Applikationstechnik. Ein Praxistest
Disteln teilflächenspezifisch in Zuckerrüben bekämpfen – das ist das Paradebeispiel fürs Spotten. Aber welche technischen Herausforderungen bestehen in der Praxis bei der drohnengestützten Erstellung von Applikationskarten? Und wie viel spart man damit konkret? Jonas Eckei stellt Projektergebnisse vor.
Die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln (PSM) bleibt eines der zentralen Ziele der europäischen und nationalen Agrarpolitik. Mit der Farm-to-Fork-Strategie der EU und dem Zukunftsprogramm Pflanzenschutz des BMLEH sollen der Einsatz und das Risiko chemischer PSM bis 2030 um 50 % gesenkt werden. In der Praxis ist das jedoch schwer zu erreichen. Der PSM-Verbrauch in Deutschland stagniert seit Jahrzehnten bei rund 30 000 t Wirkstoff pro Jahr.
Ein vielversprechender Ansatz zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln ist die drohnengestützte Erstellung von Applikationskarten. In dem durch die Pflanzenbauberatung der LWK NRW initiierten Projekt »Distel-Drohne 2025« wurde sie in zwei Beratungsregionen getestet. Wie praxistauglich ist das Verfahren zur teilflächenspezifischen Distelbekämpfung in Zuckerrüben tatsächlich?
Das Verfahren
Um drohnengestützte Applikationskarten zu erstellen, werden landwirtschaftliche Flächen mit Drohnen überflogen, die hochauflösende, georeferenzierte Bilder aufnehmen. Mithilfe KI-gestützter Algorithmen werden diese anschließend auf das Vorkommen bestimmter Unkräuter – im Projekt speziell der Ackerkratzdistel – analysiert. Um jede erkannte Pflanze wird eine Applikationszone definiert und in eine Applikationskarte überführt. Mithilfe dieser Karte und einer ISOBUS-fähigen Pflanzenschutztechnik kann anschließend das Unkraut bekämpft werden. Das Verfahren ermöglicht eine punktgenaue Ausbringung von Herbiziden. Dadurch werden nicht nur PSM gespart, sondern auch Kulturschäden und Umweltbelastungen reduziert.
Damit ein landwirtschaftlicher Betrieb dieses Verfahren erfolgreich anwenden kann, müssen aber bestimmte technische Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist eine ISOBUS-fähige Pflanzenschutzspritze erforderlich, die eine Teilbreitenschaltung von mindestens 3 m oder kleiner ermöglicht. Auch das verwendete Terminal muss bestimmte Anforderungen erfüllen. Es muss ISOBUS-kompatibel sein und die Funktionen »Section Control« (automatisches Schalten von Teilbreiten) sowie »Geo-based« (ortsbezogene Datenverarbeitung) unterstützen. Für eine exakte
Positionierung der Applikation ist ein GPS-Signal unerlässlich. Bei einer Einzeldüsenschaltung wird ein RTK-Korrektursignal empfohlen.
Für den Einsatz von Drohnen zur Applikationskartierung gelten bestimmte gesetzliche Vorgaben. So müssen z. B. Abstände zu Hindernissen wie Hochspannungsleitungen oder Autobahnen eingehalten werden. Zudem können Flugverbotszonen, z. B. in der Nähe von Flughäfen, den Drohneneinsatz einschränken. In solchen Fällen sind Genehmigungen durch die zuständigen Behörden erforderlich. Eine frühzeitige Prüfung der Flächenlage ist daher unerlässlich, um Einschränkungen zu vermeiden. In unserem Projekt hat der Dienstleister diese Prüfung übernommen.
Das Projekt »Distel-Drohne 2025«. Das Verfahren wurde im Frühjahr 2025 im Rahmen eines Pilotprojekts in der Beratungsregion Bergisches Land und Südwestfalen getestet. 18 landwirtschaftliche Betriebe mit insgesamt 29 Zuckerrübenschlägen (256 ha) nahmen daran teil. Die technische Umsetzung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Dienstleister SAM-Dimension, der die Drohnenflüge, die Bildauswertung und die Kartenerstellung übernahm.
Die teilnehmenden Betriebe stellten ihre Technikdaten und Flächeninformationen zur Verfügung, erhielten Testkarten zur Vorbereitung und führten die Applikation auf Basis der erstellten Karten eigenständig durch. Im Anschluss wurden die Erfahrungen ausgewertet.
