
Bewegungsbuchten. Was ist der beste Kompromiss?
Mehr Bewegungsfreiheit für Sauen erfordert eine grundlegende Umstrukturierung der Abferkelbucht. Welche Herausforderungen das beim Bauen mit sich bringt und wie sich die Bedürfnisse von Sau, Ferkel und Mensch am besten vereinbaren lassen, haben wir Wilfried Brede und Eckhard Meyer gefragt.
Zu Beginn der Diskussion um mehr Bewegungsfreiheit für die Sau im Abferkelbereich wurden hohe Erdrückungsverluste befürchtet. Wie sieht das heute aus?
Meyer: Die letzten Jahre haben eine Reihe von Erkenntnissen gebracht, wie Bewegungsbuchten aussehen müssen, um eklatant höhere Erdrückungsverluste zu vermeiden. Denn es besteht bei geöffnetem Ferkelschutzkorb eindeutig ein größeres Risiko. Insbesondere Roll-Bewegungen der Sau im Liegen, aber auch das Aufstehen und Abliegen in Buchtenbereichen, in denen der Boden für die Sau keine optimale Standfestigkeit bietet, sind kritisch für die Ferkel. Allerdings sind die Säugezunahmen in Bewegungsbuchten oft besser. Bei optimaler Gestaltung und gutem Management sind die Leistungen mit den bisherigen Buchten vergleichbar.
Welche der gesetzlichen Vorgaben, die ab 2036 für Abferkelbuchten gelten, sind für die Praxis besonders herausfordernd?
Meyer: Für viele Betriebe wird die fünftägige Verschlusszeit ein Problem sein. Da der Geburtsbeginn nicht sicher vorhersehbar ist, schließt man den Korb rechtzeitig. Diese Verschlusszeit fehlt dann in der für Erdrückungen besonders kritischen Phase in den Tagen nach der Geburt.
Brede: Die Bandbreite der Erfahrungen ist allerdings groß. Einige Betriebe berichten von besseren Ergebnissen, wenn der Korb während der Geburt offen bleibt, da dies weniger Probleme mit MMA und kürzere Geburten zur Folge haben kann.
Ein entscheidender Punkt ist die Buchtengröße. Gesetzlich sind 6,5 m2 vorgeschrieben. Aber in Kombination mit den Ausführungshinweisen zur Nutztierhaltungsverordnung, in der ein fachlich umstrittener Wendekreis von einer »Sauenlänge« gefordert wird, ergibt sich sogar ein Bedarf von 7,5 m2. Das treibt die Kosten.
Meyer: Allerdings steht ebenfalls in den Ausführungshinweisen, dass Hindernisse, die mit erhobenem Kopf umgangen werden können, nicht als Einschränkungen des Wendekreises zählen. Daher kann in Schnauzenhöhe und nicht am Boden gemessen werden, was mehr Flexibilität bei der Gestaltung bedeutet. Es lohnt sich übrigens unter Umständen, die durchschnittliche Länge der Sauen einzelbetrieblich herzuleiten. Denn es gibt Sauenherkünfte, die deutlich kürzer sind als die in den Ausführungshinweisen unterstellten 193 cm. Im Einzelfall könnte das eine Lösung sein, was die Größe der Buchten angeht.
Zum hohen Platzbedarf einer Bewegungsbucht trägt auch das Ferkelnest bei.
Meyer: Ja. Wir haben über das Liegeverhalten der Saugferkel einen Platzanspruch von 0,09 m2 je Absetzferkel hergeleitet. Bei 14 Ferkeln ergibt das rund 1,2 m2 für das Nest. Diese Größe lässt sich in einer Bewegungsbucht gerade so unterbringen. Die Ausführungshinweise fordern für 14 Ferkel jedoch eine Nestgröße von 1,8 m2. Eine Bewegungsbucht mit so viel geschlossener Fläche außerhalb des Aktionsradius der Sau müsste weit über 8 m2 groß sein. Es ist daher ratsam, das Veterinäramt frühzeitig in die Planung einzubeziehen. Da die Ausführungshinweise lediglich Empfehlungen sind und im Gesetz keine spezifische Größenvorgabe für das Ferkelnest gemacht wird, sind einige Veterinärämter offen für praxisnahe Lösungen.
Abferkelbuchten müssen sich an den Ferkelverlusten messen lassen. Wie sollte eine Bewegungsbucht aussehen, um das Erdrückungsrisiko zu minimieren?
Meyer: Es ist entscheidend, dass die Sauen die vorgesehene Stand- und Liegefläche nutzen, da nur dieser Bereich die notwendige Standfestigkeit bietet und so ein umsichtiges Abliegeverhalten ermöglicht. Dies gibt den Ferkeln Zeit, aus dem Gefahrenbereich zu entkommen. Eine längliche Form der Bucht unterstützt diese Verhaltensweise. Die Diskussion um den Wendekreis hat jedoch zu quadratischen Buchten geführt. Für niedrige Ferkelverluste sollten die Buchten aber mindestens 1,5-mal so lang wie breit sein, um die Sau zur vorgesehenen Standfläche zu lenken.
Hier kommt also die Fußbodengestaltung ins Spiel.
Meyer: Und dabei sind auch noch die meisten Hausaufgaben zu erledigen. In Bewegungsbuchten wird ein Großteil der Bodenfläche gemeinsam von der Sau und den Ferkeln genutzt, was Kompromisse erfordert. Metallböden bieten eine besonders hohe Standsicherheit und sind berührungskalt, sodass Ferkel sich wie gewünscht ins Nest legen. Insbesondere Dreikantstahl birgt jedoch ein hohes Verletzungsrisiko.
