Portugal. Ein überraschendes Milchland
Portugal ist nicht gerade für seine Milcherzeugung bekannt – dabei wird dort intensiv Milch produziert. Und das, obwohl die Bedingungen mit viel Sonne, wenig Regen und Flächenmangel nicht besonders gut sind. Portugals Milchviehhalter kompensieren dieses Manko durch eine aufwendige Produktion.
Portugal wird gedanklich eher mit Sonne, Strand und Meer in Verbindung gebracht als mit intensiver Milchproduktion. Doch die diesjährige Jahrestagung der European Dairy Farmers (EDF) in Póvoa de Varzim, nahe der Hauptstadt Porto, hat den mehr als 350 Teilnehmern andere Eindrücke über das Land verschafft. Denn besonders im Norden wird in modernen, gut ausgestatteten Betrieben Milch produziert. Hier liegt auch der Schwerpunkt der Milcherzeugung des Landes. Die Landwirte profitieren vom milden, atlantischen Klima und einer Vegetationszeit von 11 Monaten. Im Süden sind die Böden schlechter und der Wassermangel höher. Deshalb werden dort auch weniger Kühe gehalten. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 220 000 Milchkühe und 3 700 Milchproduzenten in Portugal, die überwiegend in kleineren und mittelgroßen Familienbetrieben gehalten werden. Die durchschnittliche Herdengröße liegt bei 60 Kühen/Betrieb mit einer Milchleistung von durchschnittlich 8 840 kg/Kuh und Jahr, Tendenz steigend. Denn zwischen 2015 und 2024 erhöhte sich die Milchproduktion um fast 70 %. In der Landesmitte gibt es tendenziell größere Herden mit teilweise bis zu mehreren Hundert Kühen. Eine weitere Schwerpunktregion der portugiesischen Milcherzeugung ist die Inselgruppe der Azoren mit ihrem gemäßigten ozeanischen Klima, Temperaturen von ganzjährig 15 bis 25 º C und ausreichend Regen. Auf den beiden Hauptinseln São Miguel und Terceira stehen 33 % der portugiesischen Milchkühe. Im Gegensatz zu Nordportugal, wo nahezu alle Kühe ganzjährig im Stall gehalten werden, ist die Fütterung auf den Azoren hauptsächlich weidebasiert.
Der Milchpreis liegt in den meisten Monaten leicht unter dem europäischen Durchschnitt. Auffällig sind die niedrigen Inhaltsstoffe der portugiesischen Milch. Die Erklärung hierfür ist, dass die Milchverarbeiter den Fett- und Eiweißgehalt bisher nicht honoriert haben, da überwiegend Trinkmilch produziert wird (Kasten Seite 58). Der Standard sind 3,7 % Fett- und 3,2 % Eiweißgehalt. Die Milcherzeuger legen deshalb schon bei der Rationsgestaltung und bei der Auswahl der Besamungsbullen keinen Wert auf höhere Inhaltsstoffe in der Milch. Derzeit gibt es aber einen Trend, der die Inhaltsstoffe mehr in den Fokus stellt.
Intensive Flächennutzung
Viele Milchviehbetriebe möchten wachsen, um zukunftsfähiger zu sein. Das größte Hindernis dafür ist nicht alleine der Landpreis, sondern viel mehr der Mangel an Flächen, besonders im dicht besiedelten Norden. Es werden schlichtweg so gut wie keine Felder auf dem Markt angeboten, weder zur Pacht noch zum Kauf. Die Schläge sind zumeist eher klein und liegen oft verstreut und weiter entfernt. Die Landwirte müssen sehr viel Futter zukaufen. Dies macht ihre Wirtschaftlichkeit der Milcherzeuger sehr anfällig für Preisschwankungen am Futtermittelmarkt, vor allem bei Eiweißfutter.
Als Ausgleich zu den intensiv landwirtschaftlich bewirtschafteten Regionen gibt es in Portugal aber auch weite Gebiete nicht bewirtschafteter Flächen mit hoher Biodiversität. Über die Hälfte der landesweiten Flächen ist Wald- und Buschland, das nicht landwirtschaftlich genutzt wird.
Im Durchschnitt verfügen die portugiesischen Betriebe über lediglich 1,5 ha Ackerland pro 10 GVE. Eine effiziente Milchproduktion ist nur möglich, weil die Landwirte den Großteil ihrer Flächen mindestens doppelt nutzen. Die guten klimatischen Bedingungen ermöglichen von Frühling bis Herbst einen intensiven Maisanbau. In den Wintermonaten wächst dann auf den gleichen Flächen Gras als Zwischenfrucht, von dem zumeist zwei Silageschnitte gemacht werden. Ausreichend Futter kann nur von den Feldern geholt werden, weil die Flächen beregnet werden. Die Bewässerung sichert Ernteerträge von im Schnitt 23,6 t TM/ha bei Maissilage und 7,1 t TM/ha beim Feldgras. Überall zwischen den Maisreihen sind Bewässerungsschläuche zu sehen. Gute Erfahrungen haben viele Milcherzeuger mit einer Tröpfchenbewässerung gemacht, die den Pflanzen gezielt Wasser und auch Dünger liefert. Das für die Landwirtschaft benötigte Wasser stammt größtenteils aus Stauseen, die in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts im Land gebaut wurden. Das für die Landwirtschaft benötigte Wasser stammt größtenteils aus Stauseen, die in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts im Land gebaut wurden. Wasser für die Bewässerung kann auch aus Flüssen und Bächen entnommen werden. Die Bewässerung muss angemeldet und genehmigt werden. Die Wassermengen müssen aufgezeichnet werden. Bisher ist die Wasserentnahme aber noch kostenlos. Ob das so bleibt, wird diskutiert.
