
Karriere. Spannende Wege rund um die Landwirtschaft
Fünf landwirtschaftliche Werdegänge – fünf unterschiedliche Herangehensweisen. Allen gemein ist, dass sie heute für ihren Beruf brennen und die Grundlage mit einem landwirtschaftlich geprägten Ausbildungsweg immer wieder legen würden.
Von der Politik über die Berufsschule bis hin zum Kartoffelacker – wir haben mit fünf Agrarwissenschaftlern über ihre beruflichen Werdegänge gesprochen.
Die Politik-Referentin

Deike Röhr leitet das Ministerbüro von Werner Schwarz in Schleswig-Holstein. Ihr Weg dorthin war nicht zielgenau angesteuert, sondern es setzte sich ein Stein auf den anderen. »Ich hatte keinen festgelegten Plan, was ich beruflich mal machen möchte. Jede Station hat sich Schritt für Schritt entwickelt«, sagt die gebürtige Stormanerin. Als ältestes von vier Kindern auf einem Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen, tritt sie früh in die Landjugend ein. »Die Dinge, die ich dort gelernt habe, helfen mir noch heute: Struktur, Kommunikationsfähigkeit und Organisation.« Durch das landwirtschaftlich geprägte Umfeld war ihr früh klar, dass sie beruflich in diese Richtung gehen würde und begann das Studium in Kiel.
Deike Röhr ist schnell – im Reden, im Denken und im Entscheidungen treffen. Das ist in ihrem Job häufig notwendig. »Manche Entscheidungen brauchen aber mehr Spielraum und da bin ich dankbar, dass ich gezwungen bin, mich mit anderen Meinungen und Argumenten auseinanderzusetzen«, sagt Röhr und verweist auf die Eigenschaft, Mitarbeiter und Außenkontakte austarieren zu können. Den Umgang mit Kollegen und Mitarbeitern hat sie in Eigeninitiative unter anderem durch eine Mediatorenausblidung gelernt. Außerdem absolvierte Deike Röhr das DLG-Trainee-Programm und vertiefte dabei Themen, die im Studium nur wenig Raum hatten, wie Mitarbeiterführung. Sie war damals bei der HaGe in Kiel und verpflichtete sich mit dem Trainee-Programm für einen festen Zeitraum in dem Unternehmen.
Als dann ein Angebot aus Brüssel kam, als Parlamentarische Assistentin bei einer Abgeordneten im Europaparlament zu arbeiten, war die Entscheidung entsprechend schwer. Nach intensiven Gesprächen mit Freunden, Familie und ihrem damaligen Arbeitgeber wagte Deike Röhr den Schritt und zog zum ersten Mal in ihrem Leben aus Schleswig-Holstein weg. »Das war ein Sprung ins kalte Wasser und die beste Entscheidung, die ich treffen konnte«, sagt sie heute. Über sechs Jahre blieb sie in Brüssel, wechselte nach der Assistentenstelle ins Hanse-Office der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Ihre Aufgaben dort: Berichterstattung über Europapolitik und EU-Gesetzgebung an Ministerien und Behörden sowie die Vertretung der Interessen beider Bundesländer gegenüber der EU. Als sich schließlich die Chance ergibt, zurück nach Schleswig-Holstein zu kommen, zögert sie nicht und arbeitet seitdem als Referentin in verschiedenen Positionen im Landwirtschafts- und Umweltministerium in Kiel.
Fazit. Ein Sprung ins kalte Wasser lohnt sich – keine Angst vor Unbekanntem.
Der Pflanzenzüchter

Der Weg von Karsten Meyer schien klar: Als ältester Sohn einer Landwirtsfamilie aus Dithmarschen, der jede Ferien auf dem heimischen Betrieb gearbeitet hat, würde er zu Hause einsteigen. Doch als er nach der Hauptschule beschloss, den Realschulabschluss mit Elektrikschwerpunkt nachzuholen, durchbrach er die vorgezeichnete Linie zum ersten Mal. Er bewarb sich um einen zivilen Ausbildungsplatz bei der Bundeswehr als Kommunikationselektroniker.
