
Schweinehaltung. Jedes Kilo zählt
Werden die Körperreserven während der Säugezeit zu stark abgebaut, leidet die Fruchtbarkeit. Wie groß der Einfluss der Außentemperatur und der Wurfnummer ist, zeigt eine Analyse von Steffen Hoy.
Sauen nehmen während der Säugezeit ab – ein normaler physiologischer Vorgang wie bei vielen anderen Säugetieren auch, denn die Mütter produzieren Milch für ihre Nachkommen. Ist der Energiebedarf dafür größer als die Menge, die sie über das Futter aufnehmen können, »schmelzen« sie Körperfett ein. Wird der Gewichtsverlust jedoch zu groß, kann es zu einem verlängerten Absetz-Beleg-Intervall, niedrigerer Wurfgröße sowie geringerer Ausgeglichenheit der Ferkel im Folgewurf kommen. Einen tieferen Einblick, welche Faktoren Einfluss auf die Gewichtsveränderung während der Säugezeit haben, ermöglicht die Analyse von Daten der Lehr- und Forschungsstation
Oberer Hardthof der Universität Gießen.
Der Einfluss der Wurfnummer
Die ausgewerteten Daten stammen von reinrassigen Landrasse- oder Edelschweintieren oder Kreuzungen aus beiden. Erwartungsgemäß steigt mit zunehmendem Alter das Gewicht der Sauen. Drei Tage nach der Abferkelung wogen die Jungsauen 223 kg; Sauen mit fünf und mehr Würfen kamen auf 276 kg (Grafik 1). Die Jungsauen nahmen während der Säugezeit netto 11,9 kg ab. Das entspricht einer Gewichtsabnahme von 5,3 %. Bezogen auf das Brutto-Gewicht (Kasten "Wie hoch ist der tatsächliche Gewichtsverlust"?) betrug der Gewichtsverlust 42,9 kg (19,2 %). Bei Sauen mit vier oder mehr Würfen betrug die Netto-Gewichtsabnahme lediglich 3,9 bis 4,6 kg (1,5 bis 1,7 %). Auf Basis des Brutto-Gewichts sind das 34,9 bis 35,6 kg (etwas weniger als 13 %).
Auch die Temperatur beeinflusst den Gewichtsverlust.

Für einen Teil der Datensätze (856 Sauen) war es möglich, die mittlere Außentemperatur (gemessen an der nächstgelegenen meteorologischen Station) für die Säugezeit zu berechnen und in einen Zusammenhang zur Gewichtsentwicklung zu stellen. Über den mehrjährigen Auswertungszeitraum lagen die durchschnittlichen Temperaturwerte für die knapp vierwöchige Laktation zwischen –2 und knapp 23 °C, umfassten also sowohl typische Winterals auch Sommersituationen. Für die Auswertung wurden drei etwa gleich große Klassen gebildet: < 6,2 °C, 6,2 bis 14 °C und > 14 °C. Das Gewicht der Sauen drei Tage nach dem Abferkeln war in den drei Temperaturklassen annähernd gleich. Je höher die mittlere Außentemperatur während der Säugezeit war, desto mehr verloren die Sauen an Gewicht. In der Wintertemperatursituation betrug der Netto-Gewichtsverlust lediglich 3,2 kg (brutto etwa 34,2 kg). Bei hohen mittleren Außentemperaturwerten über 14 °C stieg dieser Wert auf 12,5 kg (brutto etwa 43,5 kg; Übersicht 1). Auch wenn man die Wurfnummer und die Anzahl abgesetzter Ferkel berücksichtigt, ändert sich an dieser Aussage nichts. Die Erklärung für das Ergebnis liegt in der geringeren Futteraufnahme bei zunehmenden Temperaturwerten. Bei einer mittleren Außentemperatur von unter 6,2 °C fraßen die Sauen durchschnittlich 5,83 kg pro Säugetag. Unter den Bedingungen einer hohen Außentemperatur (über 14 °C im Durchschnitt der gesamten Säugezeit) nahmen die Sauen täglich 640 g Futter weniger auf. Damit fehlte die Futterenergie, um den stärkeren Gewichtsverlust unter diesen Klimabedingungen zu verhindern.
Hohe Temperaturen reduzieren die Futteraufnahme insbesondere zum Ende der Laktation. Die Einschränkung der Futteraufnahme
begann dabei nicht bereits am ersten Säugetag, sondern erst ab etwa der dritten Säugewoche (Grafik 2). Zwischen den Temperaturklassen < 6,2 °C und 6,2 bis 14 °C gab es in allen vier Säugewochen kaum Unterschiede in der mittleren täglichen Futteraufnahme. Es waren die hohen Temperaturwerte, die in der dritten und vierten Säugewoche die Futteraufnahme ausbremsten. Die Sauen dieser Gruppe fraßen in der letzten Säugewoche 1,68 kg pro Tag weniger als Tiere in der Temperaturkategorie unter 6,2 °C. Diese Differenz ist durch die Wärmebildung nach der Futteraufnahme zu erklären: Je mehr Futter aufgenommen wird, desto mehr Wärme wird produziert. Diese muss an die Umgebung abgegeben werden. Je wärmer es ist, desto schwieriger wird dies jedoch. Daher reduzieren Sauen bei höherer Temperatur die aufgenommene Futtermenge.
