
Interview. »Die Adoption hat viele Vorteile«
Immer mehr landwirtschaftliche Betriebe stehen vor der Herausforderung, dass keine Nachfolger aus der eigenen Familie zur Verfügung stehen. Damit rückt die außerfamiliäre Hofnachfolge zunehmend in den Fokus.
Herr Dr. Thiel, wenn ein Landwirt keinen Nachfolger für seinen Betrieb hat, welche rechtlichen Modelle kommen für eine außerfamiliäre Übergabe infrage?
Dem Unternehmer stehen hier sowohl Gestaltungen des allgemeinen Zivilrechts als auch – sofern anwendbar – die besonderen Regeln des Höferechts offen.
Lassen Sie uns die möglichen Gestaltungswege doch Schritt für Schritt durchgehen. Wie praktikabel sind Verkauf oder Verpachtung?
Ein Verkauf ist rechtlich unkompliziert, birgt aber häufig einen emotionalen Preis. Die meisten Unternehmerfamilien möchten den Hof nicht endgültig abgeben. Hinzu kommt, dass beim Verkauf – selbst wenn der begünstigte »halbe Steuersatz« greift – erhebliche Einkommensteuer anfallen kann, sofern der Erlös nicht wieder in betriebliche Vermögenswerte reinvestiert wird. Eine Alternative zum Gesamtverkauf ist daher die Verpachtung des Betriebes, um möglicherweise den Zeitraum zu überbrücken, bis potentielle Nachfolger gefunden sind.
Und wie sieht es mit der vorweggenommenen Erbfolge aus?
Innerhalb der Familie üblich ist die unentgeltliche Übertragung zu Lebzeiten, häufig gegen Vereinbarungen wie Altenteil, Nießbrauch oder Pflegeverpflichtungen. Was viele nicht wissen: Ist in der Familie kein geeigneter Nachfolger vorhanden, kann auch ein Adoptivkind als Nachfolger eingesetzt werden.
Manche Betriebsleiter erwägen, eine Gesellschaft zu gründen. Was spricht dafür?
Eine Gesellschaft, häufig eine Personen- oder Kapitalgesellschaft, erlaubt eine gleitende Übergabe. Man kann den Einfluss, die Haftung und die Kapitalbeteiligung flexibel regeln und den künftigen Betriebsleiter schrittweise einbinden. Wichtig ist dann allerdings zu entscheiden, ob die Flächen ebenfalls in die Gesellschaft eingebracht oder separat verpachtet werden.
Schließlich hört man gelegentlich von Stiftungen als Lösung.
Ja, richtig. In seltenen Fällen wird eine Stiftung, beispielsweise als Familienstiftung oder gemeinnützige Variante gegründet, um den Erhalt des Vermögens und den Fortbestand des Betriebs zu sichern. Die Stiftung tritt als Eigentümerin auf, der Betrieb wird über eine externe Geschäftsführung oder Verpachtung geführt, Erlöse können der Familie zufließen. Anders als oft suggeriert wird, entstehen aber auch im Zusammenhang mit der Stiftung regelmäßig Steuerlasten, die bei der Gestaltung zu berücksichtigen sind.
Sie sprachen es an: Ein eher ungewöhnlicher Weg ist die Adoption eines volljährigen Nachfolgers. Unter welchen Bedingungen greift dieses Instrument?
§ 1767 BGB erlaubt die Erwachsenenadoption, wenn bereits über längere Zeit ein elternähnliches Verhältnis bestanden hat. Entscheidend ist, dass die Beziehung mehr ist als ein reines Arbeits- oder Betreuungsverhältnis – etwa bei langjährigen Mitarbeitern, entfernten Verwandten oder Pflegekindern. Auch das Altersgefüge muss passen.
Wann lohnt sich eine solche Adoption?
Erstens, wenn der Betrieb an eine Person übertragen werden soll, die rechtlich besser eingebunden werden muss, beispielsweise mit erbrechtlicher und damit auch erbschaftsteuerlicher Gleichstellung. Zweitens, um Pflichtteilsansprüche anderer Angehöriger zu reduzieren oder zu vermeiden. Drittens, weil das Höferecht die Übertragung an einen »Abkömmling« verlangt – durch die Adoption wird der formale Status geschaffen.
Beachten Sie: Eine Adoption verändert die gesetzliche Erbfolge, kann Pflichtteilsansprüche verschieben oder auslösen und sollte daher in ein umfassendes Nachfolgekonzept eingebettet sein. Der Adoptionsantrag ist notariell zu beurkunden.
Viele Landwirte trennen heute Eigentum und Betrieb, zum Beispiel über eine Flächenbesitzgesellschaft. Welche Vor- und Nachteile hat dieses Modell?
Der Grundbesitz wird in eine Besitzgesellschaft (i. d. R. GmbH & Co. KG) eingebracht, der operative Betrieb wird durch eine Betriebsgesellschaft oder einen Dritten als Nachfolger geführt. So bleibt das Vermögen in der Ursprungsfamilie, die Flächen können über langfristige Pachtverträge gebunden werden, und die Gesellschaftsanteile lassen sich erbschaftsteuerlich begünstigt übertragen. Gleichzeitig profitieren die Erben von flexiblen Ausschüttungsmöglichkeiten aus den Pachterlösen.
Wo liegen die Fallstricke?
Der Vertrag zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft muss rechtssicher ausgestaltet sein; andernfalls drohen steuerliche und haftungsrechtliche Risiken. Zudem kann es zu Konflikten zwischen den Gesellschaftern oder zwischen Eigentümern und Betriebsführenden kommen – diesen sollte man durch klare Gesellschafts- und Pachtverträge vorbeugen.
Was passiert mit eigenen Kindern oder anderen Pflichtteilsberechtigten? Wie lassen sich deren Rechte sichern, ohne die Betriebsübergabe zu gefährden?
Auch wenn der Betrieb außerfamiliär übergeben wird, müssen etwaige Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten (insbesondere Kinder und Ehegatten) berücksichtigt werden. Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, gibt es ein ganzes Bündel an rechtlichen Instrumenten.
Der stärkste Hebel ist ein notarieller Pflichtteilsverzicht der Kinder, oft gegen eine als fair empfundene Abfindung. Dieser kann auch im Rahmen eines Übergabe- oder Erbvertrages vereinbart werden, z. B. gegen Versorgungs- oder Ausgleichszahlungen, sodass später keine Pflichtteilsergänzungen drohen. Wer betriebsfremdes Vermögen schon Jahre vor dem Erbfall in Etappen überträgt, nutzt mehrfach Freibeträge. Weichende Erben kann man über Mitgesellschafterstellungen, stille Beteiligungen oder Genussrechte beteiligen. Unverzichtbar ist ein sauber abgestimmtes Zusammenspiel von Testament, Gesellschafts‑ und Pachtverträgen.
Ihr Rat an Betriebe, die eine außerfamiliäre Nachfolge in Erwägung ziehen?
Beginnen Sie frühzeitig mit der Planung und rechtlichen Abstimmung der Maßnahmen, um sowohl die Fortführung des Betriebs als auch die Interessen der Familie zu wahren. Häufig bedarf es hier einer längeren Vorlaufzeit als bei der klassischen innerfamiliären Hofnachfolge.