
Was ist eigentlich aus dem 6-Tonnen-Raps geworden?
Noch vor wenigen Jahren lief es im Rapsanbau so gut, dass Erträge von 6 oder sogar 7 t/ha in greifbarer Nähe schienen. Heute sind viele Landwirte froh, wenn sie 4 t/ha ernten. Woran hapert es?
Frau Prof. Kropf, der 6 t-Raps scheint inzwischen in weite Ferne gerückt zu sein. Warum kommen wir ertraglich in der Praxis nicht voran?
Raps hat tatsächlich das Potential für einen Kornertrag von 6 bis 7 t/ha. Durch die milden langen Herbste und die inzwischen
nahezu ausbleibende Vegetationsruhe hat Raps spätestens bis zum Jahresende 1 200 Gradtage zum Wachstum zur Verfügung und beginnt mit der Streckung. Für die Ertragsanlagen bedeutet es das Ende der Knospendifferenzierung, die im 6-Blatt-Stadium beginnt und mit der Streckung endet. Mit einer Winterruhe hätte er bis in den März hinein drei Monate mehr Zeit für die Knospenanlage, die im Übrigen auch bei Kälte und Frost voranschreitet. So fehlen dem Raps von vornherein 20 bis 30 % angelegte Blütenknospen.
Hat diese Verfrühung der Entwicklung noch weiterreichende Folgen?
Ja, in der Tat. Mit der Streckung erhöht sich auch der Nährstoffbedarf. Dieser kann im Januar/ Februar weder aus dem Boden, noch durch eine Düngung gedeckt werden. Selbst im März reichen oft Nährstoffkonzentration im Bodenwasser und die Transpirationsleistung nicht aus, um die durch die länger werdenden Tage gnadenlos voranschreitende Streckung mit Nährstoffen zu versorgen. So versorgt sich der Raps dann durch die Reduktion der unteren und leider auch leistungsfähigeren Seitentriebe. Wir beobachten, dass auf regelmäßig organisch gedüngten Böden im Frühjahr die besseren Bestände stehen.

Bei ausbleibender Vegetationsruhe sind plötzlich auftretende Fröste sicher auch nicht förderlich, oder?
Eine ausbleibende Vegetationsruhe und früher Streckungsbeginn bedeuten, dass keine Frostresistenz aufgebaut wird und die exponierten Knospen den Spätfrösten ausgesetzt sind. Weitere Knospenverluste sind die Folge. Das war dieses Jahr in Vorpommern
zu beobachten. Dort kamen Bestände nur zu einer schwach ausgeprägten Blüte. Ursache waren die Fröste Mitte Dezember während der Knospenanlage und die Fröste im Frühjahr, die die verbliebenen Knospen weiter dezimierten.
Was ist mit den Beizen? Spielen die auch eine Rolle?
Ohne Beizschutz kann es schnell zu hohen Ertragsverlusten bis zum Totalausfall kommen. Falscher Mehltau tritt zwar nur sporadisch auf, kann aber auch nicht mit einem Blattfungizid eingedämmt werden. Ein größeres Problem ist der Befall mit Insekten seit dem Wegfall der systemisch-insektiziden Beizen. Der Zuflug von Erdflöhen im Herbst hat zugenommen und ist auch durch die Resistenz gegenüber Pyrethroiden nur schwer zu kontrollieren.
Pilze und Insekten sind ja auch nicht gerade weniger geworden. Was kann man noch tun?
Eine Verringerung des Rapsanteils in der Fruchtfolge auf 20 % und weniger hat in vielen Betrieben ja schon stattgefunden und wird sich vor allem auf den Befall mit Kohlhernie und Sklerotinia auswirken. Bei Verticillium steht die vitale Einzelpflanze im Vordergrund. Diese muss große Leitgefäße haben, die nicht so schnell durch das Pilzwachstum verstopfen. Es gibt zwar Sortenunterschiede, diese lassen sich aber nicht 1:1 in Mehrertrag umsetzen. Hier ist eine Einzelkornsaat mit vitalen Pflanzen, die ausreichend Standraum haben, vorteilhaft. Cylindrosporium hat in den letzten drei Jahren im Norden deutlich zugenommen. Blattfungizide bieten nur begrenzten Schutz, da sich der Pilz auch auf der Blattunterseite entwickelt und so der Fungizidwirkung entgeht. Hinzu kommt, dass die Ausgangsinfektion bereits im Herbst stattfindet. Das Insektenaufkommen kann man nicht pauschal abhandeln. Aber zwei Punkte sind zur Risikominderung zu nennen. Häufig ist die vitale Einzelpflanze mit ihrem besseren Kompensationsvermögen im Vorteil. Der größere Wurzelhalsumfang hat auch mehr schlafende Seitentriebknospen, die austreiben können, falls der Haupttrieb ausfällt. Eine Verringerung der Rapsfläche und eine möglichst große Entfernung zum Vorjahresraps können ebenfalls von Vorteil sein. Letzteres ist in der Praxis aber nur schwer umzusetzen.
Sehen Sie auch Probleme bei der Bodenbearbeitung? Oder läuft die zumeist optimal?
Die Bereitung des Wurzelraumes ist ein Faktor, den wir noch selbst in der Hand haben. Hierbei sind die Seiten- und Feinwurzelbildung in der Krume zur Nährstoffaufnahme und die tiefe Durchwurzelung zur Sicherung der Wasserversorgung zu berücksichtigen. Raps kann im Herbst bis in 1 m Tiefe vordringen. Die Zentralwurzel wächst vor allem in den mit fruchtbarer Krume ausgekleideten Regenwurmröhren zügig aus der Krume in den Unterboden. Die Röhren der Tiefgräber sind auf organisch gedüngten Böden zahlreicher. Auch ein regenwurmkonformes Ernterückstandsmanagement, Mulchsaat und der Anbau von Zwischenfrüchten fördert deren Aktivität. In den senkrechten Schlitzen der Schare mit platzierter Tiefenablage des Düngebands können sich sowohl die Pfahlwurzel als auch die Seitenwurzeln gut entwickeln. Verdichtete Strukturen und verschlossene Poren kann keine Rapswurzel erschließen. Die Optimierung des Maschinenparks muss standort- und betriebsspezifisch erfolgen.
Die Fragen stellte Christian Bickert