (5,45 Tage) ergab sich bei den ehemaligen Jungsauen mit dem deutlichsten Gewichtsverlust. Das geringste Intervall (4,87 Tage) wurde bei den älteren Sauen ohne Gewichtsverlust beobachtet (Grafik 1).
Jedes Kilo zählt

Dass Sauen während der Säugezeit an Gewicht verlieren, ist nicht ungewöhnlich. Aber bitte nicht zu viel, sonst schadet das der Fruchtbarkeit. Wie groß der Einfluss der Außentemperatur und der Wurfnummer ist, zeigt eine weitere Analyse von Steffen Hoy.
Umrauscher.
Generell war der Besamungserfolg auf dem Oberen Hardthof sehr gut – im Mittel der ausgewerteten Sauen gab es lediglich 1,4 % Umrauscher. Die Umrauscherrate betrug bei den ehemaligen Jungsauen 2,5 %, bei Sauen mit Besamung zum dritten Wurf 2,1 % und bei älteren Tieren 0 %. Bezieht man innerhalb der Wurfnummer die Gewichtsverlustgruppen mit ein, sind die Ergebnisse allerdings nicht so eindeutig. Sauen mit geringem bis moderatem Gewichtsverlust (Gruppen B und C) hatten mit 3,2 bzw. 2,6 % eine höhere Umrauscherrate als Sauen ohne Gewichtsverlust (0,5 %). Bei den Sauen mit dem stärksten Gewichtsverlust traten allerdings keine Umrauscher auf.
Gewichtsverlust und Wurfgröße im Folgewurf.
Der Gewichtsverlust während der Säugezeit hatte einen nachweislichen Einfluss auf die Anzahl gesamt geborener Ferkel im nächsten Wurf. Sauen ohne Abnahme hatten 15,3 Ferkel im Folgewurf, Sauen mit dem stärksten Substanzverlust 14,2. Das gleiche Muster zeigt sich bei den lebend geborenen Ferkeln. Sauen mit deutlichen Gewichtseinbußen während der Laktation hatten im Folgewurf 0,8 lebende Ferkel weniger als ihre Stallgefährtinnen ohne Gewichtsverlust. Sauen mit geringem bis moderatem Gewichtsverlust (Klassen B und C) ordneten sich bei beiden Parametern dazwischen ein.
Auch hier ist die Wirkung der Wurfnummer zu beachten (Grafik 2). Erwartungsgemäß stieg die Wurfgröße mit zunehmender Wurfnummer der Sau. In allen drei Klassen (ehemalige Jungsauen; Sauen zum dritten Wurf, ältere Sauen) hatten die Tiere mit dem stärksten Gewichtsverlust eine deutlich niedrigere Wurfgröße als die Vergleichstiere ohne Gewichtsrückgang. Die Differenz betrug 0,8 bis 1 Ferkel.
Stark abgesäugte Sauen mit großem Gewichtsverlust haben zu wenig Energiereserven für die Ovulation einer großen Zahl an Eizellen. Auch könnten die frühembryonalen Verluste größer sein als bei Sauen, die weniger abgesäugt sind. Ein Unterschied von etwa einem lebend geborenen Ferkel pro Wurf zwischen stark abgesäugten Sauen und Vergleichssauen, die sogar während der Säugezeit zugenommen haben, ist sehr groß. Die Ergebnisse bedeuten jedoch nicht, dass die Sauen während der Säugezeit viel zunehmen müssen. Sie sollten aber in jedem Fall nicht zu stark abnehmen.
Gewichtsverlust und Wurfqualität im Folgewurf.
Nicht nur die Quantität der erzeugten Ferkel, sondern auch deren Qualität zählt. Als Parameter dafür werden das mittlere Ferkelgeburtsgewicht, der Anteil untergewichtiger Ferkel (unter 1 kg) sowie die Streuung der Einzelgewichte
herangezogen. In der vorliegenden Untersuchung nahm das mittlere Ferkelgeburtsgewicht zu, je stärker der Gewichtsverlust der Sau in der vorangegangenen Säugezeit ausgeprägt war (Übersicht). Allerdings ist dies keine direkte Wirkung des Gewichtsverlustes. Vielmehr ist es das Ergebnis der geringeren Wurfgröße bei Sauen mit deutlichem Gewichtsverlust in der vorherigen Säugeperiode. Die negative Korrelation zwischen Wurfgröße und mittlerem Einzelferkelgewicht ist bekannt: Je größer der Wurf ist, umso leichter sind im Mittel die geborenen Ferkel.
Tendenziell steigt bei Sauen mit hohen Gewichtsverlusten jedoch die Streuung der Geburtsgewichte im Folgewurf von 21,9 auf 23,8 %. Gleichzeitig nimmt der Anteil der untergewichtig geborenen Ferkel von 11,4 auf 13,9 % zu. Die Anzahl Mumien und das Wurfgewicht stehen in keinem Zusammenhang zur Gewichtsabnahme der Sau.
Die Wurfqualität wird also nur tendenziell vom Gewichtsverlust der Sau während der vorangegangenen Säugezeit beeinflusst. Allerdings muss deutlich gemacht werden, dass Wurfqualität nicht bezahlt wird. In der Ferkelerzeugung ist die Wurfgröße immer noch das entscheidende Maß. Jedes mehr aufgezogene und verkaufte Ferkel bringt dem Landwirt einen Mehrerlös von gegenwärtig etwa 70 €. Und die Wurfgröße wird deutlich durch einen starken Gewichtsverlust der Sau in der Säugezeit zuvor beeinträchtigt.