
Blauzungenvirus. Keine Aussicht auf Besserung
Die Schäden durch die Blauzungenkrankheit waren im vergangenen Jahr enorm und die Betriebe kämpfen noch immer mit den Folgen. Impfen bleibt die einzige Vorsorgemöglichkeit.
Nach der Saison 2024 ist vor der Saison 2025 – die Blauzungenkrankheit wird die Milchviehhalter auch in diesem Jahr weiter belasten. Derzeit kämpfen viele Betriebe mit den Folgen des Ausbruchs von BTV3 im vergangenen Jahr. Immer noch ist die Herdenleistung niedriger, zahlreiche Kühe verkalben oder werden gar nicht erst tragend. In vielen Betrieben ist die Futteraufnahme reduziert und die Tiere bewegen sich weniger als früher. Probleme mit Euterentzündungen und stark erhöhte Zellzahlen gehören außerdem zu den Folgen der BTV-Erkrankungen. Im Bereich der Klauen treten vermehrt Kronsaumentzündungen, Mortellaro, Rehe und Geschwüre auf. Außerdem steigen die Abortraten und die Zahl der Todgeburten.
Wie geht es 2025 weiter?
»Wir wissen nicht, wie das BTV-Virus über den Winter kommt«, sagt Prof. Dr. Martin Beer vom Friedrich Löffler Institut (FLI), höchstwahrscheinlich aber nicht wie z. B. das Schmallenberg Virus in den Gnitzen«. Eine Möglichkeit sei, dass auch im Winter noch Infektionen die Ställe durchlaufen – sogenannte »Indoorinfektionen. Ein anderer Weg zum Überleben des Virus können die Kälber sein.
Trojanische Kälber.
Ähnlich wie bei BVD kann das Virus in der Trächtigkeit auf den Fötus übergehen und dann werden einige Monate später BTV-positive Kälber geboren, sogenannte »Trojanische Kälber«. Das konnte das FLI bereits bei einigen Tieren nachweisen. Praxisbetriebe berichten parallel dazu, dass derzeit vermehrt Kälber mit erheblichen gesundheitlichen Problemen geboren werden. Einige Kälber sind zwar auf den ersten Blick körperlich normal entwickelt, sie verhalten sich aber apathisch, haben getrübte Linsen im Auge und/oder haben nur einen schwachen oder gar keinen Saugreflex. Bei etlichen Tieren vermuten Tierärzte eine Hirnschädigung. Andere Kälber sind gleich nach der Geburt zu lebensschwach, um aufstehen zu können.
Nachweis. Zwar bleibt BTV im Blut infizierter Tiere etwa 40 bis 80 Tage aktiv, indem es an rote Blutkörperchen andockt. Und über sieben Monate ist mittels PCR (Polymerase-Kettenreaktion) nachweisbar, ob ein Tier infiziert ist. Der PCR-Test kann auch im Gegensatz zum Antikörpertest bestimmen, welcher Serotyp vorliegt. Jedes Tier zu testen, ist besonders in großen Beständen kaum möglich. Stichproben sind aber sinnvoll. Auch um andere Erkrankungen ausschließen zu können.
Serotypen in den Nachbarländern
Europa. Das Blauzungenvirus gehört zur Virusgruppe der »Orbiviren«, die in verschiedenen Stämmen über Europa verbreitet auftritt und mit der wir uns laut Prof. Dr. Martin Beer vom Friedrich Löffler Institut (FLI) in den nächsten Jahren auseinandersetzen müssen. Über 100 Gnitzen müssen durchschnittlich an einem Tier saugen, damit sich eines der Insekten daran infiziert. Diese eine Gnitze reicht aber aus, um das Virus dann auf das nächste Tier zu übertragen. Im Oktober ist in den Niederlanden mit BTV 12 bereits der nächste, in Europa neue Serotyp aufgetaucht. Vermutlich wurde er aus Afrika oder dem Nahen Osten eingeschleppt. Glücklicherweise hat sich dieser Virusstamm bisher nur in wenigen Betrieben (Einzelnachweise in zwölf Beständen) verbreitet und das lässt hoffen, dass es das Virus durch diesen schwachen Anfang nicht schafft, zu überwintern.
Frankreich hat mittlerweile sehr viele Orbiviren in den Beständen registriert. BTV 3 ist bislang überwiegend im Norden des Landes aufgetaucht. BTV 8 war 2024 besonders im Süden und Osten Frankreichs mit deutlich sichtbaren Symptomen aufgetreten. Ein weiterer Orbivirus ist »Epizootic Hemorrhagic Disease Virus (EHDV)«, das nur Rinder betrifft. Die in Frankreich registrierten Erkrankungen verliefen bisher moderat, aber durchaus sichtbar.
Besonders bitter: In manchen französischen Regionen treten alle drei Virusvarianten gleichzeitig auf.
Nach EU-Recht sind alle diese Virusarten der »Kategorie C« zugeordnet. Das heißt, der Mitgliedstaat entscheidet, wie er mit einem Ausbruch umgeht: Soll ein Programm mit dem Ziel der kompletten Virus-Auslöschung aufgelegt werden? Welcher Stellenwert wird dem Virus-Nachweis beigemessen?
