Meinung Nachhaltige Produktivitätssteigerung. Produktivität neu denken
Auf den DLG-Unternehmertagen stellte DLG-Präsident Hubertus Paetow das Konzept der Nachhaltigen Produktivitätssteigerung vor. Hier erklärt er, was es damit auf sich hat.
Herr Paetow, auf den DLG-Unternehmertagen haben Sie das Konzept der Nachhaltigen Produktivitätssteigerung vorgestellt. Was genau verstehen Sie darunter – und warum reicht der alte Produktivitätsbegriff nicht mehr?
Die klassischen Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital haben die Produktivität so lange ausreichend beschrieben, wie die ökologischen Ressourcen noch nicht in dem Maße in Anspruch genommen wurden, wie das heute der Fall ist. So wurden Klima, Artenvielfalt und Tierwohl in der Vergangenheit nicht als begrenzte Faktoren betrachtet – das ist heute anders. Deshalb die Erweiterung, und zwar auf beiden Seiten der Gleichung. Denn Landwirtschaft beansprucht nicht nur Ressourcen, sondern erzeugt ja auch Güter, die bisher noch keinen Marktpreis haben, wie z. B. Agrobiodiversität.
Beim Klima gilt: Eine Tonne CO2 ist eine Tonne CO2. Doch für die Biodiversität fehlt uns eine vergleichbar klare Messgröße. Wie lösen wir das?
Beim CO2 geht es ja im Kern auch nicht um die Tonne, sondern um die Klimawirkung. Und die ist in einem wissenschaftlich begleiteten und politisch ausgehandelten Prozess auf die Tonne CO2 bezogen worden. Genau das müssen wir nun auch für Biodiversität und Tierwohl machen.
Wir müssen uns als Branche und Gesellschaft auf objektive, messbare Indikatoren einigen, die wir dann auch mit einem Preisschild versehen. Damit wird Ökologie verhandelbar – das ist für viele schwer zu ertragen, aber Grundvoraussetzung für die Auflösung von Zielkonflikten. Dieses System sollte dann zur Grundlage der ordnungspolitischen Instrumente werden, z. B. zur Förderung von Umweltleistungen.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist Technologieoffenheit. Was müsste denn geschehen, damit dies endlich mehr ist als ein frommer Wunsch?
Der Schlüssel heißt Vertrauen und Vernunft. Vertrauen in die Entwickler und Anwender der Innovationen, denn für alle Beteiligten hat die Sicherheit von Mensch und Umwelt oberste Priorität, unabhängig von ewig langen Prüfverfahren. Und Vernunft in Politik und Zivilgesellschaft, damit wieder zwischen Risiko und Gefahr unterschieden wird und das Vorsorgeprinzip nicht weiter als Verhinderungsinstrument für den dringend notwendigen Fortschritt instrumentalisiert wird.
Viele Landwirte fragen sich, wie sie bei zunehmender Komplexität und steigendem Risiko den Anbau überhaupt noch managen können. Inwiefern nimmt das neue Leitbild diese Sorge?
Die aktuelle staatliche Feinsteuerung über eine komplizierte, kurzfristige Regulierung macht Betriebsorganisation heute so riskant und anstrengend. Ich kann meinen Anbau nicht mehr über eine Fruchtfolge hinaus planen, weil sich schon nach einem Jahr wieder alle möglichen Regelungen geändert haben.
Klare, berechenbare Größen und eine darauf bezogene, langfristige Regulierung würden hier vieles verbessern. Dafür brauchen wir das neue Leitbild der nachhaltigen Produktivitätssteigerung.