In der Kategorie mit den höchsten Außentemperaturen herrschten bei etwa 5% der Sauen Durchschnittstemperaturen von 20 °C und mehr über die gesamte Säugezeit. Faktisch bedeutet das eine durchschnittliche (!) Stalltemperatur von mindestens 22 bis 23 °C – eine große Belastung für die Tiere. Eine hohe Luftgeschwindigkeit (> 2 m/s) bei Sommerluftrate und die Möglichkeit einer technischen Kühlung (Coolpads, Nieder- oder Hochdruckbefeuchtung) sind unter diesen Bedingungen dringend anzuraten. Außerdem ist auf ausreichende Wasserversorgung (mindestens 2 l/min Durchfluss an den Tränken) zu achten. Zudem ist eine dreimal tägliche Fütterung, beginnend in den frühen Morgenstunden, zu empfehlen, um eine ausreichende Futteraufnahme zu erreichen.
Einfluss der Wurfgröße

Für diese Auswertung an 1 520 Würfen wurden drei annähernd gleich große Gruppen mit Blick auf die Wurfgröße beim Absetzen gebildet: ≤ 11, 12 und ≥ 13 Ferkel mit den Mittelwerten 10,3, 12,0 und 13,3. Sauen, die 11 oder weniger Ferkel aufzogen, verloren im Mittel 3,6 kg netto an Gewicht (brutto etwa 35 kg) (Übersicht 2). Dagegen betrug der Netto-Gewichtsverlust von Sauen mit großen aufgezogenen Würfen (13 und mehr Ferkel) 12,7 kg (brutto etwa 44 kg). Die Sauen beider Gruppen hatten am Tag drei nach der Abferkelung ein identisches Gewicht von je 248 kg. Sauen mit durchschnittlich 13,3 aufgezogenen Ferkeln nahmen je Säugetag 150 g mehr Futter auf als die Stallgefährtinnen mit im Mittel 10,3 Ferkeln. Diese Mehraufnahme an Futter reichte aber offensichtlich nicht aus, um den Energiebedarf der Sauen mit großen Würfen zu decken. An 201 Sauen mit einer Wurfgröße beim Absetzen von mindestens 13 Ferkeln
konnten wir bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Wurfnummer und Außentemperaturklasse und unter Annahme eines einheitlichen Gewichtes am dritten Tag nach der Abferkelung von 240 kg nachweisen, dass Sauen mit einer niedrigen täglichen Futteraufnahme (im Mittel der Säugezeit) von 5,5 kg 18,4 kg Gewicht netto verloren. Fraßen die Sauen durchschnittlich 1 kg Säugefutter mehr pro Tag, verloren sie lediglich 1,4 kg. Sauen mit etwa 6 kg täglicher Futteraufnahme während der Säugezeit ordneten sich zwischen diese beiden Sauengruppen ein und hatten einen Gewichtsverlust von 6,2 kg netto. Dieses Ergebnis zeigt, welche große Bedeutung eine hohe Futteraufnahme säugender Sauen hat.
Folgendes Beispiel soll das abschließend verdeutlichen: Wenn die Energiekonzentration des Säugefutters von 12,8 auf 13,4 MJ ME erhöht wird, führt das bei einer Futteraufnahme von 6 kg lediglich zu einer Steigerung der Energieaufnahme von 3,6 MJ ME je Tag. Wenn es dagegen gelingt, die Futteraufnahme um etwa 1 kg zu steigern, bedeutet das eine Steigerung der Energieaufnahme von etwa 13 MJ ME pro Tag.
Wie hoch ist der tatsächliche Gewichtsverlust?
In der Sauenanlage der Universität Gießen werden seit fast zehn Jahren der tägliche Futterverbrauch während der Säugezeit (im Mittel 26 Tage) und das Gewicht der Sauen am dritten Säugetag sowie beim Absetzen erfasst. Daraus lässt sich die Gewichtsabnahme während der Laktation berechnen. Dabei handelt es sich um den Netto-Gewichtsverlust, der den Umfang des Energiedefizits während der Säugezeit beschreibt. Das Gewicht des Wurfes zur Geburt, der Nachgeburt sowie des Fruchtwassers spielt keine Rolle.
In der Praxis ist es eher unüblich, die Sauen nach dem Abferkeln zu wiegen, wenn überhaupt erfolgt das bei Einstallung in die Abferkelbucht. Das Einstallgewicht minus dem Gewicht beim Absetzen ist somit der Brutto-Gewichtsverlust. Das Wurfgewicht zur Geburt kann im Schnitt mit
22 kg (gesamt geborene Ferkel) veranschlagt werden, rund 5 kg entfallen auf das Fruchtwasser und etwa 4 kg auf die Nachgeburt. Der Unterschied zwischen Brutto- und Netto-Gewichtsverlust beträgt also etwa 31 kg.