»Wenn man allerdings Mittwoch schon seine Aufgaben für die ganze Woche fertig hat und dann nichts mehr zu tun ist, hält man das als Landwirtskind nicht lange aus«, stellt Karsten Meyer fest und wechselte dann doch zu einer landwirtschaftlichen Ausbildung. Nach zwei Jahren in der Tierhaltung folgte ein niedersächsischer Kartoffelzuchtbetrieb. Kartoffeln bilden seit den 80er Jahren auch auf dem elterlichen
Betrieb einen Schwerpunkt und sollten Karsten Meyer ein Leben lang begleiten. Das war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht klar.
Lehre, FOS, Studium. Nach der Lehre folgt ein Jahr Fachoberschule in Rendsburg, die mit der Fachhochschulreife abschließt. Noch immer war in der Familie Meyer Konsens: Karsten kommt nach Hause und wird mit seinem jüngeren Bruder zusammen den Betrieb leiten. Doch durch den in der FOS gefestigten Freundeskreis fiel der Entschluss: erst mal ein Studium und ein Auslandsaufenthalt. »Meine Eltern waren beidem gegenüber leichts keptisch, sie hatten sich meinen Weg anders vorgestellt. Sie haben mich aber immer uneingeschränkt unterstützt«, sagt Karsten Meyer und resümiert heute: »Drei Monate Australien waren großartig, aber aus jetziger Perspektive würde ich jedem empfehlen: Geht mindestens ein Jahr ins Ausland – es bringt einem so viel Weitsicht.«
Es folgte das Bachelorstudium in Osnabrück und anschließend sogar noch ein Master an der Uni Göttingen. Während des Studiums hat Karsten Meyer auf vielen Betrieben gearbeitet und Praktika gemacht – zum Beispiel auch bei der NPZ in Hohenlieth. »Aber ich merkte schnell, dass der Raps nicht meine Leidenschaft war und landete immer wieder bei der Kartoffel«, berichtet Meyer. Und da zwischen seiner Familie und der Firma EUROPLANT ein enger geschäftlicher Kontakt bestand, kam zum Ende des Masterstudiums dann ein Anruf aus Ebstorf. Dort wurde ein neuer Zuchtleiter gesucht und man hatte sich zum Ziel gesetzt, einen praktisch orientierten, von der Landwirtschaft her denkenden neuen Kollegen zu finden. »Ich war total verunsichert, ich hatte nicht promoviert wie für solche Stellen üblich und hatte noch keinerlei Berufserfahrung«, sagt Karsten Meyer. Dennoch nimmt er das Angebot an und wechselt 2015 nach der Einarbeitung von Ebstorf nach Böhlendorf. Dort ist er Stationsleiter und damit einer von drei Zuchtleitern für die EUROPLANT in Deutschland.
Rückblickend war jede Extrameile sinnvoll und hat ihn in seiner persönlichen Entwicklung voran gebracht. Lediglich das Thema praktische Mitarbeiterführung und der Umgang mit Kollegen haben ihm in seiner Ausbildung gefehlt. Die Motivation von Kollegen und Mitarbeitern sei als Führungsperson ein zentraler Baustein, gibt Meyer zu bedenken. Für deren Belange will er einstehen und sich Zeit nehmen. Deshalb hat er im Nachhinein auf eigene Faust Fortbildungen und Coachings besucht, um in diesem Bereich besser zu werden.
Fazit. »Mein Büro ist immer dreckig«, sagt Karsten Meyer und empfiehlt jedem, der den Ausgleich zwischen Büro und handwerklicher Praxis sucht: »Werdet Kartoffelzüchter«.
