
Haltungsformen. Der Markt spaltet sich weiter auf
Alle Anzeichen sprechen für eine positive Entwicklung am Schweinemarkt. Doch durch die neuen ITW-Regeln wird es innerhalb der Haltungsform 2 zu einer Preisdifferenzierung kommen. Albert Hortmann-Scholten gibt einen Überblick.
Der Schweinepreis lieferte zu Jahresbeginn keinen Grund zum Jubeln – der MKS-Schock sorgte für eine Talfahrt. Auch die fehlenden Schlachttage rund um Weihnachten und Neujahr hinterließen Spuren. Der Schweinestau führte zu Übergewichten, wodurch der wahre Einkaufspreis der Schlachter geschätzt noch 10 Cent unter dem VEZG-Preis (Grafik 1) lag. Dennoch: Es gibt genügend Gründe, die Preisaussichten für Schweinehalter positiv zu bewerten.

Einzelhandel bekennt sich zu heimischen Produkten
Zunächst ist festzuhalten: Die Produktion von Schweinefleisch in Deutschland ist teuer: Im EU-Vergleich liegen die Produktionskosten überdurchschnittlich hoch, weltweit – mit Blick auf die großen Wettbewerber Brasilien und USA – sowieso. Das weiß auch der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und trägt im Rahmen der Vereinbarungen der »Zentralen Koordination Handel-Landwirtschaft« (ZKHL) eine 5 x D-Kennzeichnung mit. Er hat begonnen, Produkte wie frisches Schweine-, Rinder- und Geflügelfleisch, Eier, Obst, Gemüse, Kartoffeln sowie bestimmte Milchprodukte mit dem neuen Zeichen »Gutes aus deutscher Landwirtschaft« auszuloben. Für einige Unternehmen des LEH spielt die deutsche Herkunft mittlerweile sogar eine wichtigere Rolle als das Thema Tierwohl.
Positive Marktaussichten
Abgesehen von diesem »Rückenwind« sprechen weitere Gründe für steigende Schweinepreise:
- Die Nutztierbestände in Deutschland und der EU sinken. Nicht zuletzt die Tatsache, dass ITW-Schweine ab der neuen Programmphase 12,5 % mehr Platz haben müssen, dämpft die Prognose der Schlachtzahlen in Deutschland für 2025. Hinzu kommen Zuwächse bei den Haltungsformen (HF) 3 bis 5, deren geringere Produktionseffizienz die erzeugte Fleischmenge reduziert.
- In den Niederlanden werden 19 % der Schweinehalter die Ausstiegsförderung nutzen. Dabei gilt: Je jünger der Betriebsleiter, desto höher die Prämie – für die Zukunft macht das einen weiteren Produktionsabbau absehbar. Die Angst vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) hemmt in Frankreich und Italien die Investitionen in die Schweineproduktion. Neben steigenden Umweltauflagen haben Erzeuger in Spanien Probleme mit PRRS und dem neuartigen Rosalia-Virus. Auch hier wachsen die Bäume also nicht (weiter) in den Himmel. Niedrige Schlachtschweinepreise führen in Dänemark zu einem Rückgang der Erzeugung. Dort setzt sich die Produktionsverlagerung in die Sauenhaltung fort. Hinzu kommt für dänische Schweinehalter ab 2030 eine Klimasteuer, die die Produktion verteuern wird.
- Weltweit steigende Kosten. Die FAO sieht wegen höherer Produktionskosten global einen Produktionsrückgang, vor allem in China.
- Wenig Tiefkühlvorräte. In Deutschland waren die Lagerbestände im Januar für den Saisonzeitpunkt vergleichsweise niedrig.
- Verbraucherpreise anderer Fleischarten. Extrem hohe Rindfleischpreise (trotz MKS) machen Schweinefleisch an der Ladentheke umso wettbewerbsfähiger. Und auch Geflügelfleisch ist teurer geworden.