Güllemanagment und -lagerung
Für Landwirte aus anderen europäischen Ländern ist es verwunderlich, welche Mengen an Gülle viele portugiesischen Milchviehhalter auf ihren Flächen ausbringen dürfen. Portugal setzt zwar die EU-Nitratrichtlinie 1:1 um. Es hat sich jedoch (wie andere EU-Länder auch) dazu entschlossen, nicht das gesamte Staatsgebiet zum Maßnahmengebiet zu erklären, sondern spezielle Nitrate Vulnerable Zones (NVZ) auszuweisen. Dort werden die Einschränkungen der Nitratrichtlinie entsprechend umgesetzt.
Güllelagerung. Wer viel Gülle produziert, benötigt ausreichend Lagerkapazitäten. Auch hier wirkt sich wieder der Flächenmangel aus. Die meisten Milchviehställe sind unterkellert, um die Gülle dort unterbringen zu können. Das erhöht die Stallbaukosten, spart aber Platz und das Geld für Güllebehälter oder -lagunen. Außerdem wird die Bevölkerung so weniger durch Gerüche belästigt. Ebenfalls ein gewichtiges Argument, denn die meisten Hofstellen und Milchviehbetriebe befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den Nachbarn in den Dörfern oder in Ortsrandlage. Das Ansehen der Landwirtschaft in der Bevölkerung ist aber glücklicherweise immer noch recht hoch und es gibt selten Probleme durch Nachbarn.
Stallbau
Die Teilnehmer der EDF-Jahrestagung in Povao de Varzim sahen viele neu errichtete und mit moderner Technik ausgestattete Betriebe. Sie profitieren von moderaten Baukosten, weniger strengen Abstandsauflagen und hohen Abschreibungsraten für Gebäude. Die Gebäudekosten der portugiesischen EDF-Betriebe betragen z. B. im Schnitt knapp 2 600 €/Kuh, die Maschinenkosten überschreiten knapp 1 800 € und das eingesetzte Kapital pro Kuh beträgt etwa 6 830 €.
In Nord-Portugal sind zunehmend Automatische Melksysteme verbreitet und die größeren Betriebe melken im Karussell. Das Personal dafür nicht teuer. Die Lohnkosten liegen meistens bei weit unter 10 €/Stunde. Auch deshalb schafft es Portugal im europäischen Produktionskostenvergleich trotz des teuren Futterzukaufs und der erheblichen Kosten für das selbst angebaute Futter noch ins Mittelfeld.
Prämien und Direktzahlungen
Wie in allen anderen europäischen Ländern tragen die öffentlichen Zahlungen und die Investitionsunterstützung dazu bei, dass die Betriebe wettbewerbsfähiger sind. Sie erhalten ab 2026 Basiszahlungen von 80,70 €/ha. Dazu kommt die Umverteilungsprämie von 120 € für die ersten 20 ha, die bewirtschaftet werden (allerdings nur für Betriebe mit weniger als 100 ha).
Die Milchviehhalter bekommen außerdem eine an die Produktion gekoppelte Zahlung für Rinder, Milch oder Futter: Z.B. 113 € je GVE für Milchkühe und120 € für den Anbau von Silomais als Futtermittel. Zudem gibt es u. a. eine Investitionsförderung und eine Unterstützung für das Wirtschaften in benachteiligten Gebieten. Die Investitionsförderung ist hat den Betrieben, die die Teilnehmer des EDF-Kongresses gesehen haben, ihre Entwicklung überhaupt erst ermöglicht. Auch Junglandwirte werden gefördert, z. B. können sie eine Start-up-Zahlung von 20 000 € beantragen. Im Rahmen der EU Eco-Schemes hat Portugal verschiedene Programme aufgelegt. Dazu gehören z. B. Weidegang der Kühe, Ausbringung organischen Düngers, Verbesserung der Futtereffizienz, höheres Tierwohl, Reduzieren von Antibiotika und die Erhöhung der Biodiversität auf Acker- und Grünland.
Milchverarbeitung und -konsum sind rückläufig
2024 vermarkteten die portugiesischen Milcherzeuger 1,88 Mio. t Rohmilch, das entspricht 1,3 % der EU-Produktion. 3 % davon waren Biomilch. Hauptsächlich wird Trinkmilch produziert, lediglich die Azoren sind ein Schwerpunktgebiet für die Käseherstellung.
Der Hauptabnehmer ist die Molkerei Lactogal, die 60 % der gelieferten Rohmilch verarbeitet. Sie entstand 1996 aus dem Zusammenschluss von drei Milchverarbeitern und hat derzeit sieben Standorte in Portugal und Spanien.
Der Milchkonsum der Portugiesen betrug 62,4 kg pro Kopf und Jahr in 2023 und lag damit über dem EU-Durchschnitt von 52,9 kg pro Kopf und Jahr, allerdings mit sinkender Tendenz. Anders sieht es bei dem Konsum von Käse aus, bei dem Portugal auf lediglich 14,9 kg kommt (EU-Durchschnitt: 20,7 kg pro Kopf und Jahr). Der Selbstversorgungsgrad Portugals überschreitet bei Milch und Butter 100 %, bei Käse und verarbeiteten Milchprodukten wird der Inlandsbedarf dagegen nicht gedeckt.