Die Steuerberaterin

Die gebürtige Nordfriesin Syster Maart-Nölck lebt m it ihrer Familie in Oberhof in Nordwestmecklenburg. Sie bewirtschaftet dort mit ihrem Mann einen Ackerbaubetrieb. Doch ihr Herz schlägt ebenfalls für das Steuerrecht. »Meine eigentliche Motivation für das landwirtschaftliche Studium war der elterliche Betrieb – dahin wollte ich zurück«, sagt Maart-Nölck. Doch in ihrem Hinterkopf spukte schon immer der Gedanke: Ich könnte auch etwas anderes machen. So ging sie offen ins Studium und probierte sich in verschiedenen Bereichen aus. Schon im Bachelor absolvierte sie ein Praktikum im Steuerbüro und merkte, dass sie die Themen dort richtig spannend findet. »Ich wollte mich noch nicht festlegen, es gab so viele interessante Möglichkeiten«, findet Syster Maart-Nölck und studierte in Summe zwei Semester im Ausland. Allenstein in Polen und ein halbes Jahr Prag ergänzten das Studium in Göttingen und zeigten Syster Maart-Nölck unter anderem: » Ich würde jedem raten, etwas weiter weg von zu Hause zu studieren – ich wäre sonst jedes Wochenende nach Hause gefahren und so habe ich die Zeit richtig gut genutzt für Fachschafts- und Gremienarbeit, diverse »Scheine«, wie zum Beispiel den Jagdschein und Partys.«
Als Prof. Mußhoff ihr eine Promotion anbot, zögerte Maart-Nölck nicht. Die wissenschaftliche Laufbahn reizte sie, doch wurde auch klar: familienfreundlich ist sie nicht. »Der Weg Richtung Professur bedeutet ein hohes Maß an örtlicher Flexibilität. Die Flexibilität hatte ich nicht, da der Wohnort für meinen Mann und mich durch den Betrieb feststand«, sagt Syster Maart-Nölck. Parallel zur Promotion arbeitete sie auf Minijob-Basis in einem Steuerbüro und beschloss schließlich, in diesem Bereich nach dem Studium Vollzeit einzusteigen. Die Möglichkeiten in der Steuerberatung passten auch zu den Entwicklungen im Privatleben und 2013 startete Maart-Nölck bei der Wetreu in Kiel ihren Weg zur Steuerberaterin und beendete 2016 erfolgreich die Prüfung. »Das waren schon entbehrungsreiche drei Jahre und der Druck ist nicht zu unterschätzen«, berichtet Maart-Nölck. Heute arbeitet sie als Steuerberaterin, kombiniert ihren Beruf mit dem Betrieb, der Vermietung von Ferienwohnungen auf dem Hof und der Familie. Die Gradlinigkeit hat sich gelohnt.
Fazit. Ein klares Ziel vor Augen zu haben, macht so manche Hürde leichter.
Der Berufsschullehrer

In Heinrich Bätkes Leben war schon in jungen Jahren einiges unverrückbar, unter anderem die Tatsache, dass er nach Ausbildung und Studium zurück in seinen Heimatort Isernhagen gehen würde, um dort den elterlichen Betrieb im Nebenerwerb zu führen. 2002 wechselt Bätke von der allgemeinbildenden Schule auf die Michelsenschule nach Hildesheim. »44 Kilometer von zu Hause ohne Führerschein und passenden Nahverkehr waren eine Herausforderung, aber ich habe es trotzdem gemacht und absolut nicht bereut«, berichtet Bätke. Das Gemeinschaftsgefühl ist stark, alle ticken gleich.
Bätke entschied sich aktiv gegen eine Lehre, absolvierte stattdessen viele Praktika und geht 2005 zum Studium nach Kiel. Er arbeitete als Erntehelfer und sagt dazu: »Ich empfehle jedem, sich total unterschiedliche Betriebe anzusehen. Ich war in Lettland, in Ostfriesland und wollte eigentlich noch nach Rumänien.« Dazwischen kam ein Jobangebot der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Und weil klar war, dass Heinrich Bätke auf eine Stelle im Umkreis seines Heimatortes angewiesen sein würde, nahm er diese ohne zu zögern an. Der Ackerbau war seit 2001 schon in einer Kooperation, Heinrich Bätke konzentriert sich auf den Einstellerbetrieb mit über 70 Pferden und ist nach Feierabend bei der Kammer mit Futterbergung und Organisation des Betriebes gut ausgelastet. 2015 lief die Stelle bei der Kammer aus.