Brede: Eine Alternative sind Gussroste, wie sie bereits unter der Sau verwendet werden. Da diese aber nur bis 1,2 m Länge verfügbar sind, sind für größere Flächen zusätzliche Unterzüge notwendig. Das ist teuer. Einige Betriebe in Süddeutschland orientieren sich am Schweizer System: Etwa die Hälfte der Bucht ist planbefestigt, der hintere Bereich besteht aus Dreikantstahl, der große Vorteile hinsichtlich der Sauberkeit hat. Entscheidend ist, ob es gelingt, dort den Kotbereich zu etablieren und die festen Flächen sauber zu halten. Kontaktgitter zur Nachbarbucht können das unterstützen.
Was hat sich bei der Gestaltung des Ferkelschutzkorbs bewährt?
Meyer: Idealerweise nutzt die Sau den geöffneten Ferkelschutzkorb als Stütze beim Ablegen. Dies sollte bei der Buchtenplanung berücksichtigt werden. Aufgrund der Größenunterschiede zwischen Alt- und Jungsauen sind verstellbare Körbe wichtig. Bewährt haben sich Körbe, die nur vorne abgestützt und hinten freitragend sind, da hintere Stützen das Risiko von Erdrückungen und Nabelverletzungen erhöhen.
Wie stark beschäftigen sich Sauenhalter aktuell mit baulichen Änderungen im Abferkelstall? Die Frist läuft ja erst 2036 ab.
Brede: Nach wie vor wird wenig in die Sauenhaltung investiert. Die Investitionen, die ich derzeit im Bereich der Abferkelung begleite, sind oft Neubauten. Denn die neuen Buchtenformate sind in bestehenden Ställen schwer umsetzbar, besonders wegen der ungünstigen Lage der Güllekanäle. Die Betriebe beginnen daher mit dem Neubau des Abferkelstalls, um das frei werdende Altgebäude später zum Deckzentrum umzubauen. Da die Gruppenhaltung im Deckzentrum bis Februar 2029 umgesetzt sein muss, wird die Zeit knapp, eine Genehmigung für den Neubau der Abferkelung zu bekommen, diese umzusetzen und auch den Umbau des Deckbereichs fertigzustellen. Ein Bauantrag kann sechs bis neun Monate dauern, und Fristverlängerungen sind selten.
Wo lassen sich in der Planung Vorteile für die Arbeitswirtschaft rausholen?
Brede: Da die Arbeitszeit knapper wird, plane ich Ställe so, dass Roboter die Reinigung übernehmen können. Dafür braucht man möglichst lange Abteile. Das lässt sich nur in Neubauten realisieren. Zudem würde ich den Futtertrog am Gang platzieren, da die Trogkontrolle und eine entsprechende Steuerung der Futtermenge für den Erfolg entscheidend ist.
Meyer: Der Trog gehört in der Tat an den Gang, da er täglich überwacht werden muss. Einige Ausrüster versuchen zusätzlich, auch das Ferkelnest dort zu platzieren. Das ist zwar arbeitswirtschaftlich optimal. Es besteht dadurch aber die große Gefahr, dass die erforderlichen Fluchträume ringsherum eingeschränkt und eher ungünstige quadratische Bauformen der Buchten entstehen. Daher würde ich das Nest an eine andere Stelle verlegen.
Mit welchen Investitionskosten muss man im Abferkelbereich derzeit kalkulieren?
Brede: Neubauten können schnell 15 000 €/Abferkelplatz kosten. Wenn In-frastrukturen wie Güllelager oder Fütterung bereits vorhanden sind, kann es etwas günstiger sein. Mit 12 500 €/Platz muss man meiner Erfahrung nach aber mindestens rechnen.
Und bei Umbauten?
Brede: Da ist es oft schwierig, überhaupt einen sinnvollen Plan zu erstellen, da das Entmistungssystem auch mit Beschäftigungs- und Nestbaumaterial funktionieren muss. Der Aufwand bleibt also nicht auf die Stallebene beschränkt, sondern Investitionen in das Güllesystem werden nötig. Das ist im bestehenden Gebäude teurer.
Meyer: Das ist ein ganz wesentlicher Punkt: Das Angebot von Nestbaumaterial ist in der Nutztierhaltungsverordnung festgeschrieben und nicht »nur« ein Vorschlag in den Ausführungshinweisen. Derzeit werden häufig Jutesäcke eingesetzt. Das ist aber eine vorübergehende Ausnahme, die das Gesetz vorsieht, so lange das Güllesystem in bestehenden Ställen mit Stroh nicht klarkommt. Nach Neu- bzw. Umbau muss das Haltungssystem mit Stroh in entsprechender Menge fertig werden.
Halten Sie Bewegungsbuchten für eine Übergangslösung hin zu Freilaufbuchten oder der Abferkelung in Gruppen?
Brede: Jede Bewegungsbucht ist auch eine Freilaufbucht, und es besteht kein Zwang, den Ferkelschutzkorb fünf Tage geschlossen zu halten. Der Korb ist aber entscheidend für den Arbeitsschutz. Freilaufbuchten ohne Fixiermöglichkeit sehe ich daher nicht als Zukunftsmodell.
Meyer: Zudem wissen wir, dass Bewegungsbuchten den Sauen einen Mehrwert bieten. Sie nutzen die Freiheit, nehmen mehr Übergangshaltungen ein und sind aufmerksamer. Der Platzbedarf für eine solche Bucht ist durch die aktuellen Vorgaben einigermaßen klar. Daran hapert es allerdings bei anderen Haltungsverfahren. Insbesondere das Gruppensäugen erfordert definitiv noch mehr Platz.