
Dünger. Verzichten, weil zu teuer?
Keine Frage, die Düngerpreise passen nicht zu unseren Getreidepreisen. Aber ganz verzichten geht auch nicht. Noch besteht Aussicht, dass wenigstens Harnstoff etwas günstiger wird. Und auch Nitrate haben noch Luft nach unten.
Es ist weder ein rein deutsches noch ein europäisches Problem. Vielmehr ist es global ein Thema unter Landwirten: Die Getreidepreise sind so niedrig, dass am Dünger gespart werden muss – es sei denn, die Preise fallen. In den USA etwa wird derzeit heftig darüber gesprochen, flüssiges Ammoniak als günstigsten Herbstdünger einzusetzen und dann erst einmal abzuwarten, was das Frühjahr bringt. Auch in Osteuropa sind die Bauern nicht in Kauflaune, ebenso wenig in Frankreich.
Harnstoff kommt auf dem Weltmarkt unter Druck
Die einzigen, die Dünger in großen Mengen kaufen, sind die Inder, die importierte Ware für ihre Landwirte subventionieren. Aber das hat politische Gründe (Kasten). Jedoch offenbaren die großen Ausschreibungen der indischen staatlichen Einkaufsbehörde, was auf dem Weltmarkt los ist. Auf die nachgefragten 2 Mio. t Harnstoff gab es Gebote über fast 5,6 Mio. t. Und davon stammt ein großer Teil aus China. Das bedeutet zweierlei:
- Erstens gibt es auf dem Weltmarkt derzeit einen Überschuss an Harnstoff, und das drückt auf den Preis. Der Indientender war mit 465 US-$/t geliefert frei Hafen um gut 60 US-$/t günstiger beboten als vier Wochen zuvor.
- Zum Zweiten zeigt dies, dass China seine Exportpolitik ändert, wenigstens zeitweise. Von Januar bis Juli exportierte China nur 770 000 t Harnstoff. Im Sommer gab es sogar einmal kurzzeitig ein Exportverbot. Dann hieß es 2 Mio. t, später 3 und jetzt spricht man von 4 Mio. t, die bis Ende Oktober verkauft werden sollen. Dahinter steckt nicht zuletzt der Einbruch der chinesischen Wirtschaft, denn Harnstoff ist nicht nur ein Dünger, sondern ein universeller Rohstoff der Chemie- und Kunststoffproduktion und wird zudem für AdBlue benötigt – E-Autos benötigen aber kein AdBlue.
Es bestehen also gute Chancen, dass die Harnstoffpreise auf dem Weltmarkt fallen und damit auch Importe günstiger werden. Das bliebe nicht ohne Auswirkungen auf die Preise für Nitrate. Zuletzt lag der Preis bei 500 €/t für inhibierte Ware in den Kanal- und Flusshäfen. Umgerechnet auf das kg N war KAS damit nur um 7 Ct teurer als Harnstoff, das ist schon ungewöhnlich niedrig und entspricht gerade einmal dem Wert der Kalkzehrung.
Sparprogramme in Europa
Alle großen Düngerhersteller in Europa fahren derzeit Sparprogramme, viel Luft für Preissenkungen besteht offensichtlich nicht. LAT etwa hat sein Projekt für grünen Wasserstoff und damit grünen Harnstoff am Standort Linz aus wirtschaftlichen Gründen am 10. September gestoppt. Dennoch müssen die Düngerfabriken an der Preisschraube nach unten drehen, sollen die Werke weiter laufen. Die KAS-Preise sind inzwischen auf 320 €/t frei Binnenhafen gefallen (dazu kommen noch Umschlag, Marge und Ablauffracht), erste Gespräche gibt es schon über 315 €/t. Der Aufschlag für BigBags liegt nur noch bei 13 €/t, was kaum kostendeckend ist, aber den Absatz ankurbeln soll. Und Stickstoff-Schwefel-Kombinationen wie das Sulfan kosten nur noch 10 €/t mehr als KAS. Das zeigt, dass die Hersteller bereit sind, an die Grenzen zu gehen. Und wenn der Preis für Harnstoff fällt, kann auch KAS noch günstiger werden. 10 bis 20 €/t sind nicht vorhersehbar, aber denkbar.
Das einzige Problem an der Sache ist die Logistik
Der Handel geht in dieser angespannten Lage keine Positionen ein. Wenn die Landwirte nicht kaufen, ordert der Handel daher auch kein Schiff mit Harnstoff. Und wenn im Januar/Februar dann doch Nachfrage aufkommt, ist so schnell nichts aus Importen zu besorgen. Dann würden die Preise für in der EU produzierte Ware rasch steigen. Es kommt also darauf an, den richtigen Moment abzupassen. So wie es aussieht, dürfte der in der ersten Oktoberhälfte liegen. Zumal ab Januar auf Düngerimporte (inklusive Ammoniak) auch CO2-Abgaben fällig werden, deren Höhe heute noch niemand prognostizieren kann.