Unsicherheit über die Nachfrage nach Tierwohlfleisch
Dass die positiven Aussichten Investitionen in die Schweinehaltung auslösen werden, ist noch längst nicht ausgemacht. Die Betriebe stehen weiterhin vor der Frage, auf welche Haltungsform sie ihre Produktion künftig ausrichten sollen. Derzeit haben die HF 3 bis 5 nur einen Marktanteil von rund 5 % (Grafik 2).
Eine Lehre aus der Vergangenheit ist, dass der Handel seine Meinung gerne mal ändert. So zum Beispiel bei der Ebermast. Trotz einstiger Bekenntnisse liegt der Marktanteil heute allenfalls konstant auf einem niedrigen Niveau von unter 5 %.
Entsprechend groß ist nach wie vor die Skepsis, ob die angekündigte Umstellung des Frischfleischangebots im LEH auf HF 3 und höher bis 2030 tatsächlich umgesetzt wird. Auch mit staatlicher Förderung liegt in einer darauf ausgerichteten Investitionsentscheidung (so sie überhaupt baurechtlich genehmigt wird) ein hohes Risiko. Angesichts der unklaren Nachfragesituation könnte die Förderung ein falsches Marktsignal erzeugen. Denn die Investitionen beschäftigen die Betriebe deutlich länger als die derzeit verfügbaren Abnahmeverträge. Wenn überhaupt, sichert nur die Kombination aus Förderung und höheren Abnahmepreisen die Wirtschaftlichkeit von Investitionen in Tierwohlställe der HF 3 und höher. Das Risiko, dass vor Ablauf der Abschreibung keine Liefervetrräge mehr angeboten werden, weil die Nachfrage doch nicht so eingetreten ist wie erhofft, trägt allein der Schweinehalter.
Der LEH muss erkennen, dass die Umstellung auf höhere Haltungsformen im Schweinefleischbereich besonders schwierig und teuer ist. Sie ist bei den momentan ausgewiesenen Bonuszahlungen für die meisten Betriebe wenig lukrativ. Zudem steigen angesichts der seuchenhygienischen Risiken durch die MKS und die ASP die Produktionsrisiken für Haltungssysteme mit Auslauf. Entsprechende Versicherungen sind – wenn überhaupt verfügbar – sehr teuer und tragen Schäden maximal für zwei Jahre.

Preisdifferenzierung in Haltungsstufe 2
Die neue Nämlichkeit in der ITW führt zu einer Preisdifferenzierung innerhalb der HF 2. Die Initiative Tierwohl (ITW) hat in den vergangenen Jahren für hohe Zuwächse in HF 2 gesorgt. Trotz eines leichten Teilnahmerückgangs mit dem Beginn der vierten Programmphase 2024 sind derzeit deutlich mehr ITW-Tiere am Markt, als dieser mit der unverbindlichen ITW-Preisempfehlung von 5,28 € vergüten kann. Umso spannender wird es, wenn zum 1.4.2025 die sogenannte Nämlichkeit kommt. Das heißt, die dann gültige neue Preisempfehlung von 7,50 € wird nur für Schlachtschweine gezahlt, für die eine durchgängige ITW-Teilnahme von der Ferkelerzeugung bis zur Mast belegt ist. Mäster, die (auch) Nicht-ITW-Ferkel beziehen, erhalten 6,50 €. Ab 2026 wird dieser Betrag nochmals gesenkt auf 6 €.
Die große Frage ist, ob der Anteil der ITW-Sauenhalter ausgebaut werden kann. Laut einer VEZG-Umfrage im Januar werden im Norden 60 % der Ferkel nach ITW-Vorgaben aufgezogen, im Süden sind es nur 40 % (Übersicht). 2025 ist maximal mit 15 bis 16 Mio. »vollnämlichen« ITW-Schlachtschweinen zu rechnen (2024 wurden insgesamt 26,5 Mio. ITW-Schweine geschlachtet). Nur ein verlässlicherer und deutlich höherer Bonus als die aktuelle (unverbindliche) Preisempfehlung würde zu einem höheren Angebot an nämlichen ITW-Ferkeln führen. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Prämien für nicht »vollnämliche« Schlachtschweine bei einem Überangebot an HF 2-Tieren sinken. Hinzu kommt, dass der LEH besonderen Wert auf eine deutsche Herkunft legt. Hieraus wird wohl ebenfalls eine Preisdifferenzierung erwachsen. Insgesamt heißt das: Vollnämliche ITW-Schlachtsweine (mit 5 x D) bevorzugt vor »ITW nur in der Mast«-Tieren (5 x D) und solchen mit ausländischer Ferkelherkunft.