Tierverluste bei Erkrankungen einer Virusart der Kategorie C werden nicht wie bei A entschädigt. Die Folge kann eine eingeschränkte Bekämpfung des Virus durch die Regierung sein oder der Übertrag dieser Aufgabe auf das Bundesland und dann auf den Landwirt. Doch der hat ja z. B. keinen Einfluss darauf, ob und wie schnell ihm ein Impfstoff gegen die Krankheit zur Verfügung steht.
Schutz vor Ausbreitung
Der einzige Schutz vor einer Ausbreitung des BTV Serotyps 3 im Bestand bleibt weiterhin die Impfung. 2024 waren viele Betriebe, oftmals aufgrund des Mangels an Impfstoffen, zu spät dran mit der Grundimmunisierung der Herde und die Folgen waren gravierend.
Da die Aktivität der Gnitzen vom Wetter abhängig ist, muss 2025 mit einem erneuten Anstieg der Infektionen ab Juni beziehungsweise Juli gerechnet werden. Es ist deshalb empfehlenswert, spätestens ab Februar – sofern noch nicht geschehen – mit der Impfung zu beginnen. Aber auch alle im vergangenen Jahr bereits geimpften Tiere müssen vor der Weidesaison nochmal geboostert werden. Auch 2024 an Blauzunge erkrankte Tiere sollten trotz der natürlich aufgebauten Immunität zusätzlich geimpft werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Betriebe, die vor dem BTV-Einbruch bereits vollständig geimpft hatten, kaum bzw. deutlich weniger Milchverluste verzeichneten.
»Kälber aus bisher nicht an dem Blauzungenvirus erkrankten Müttern sollten ab einem Alter von vier Wochen geimpft werden«, empfiehlt Prof. Dr. Martin Beer. Sind die Mütter geimpft oder waren bereits mit BTV 3 infiziert, sollten die Kälber bei der ersten Impfung 2,5 Monate alt sein.
Impfbereitschaft ist hoch
»Die Bereitschaft zu impfen, ist erfreulicherweise sehr hoch«, sagt Dr. Mark Holsteg vom Tiergesundheitsdienst Nordrhein-Westfalen, »kein Wunder im Hinblick darauf, dass die Schäden in den Betrieben so gravierend waren, dass die Impfkosten demgegenüber kaum ins Gewicht fallen«. Glücklicherweise greift durch Artikel 110 des EU-Rechts weiterhin die sogenannte Gestattung. Das heißt, die Impfung ist auch ohne Zulassung möglich. Und die ursprünglich bis zum 6. Dezember geltende Ausnahmeregelung für die Vakzine der drei auf dem Markt verfügbaren Hersteller wurde vom BMEL lückenlos und ohne zeitliche Begrenzung verlängert. Alle drei Impfstoffe sind sicher, unschädlich und bleiben ohne relevante Impfreaktionen. In Felduntersuchungen des FLI zeigte sich allerdings, dass sich die drei Vakzine in ihrem Wirkungsgrad unterscheiden. Aktuell bezahlen folgende Bundesländer Zuschüsse für die Impfung:
- Baden-Württemberg: 2 €/Rind (1 € TSK und 1 € Land),
- Bayern: 1 €/Impfung,
- Brandenburg: Die TSK zahlt auf Antrag Beihilfen,
- Hessen: 3 €/Impfdosis,
- Mecklenburg-Vorpommern: Die TSK zahlt auf Antrag Beihilfen,
- Niedersachsen: 4 € je grundimmunisiertes Tier für ab dem 01.01.2025 durchgeführte Impfungen (inklusive Auffrischungsimpfungen). Außerdem wird eine Härtefallbeihilfe für Tierverluste je nach Alter der Tiere ausgezahlt (1 000 € für geimpfte Rinder ab einem Alter von 24 Monaten, 700 € für geimpfte Rinder zwischen 12 und 24 Monaten sowie 300 € für geimpfte unter 12 Monate alte Rinder),
- Nordrhein-Westfalen: 2 €/Impfdosis,
- Rheinland-Pfalz: 2,50 €/Impfung,
- Saarland: 1,50 €/Impfung,
- Sachsen: 1 €/Impfung,
- Sachsen-Anhalt: 4 €/Impfung,
- Schleswig-Holstein: 2 €/Rind und
- Thüringen: 1 €/Rind.
Unterstützung für die Herde?
Fütterung. Oftmals verschärft ein Einbruch von BTV 3 in den Bestand »suboptimale« Gesundheitsbedingungen. Dennoch kann das Virus aber nicht ausschließlich für alle Probleme der Herde verantwortlich gemacht werden. »Im Bereich Fütterung bedeutet dies, dass zunächst die Ration auf Unausgewogenheiten überprüft werden sollte, um diese beispielsweise als Grund für eine erhöhte Futterselektion oder Pansenfermentationsprobleme auszuschließen«, sagt Dr. Denise Völker, Milchviehfütterungsberaterin. »Wirklich vorbeugen gegen eine Erkrankung mit dem Blauzungenvirus kann man nicht. Um das Immunsystem der Kühe zu stärken, empfehle ich, die Spurelementeversorgung der Herde noch einmal anzuheben«.