Biosprit. Der Betrug mit HVO und Ölabfällen geht weiter
In der EU ist Palmöl als Biodieselrohstoff nicht erlaubt. Aber umdeklariert als Abfall wird er zum bevorzugten Rohstoff. Die Doppelanrechnung auf die Treibhausgasminderungsquote schafft unverändert Anreize zum Betrug.
Gelegenheit macht Diebe«, sagt ein altes Sprichwort. Und die komplexen EU-Vorschriften zur CO2-Minderung sind eine solche Gelegenheit für Betrüger. Das Prinzip ist einfach: Palmöl als Rohstoff für Biodiesel wird in Deutschland seit 2023 nicht mehr auf die Minderungsquote für Treibhausgas (THG) angerechnet. Ausdrücklich erwünscht und gefördert sind aber Altspeisefette aus Kantinen. Biodiesel aus solchen Quellen werden bis zu einer Beimischung von 1,7 % doppelt auf die THG-Minderung angerechnet. In der Menge sogar unbegrenzt doppelt angerechnet werden Abfallstoffe aus der Lebensmittelerzeugung. In beiden Fällen ist es dabei völlig unerheblich, ob der Ausgangsstoff Palmöl, Tierfett, Rapsöl oder Mais war. Das entscheidende Kriterium ist ausschließlich, wie der Rohstoff im Prozess entsteht. Es lohnt sich also für die Mineralölwirtschaft, Biosprit aus solchen Rohstoffe einzusetzen – und da es um dreistellige Millionenbeträge geht, ist es nicht mehr weit zum Betrug.
Das Prinzip ist recht einfach: Man muss nur einen Rohstoff als Abfall erklären und dafür ein Zertifikat bekommen. Einfach ist das bei Mais aus der Ukraine. Es erscheint als plausibel, dass Mais aus dem Kriegsgebiet durch Bombenschäden in einem Lager oder Minen auf einem Feld nicht zum Verzehr oder als Futter geeignet sind.
Eine Zertifizierung in diesen Gebieten ist zudem schwierig und auch gefährlich, weshalb Zertifikate von inländischen Kontrolleuren in der Regel akzeptiert werden. Ethanol aus diesem Mais kann doppelt auf die THG-Minderung angerechnet werden.
In viel größerem Umfang und vor allem amtlich bestätigt ist der Betrug mit indonesischem Palmöl: Bei der Herstellung von Palmöl entstehen zwangsweise Abfälle. Typischerweise sind das säurereiche Palmölabscheidungen (HARPOR) oder Palmölreste aus dem Abwasser der Ölmühlen (POME). Chemisch gesehen handelt es sich dabei um Palmöl. Die indonesische Regierung schätzt, dass bei einer jährlichen Erzeugung von 46 Mio. t Palmöl etwa 300 000 t Palmölabfälle entstehen.
Zertifikatbetrug hat System
Das Umweltbundesamt (UBA) hat mittlerweile nach langem Zögern auf ähnlich gelagerte Betrugsfälle reagiert. Es hat 45 chinesische Projekte als Betrug eingestuft, die sogenannte UER-Zertifikate (Upstream Emission Reduction) ausgestellt hatten. Das sind CO2-relevante Verbesserungen in der Rohölförderung und Verarbeitung, die Shell & Co jedes Jahr nachweisen müssen, um die THG-Ziele einzuhalten. Wirtschaftsdetekteien hatten herausgefunden, dass es die angeblichen Anlagen gar nicht gibt.
Tatsächlich wurden im Jahr 2023 aber 4,9 Mio. t Palmölabfälle exportiert. 2024 waren es nach offiziellen Angaben von Januar bis Oktober 3,5 Mio. t. Die Schlussfolgerung des indonesischen Wirtschaftsministers im Januar: Hier wird massiv betrogen, indem der Abfall mit rohem Palmöl verschnitten wird. Der Betrug lohnt sich doppelt: In der EU fließt das billigere Palmöl damit weiterhin mit hohen Preisaufschlägen (wegen Doppelanrechnung) in den Biosprit. Und Indonesien verliert Steuereinnahmen, denn für reines Palmöl gilt ein Exportzoll von 12 %, Palmölabfälle sind steuerfrei.
Rohstoffe werden kurzerhand umdeklariert
POME steht auch weiterhin auf der Liste der besonders geförderten Rohstoffe für fortschrittliche Biokraftstoffe. Aber immerhin wird in Deutschland POME nicht mehr doppelt auf die THG-Quote angerechnet. Damit ist deren Einsatz im Biodiesel weitgehend uninteressant.
Geholfen hat das aber nichts. Denn seit Mitte 2023 kommt zwar kein POME mehr in die EU, dafür aber »Fettabscheiderinhalt«. Das ist exakt dasselbe, nur ein anderer Name und steht auf der Liste der Rohstoffe für besonders fortschrittliche Kraftstoffe – wird also doppelt auf die THG-Quote angerechnet. Bis Mitte 2023 hat die EU keinen »Fettabscheiderinhalt« importiert, dafür POME. Pünktlich ab August 2023 hat die EU kein POME mehr importiert, dafür aber »Fettabscheiderinhalt«.
Solche Umdeklarationen gab es auch schon 2022, als Biodiesel aus Lebensmittelabfällen von der Liste gestrichen wurde und nur einen Monat später sich der Import von Biodiesel aus POME verdoppelte. Fragt man Experten, wie sich solche Betrugsfälle verhindern lassen, bekommt man immer wieder die gleiche Antwort: Die Doppelanrechnung ist das Problem.