Vor Menschen zu sprechen, fiel Heinrich Bätke schon immer leicht. Ob in der Schule, im Studium oder in seiner politischen Laufbahn: Vor einer Gruppe zu stehen und zu reden, das war nie ein Problem für d en 38-Jährigen. Seinen beruflichen Werdegang daraus abzuleiten, das wäre Heinrich Bätke allerdings nicht in den Sinn gekommen. Als er jedoch eine Stellenausschreibung der agrarwirtschaftlichen Justus-von-Liebig-Berufsschule in Hannover sah, die einen direkten Quereinstieg ohne vorher absolviertes Referendariat anbot, wurde er aufmerksam und bewarb sich. 18 Monate lang absolvierte Bätke neben dem Unterricht ein Lehrerseminar, erarbeitete Material und lernte seine Schüler kennen. » Das war schon eine anspruchsvolle Zeit: Ich wusste ja nichts«, sagt Bätke. Wie viel Material benötigt man für 90 Minuten Unterricht? Mit welchem Vorwissen der Schüler kann man rechnen? All diese Fragen werden nach und nach beantwortet. Heinrich Bätke ist nun seit neun Jahren Berufsschullehrer und ist nach wie vor begeistert. »Ich hätte nie gedacht, dass Unterrichten so viel Spaß machen kann«, sagt er.
Fazit. Wenn man offen für alles ist, kann es nur gut werden.
Der Vielseitige

Landwirtschaft war schon immer die Leidenschaft von Marten Schumacher. Doch da der elterliche Betrieb verpachtet war und der ältere Bruder ebenfalls Interesse hatte, bewarb Schumacher sich um ein duales Studium in der Landtechnikindustrie. 2009 herrschte vielerorts Einstellungsstopp und eine Zusage aus Marktoberdorf schlug Marten Schumacher dann doch aus. »Das war mir zu weit weg und ich habe gemerkt, dass ich gern in dieser Region bleiben möchte«, sagt er und entschied sich schließlich doch für eine landwirtschaftliche Lehre, die er als Zweitbester in Schleswig-Holstein abschloss. »Das Land hat den beiden besten Absolventen ein Stipendium für ein Studium angeboten.
Diesen Weg dann nicht zu gehen, das war eine große Sache«, berichtet Schumacher. Er überlegte lange, aber wieder war ihm klar: Er möchte einen Job machen, der ihm Zukunftsperspektiven in seiner Region bietet. Er entschied sich, mit einer Lehre als Bankkaufmann seinen Ausbildungsweg zu ergänzen. Es folgt der Fachwirt, Betriebswirt und schließlich der Agrarfinanzberater. Da Marten Schumacher aber sein Herz an die praktische Landwirtschaft hängt, baute er zusammen mit seinem Bruder eine Mutterkuhhaltung auf und nimmt das verpachtete Land Stück für Stück zurück in die Selbstbewirtschaftung.
Drei Berufe. So wechselte Schumacher zur Bausparkasse und betreut dort auf selbstständiger Basis Kunden im wohnwirtschaftlichen Bereich. »Da bin ich zwar nicht mehr so nah an der Landwirtschaft, aber die Selbstständigkeit lässt sich gut mit unseren verschiedenen Betriebszweigen verbinden«, sagt Marten Schumacher. Und diese Betriebszweige sind inzwischen vielseitig: Acker- und Grünlandbau, eine Damwild-Herde von 60 Tieren und die 50 Angus-Rinder. Das Fleisch vermarkten Schumachers direkt. Die Schlachtung findet nur sieben Kilometer vom Hof entfernt statt und die Kunden können entweder direkt bei Schumachers in größeren Paketen kaufen oder auch seit Neustem in einem ortsnahen Rewe-Markt in der Frischetheke. »Die Kombination aus all diesen Zweigen macht mir unheimlich Spaß«, sagt Marten Schumacher.
Fazit. In der Region zu bleiben ist genauso vielfältig wie hinaus in die Welt zu gehen.
Darin sind sich alle einig
Die fünf verschiedenen Lebenswege haben drei Gemeinsamkeiten:
- Die Ausbildung und das Studium der Agrarwirtschaft sind eine solide und breit gefasste Grundlage, die alle immer wieder wählen würden.
- Das Thema Personalführung, Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen wurde in Ausbildung und Studium kaum gelehrt und später in Eigenregie nachgeholt.
- Das in Ausbildungs- und Studienjahren aufgebaute Netzwerk trägt bis heute. All unsere Gesprächspartner empfehlen: Netzwerken und Kontakte knüpfen gelingt am besten nach Sonnenuntergang – fürs Feiern sollte genug Zeit eingeplant werden.