Technik und Einarbeitung
Die Anwendung des Verfahrens verlief in den meisten Projektbetrieben ohne größere Schwierigkeiten. Allerdings stellt die technische Umsetzung Betriebe, die bislang noch keine Erfahrung mit Applikationskarten gesammelt haben, vor Herausforderungen. Es kann sowohl bei der Übertragung von Daten auf das vorhandene Terminal als auch bei der individuellen Einstellung der Spritztechnik haken.
Grundsätzlich ist das Verfahren auch mit älteren Pflanzenschutzspritzen umsetzbar, allerdings sind in diesen Fällen meist umfangreichere manuelle Einstellungen erforderlich. Je moderner die Technik ist, desto einfacher und reibungsloser lässt sich das Verfahren integrieren. Dabei kommt es viel mehr auf die technischen Möglichkeiten des Terminals als auf Einzeldüsenschaltungen und RTK-Signale an.
An dieser Stelle ist ein Appell an die Landtechnik-Hersteller angebracht: Um zukunftsweisende Technologien wie den Einsatz von Applikationskarten im Pflanzenschutz erfolgreich in die landwirtschaftliche Praxis zu integrieren, ist eine enge Zusammenarbeit mit der Landtechnikbranche unerlässlich. Die technische Infrastruktur muss so gestaltet sein, dass sie diese Anwendungen unterstützt – und zwar herstellerübergreifend. Moderne Pflanzenschutzspritzen und Terminals sollten standardmäßig mit Komponenten ausgestattet sein, die die Anforderungen digitaler Applikationsverfahren erfüllen. Besonders im Bereich der Terminals darf die Nutzung von Applikationskarten nicht von zusätzlichen Softwarefreischaltungen abhängen. Solche Hürden – seien es technische Einschränkungen oder versteckte Zusatzkosten – bremsen den benötigten Fortschritt in der Agrartechnik unnötig aus. Ein offener, standardisierter und anwenderfreundlicher Zugang zu digitalen Technologien ist entscheidend, um Präzision, Effizienz und Nachhaltigkeit im Pflanzenschutz weiter voranzubringen.
Bereits mit einer Teilbreitenschaltung von 3 m konnten im Projekt hohe Einsparungen erzielt werden. Der Schritt zur Einzeldüsenschaltung bringt zwar ein zusätzliches Reduktionspotential, dieses fällt jedoch geringer aus, als häufig angenommen. Für bedeutende Einsparungen ist also keine High-End-Technik notwendig: Auch mit einer Standardausstattung ließen sich im Projekt Einsparungen von 70 bis 80 % erzielen.
Wichtig ist, dass sich Landwirtinnen und Landwirte frühzeitig mit ihrer Technik auseinandersetzen. Wegen der Vielzahl an Systemen und Softwareversionen ist eine pauschale Aussage zur Umsetzbarkeit kaum möglich. Ein enger Austausch mit den jeweiligen Technik-Händlern ist daher unerlässlich. Im Projekt wurden zur Vorbereitung Testkarten versendet, mit denen die Applikation vorab simuliert werden konnte – ein Schritt, der dringend empfohlen wird, um spätere Probleme zu vermeiden.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Organisation rund um die Drohnenflüge. Die Termine für die Überfliegung der Flächen müssen möglichst nah am optimalen Behandlungstermin liegen und gleichzeitig frühzeitig festgelegt werden, damit der Dienstleister die Einsätze planen kann. Das erfordert viel Abstimmung und Planung seitens der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter.
Wirtschaftlichkeit
Die Wirtschaftlichkeit ist ein zentrales Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen neue Verfahren. Auch beim Einsatz drohnengestützter Applikationskarten stellt sich die Frage: Lohnt sich der Mehraufwand? Der finanzielle Nutzen des Verfahrens ergibt sich im Wesentlichen aus den Einsparungen bei den Pflanzenschutzmitteln und der Vermeidung von Kulturschäden.
Bei der Einsparung von PSM können im Projekt je nach Unkrautsituation und verfügbarer Technik etwa 75 bis 85 % im Vergleich zu einer ganzflächigen Behandlung veranschlagt werden und etwa 30 % gegenüber einer manuellen Teilflächenbehandlung. Gegenüber einer manuellen Teilflächenbehandlung bietet das Verfahren den wesentlichen Vorteil des meist viel besseren Behandlungserfolgs. Die Gewichtung der PSM-Einsparungen hängt in erster Linie von den Kosten der verwendeten PSM ab. Außerdem ist entscheidend, ob durch die mehrjährige Verwendung der Applikationskarte oder den hohen Behandlungserfolg und den dadurch bedingten Verzicht auf eine Behandlung im Folgejahr erneut PSM eingespart werden können.