Vor dem Hintergrund hoher Ferkelimporte nach Deutschland und hoher Investitionen, die hiesige Sauenhalter tätigen müssen, um in der Produktion bleiben zu können (Umbau Deckzentrum und Abferkelung), wird das Angebot an Schlachtschweinen mit einer 5 x D-Herkunft künftig sehr begrenzt bleiben. Zwar können auch Sauenhalter aus dem Ausland an der ITW teilnehmen. Derzeit haben aber nur sehr wenige Betriebe einen solchen Antrag gestellt.
Staatliche THK aussetzen?
Haltungskennzeichnung. Die Initiative Tierwohl (ITW) fordert von der neuen Bundesregierung, das staatliche Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (THKG) zu überarbeiten und dessen Umsetzung zu überdenken. Laut ITW gibt es derzeit unnötige bürokratische Hürden und fehlende Kontrollen, während die gesetzliche Kennzeichnung lediglich einen Teil des Fleischsortiments abdeckt und nur auf den Lebensmitteleinzelhandel abzielt. Die ITW schlägt vor, das erfolgreichere privatwirtschaftliche Kennzeichnungssystem stärker einzubeziehen. Und es brauche eine europaweite Kennzeichnungsregelung, die alle Vertriebskanäle umfasst. Zudem warnt die ITW vor den hohen finanziellen Aufwendungen, die nötig wären, um das staatliche Label ähnlich bekannt zu machen wie das vom Handel etablierte System. -Be-
Angabe der Fleischherkunft in Restaurants
Frankreich. Bei unseren westlichen Nachbarn wird die Angabe der Herkunft von Fleisch für Restaurants verpflichtend. Bereits zuvor galt dies für den Einzelhandel. Ausgewiesen werden muss das Land der Aufzucht und der Schlachtung. Bereits verarbeitetes oder gekochtes Fleisch fällt nicht unter diese Vorschriften. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Qualität französischer Produkte hervorzuheben und den Verbrauchern die Wahl von lokal produziertem Fleisch zu ermöglichen. Die Regierung sieht darin die Vereinbarkeit der steigenden Verbraucheransprüche mit den Interessen der Landwirtschaft. Eine zuvor auf zwei Jahre befristete Regelung wird damit nun dauerhaft umgesetzt. Dies geschieht auch, da eine EU-weite Lösung nach wie vor nicht absehbar ist.
In Deutschland wird ebenfalls eine umfassende Herkunftskennzeichnung gefordert, um die heimische Landwirtschaft zu unterstützen. Die Zentrale Kommission Handel - Landwirtschaft (ZKHL) hat 2023 bereits ein deutsches Herkunftssiegel vorgeschlagen, das jedoch primär den Einzelhandel betrifft und den Außer-Haus-Verzehr nicht abdeckt. -Be-
Höhere Kosten durch Segmentierung
Die mit den Haltungsformstufen verbundene Segmentierung der Märkte verursacht Kosten. Diese schlagen sich deutlich in der Preisspanne zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreis nieder (Grafik 3). Sie bewegte sich über Jahrzehnte zwischen 1,80 und 2,50 €, derzeit liegt sie bei rund 5,20 €. Höhere Kosten durch die Segmentierung entstehen sowohl im Viehhandel als auch in den Schlachthöfen. Da die Warenstromtrennung in den HF 1 bis 5 häufig zu einer schwierigeren Tourenplanung führt, sinken die Synergieeffekte in der Schlachttiererfassung. Die Rückverfolgbarkeit und der bürokratische Aufwand in der Warenstromlogistik bis zum point of sale im LEH steigt erheblich an. In den Schlachthöfen erschwert sich durch Nachfrageschwankungen bei den einzelnen Haltungsformen die Planung der Warendistribution.