Ein weiterer Faktor ist der Ertragseffekt, der durch die reduzierten Kulturschäden entsteht. Hierbei ist die Herbizidempfindlichkeit der Kultur der zentrale Punkt.
Auf der Kostenseite stehen die Aufwendungen für die Applikationskarte, die je nach Kultur zwischen 15 und 35 €/ha
liegen. Dazu kommt der Zeitaufwand für die Anwendung der Applikationskarte und gegebenenfalls die Einstellung oder Neuanschaffung technischer Komponenten.
Die Nutzung drohnengestützter Applikationskarten wird besonders wirtschaftlich, wenn durch die präzise und wirksame Behandlung eine Wiederholung im Folgejahr vermieden werden kann. Zwei Betriebe im Projekt berichteten, dass nach der Anwendung keine Distelbehandlung in der Folgekultur (z. B. Winterweizen) mehr notwendig war. Dadurch konnten weitere Kosten für Pflanzenschutzmittel (z. B. für Ariane C) sowie Überfahrtskosten eingespart werden – insgesamt rund 45 €/ha. Über zwei Jahre gerechnet ergibt sich so ein finanzieller Vorteil von etwa 250 € gegenüber der manuellen Teilbehandlung.
Insgesamt zeigt sich: Das Verfahren ist zwar mit einem gewissen Initialaufwand verbunden, bietet aber bei richtiger Anwendung und geeigneter Flächenstruktur klare wirtschaftliche Vorteile – besonders bei hohem Unkrautdruck, teuren Pflanzenschutzmitteln und dem Ziel einer nachhaltigen Fruchtfolgegestaltung.
Standpunkt: Zulassungsrecht anpassen bei teilflächenspezifischer Behandlung!
Aktuell gilt die maximal zugelassene Aufwandmenge eines Pflanzenschutzmittels (PSM), die in l/ha angegeben wird, für jeden m² eines Schlages – egal ob der gesamte Schlag oder nur eine Teilfläche behandelt wird. Im Fall der Distelbekämpfung mit dem Herbizid Vivendi, das für die Bekämpfung von Disteln in Zuckerrüben verwendet wird, bedeutet dies eine maximale Aufwandmenge von 1,2 l/ha und 0,12 ml/m². Den besonderen Bedingungen teilflächenspezifischer Verfahren wie der drohnenbasierten Applikationskarte wird diese Regel nicht gerecht.
Die Distel verbreitet sich nicht nur durch Samen, sondern auch über Wurzelausläufer. Dabei entstehen die berühmten Distelnester. Eine Behandlung mit der zugelassenen Maximalmenge verhindert zwar die Samenbildung und damit die massenhafte Vermehrung, führt jedoch häufig nicht zum vollständigen Absterben der Pflanze. Die Folge: Im nächsten Jahr wachsen in denselben Nestern erneut Disteln, die wiederum behandelt werden müssen. Wird hingegen innerhalb der Applikationszonen eine erhöhte Aufwandmenge – etwa 2 l/ha Vivendi – eingesetzt, sterben häufig auch die Wurzelausläufer ab. Die Disteln werden nachhaltig bekämpft und eine Wiederholung der Maßnahme im Folgejahr ist nicht notwendig.
Trotz der erhöhten Aufwandmenge in den Behandlungszonen bleibt die absolut ausgebrachte PSM-Menge auf den gesamten Schlag gesehen deutlich unter der einer flächendeckenden Behandlung mit 1,2 l/ha. Über die gesamte Fruchtfolge hinweg kann so die eingesetzte PSM-Menge signifikant reduziert werden.
Daher empfiehlt sich eine Anpassung der Zulassungsbedingungen für PSM, die eine höhere Aufwandmenge innerhalb präzise definierter Behandlungszonen erlaubt, sofern die Gesamtmenge je Hektar unter der zugelassenen Maximalmenge bleibt. Dies würde nicht nur die ökologische Wirkung des Verfahrens verbessern, sondern auch wirtschaftliche Vorteile schaffen: Neben den PSM-Kosten könnten auch Überfahrten eingespart werden – ein Gewinn für Umwelt, Betrieb und Gesellschaft.