Portrait. Wir lösen Unkrautprobleme abseits des Ackers
Unkräuter in Druschfrüchten bereiten Alexander Rusch keine Sorgen – die kriegt er rausgereinigt. Bis zum Farbausleser schöpft er technisch aus dem Vollen und will andere Landwirte ermutigen, Bestände nicht vorschnell aufzugeben. Wir haben ihn besucht.
Familie Rusch aus Rietzel ist für ihre Kombination aus biologischem Ackerbau und regenerativen Praktiken über Sachsen-Anhalt hinaus bekannt, mit ihrer Getreidelagerung und -aufbereitung hingegen bisher nur beim Bio-Handel. »Der Öko-Getreidehandel ist mit Abstand unser größter Kunde. Hin und wieder beobachten wir aber auch seitens unserer Berufskollegen ein Interesse an diesen Dienstleistungen und denken beispielsweise darüber nach, ihnen ein foto-basiertes Tool anzubieten, mit dem wir aus der Ferne eine erste optische Beurteilung ihrer Rohware vornehmen könnten. Das würde ihnen bei der Vermarktung helfen«, erklärt Alexander Rusch. Er kann sich außerdem vorstellen, dass die Getreideaufbereitung zukünftig auch für konventionelle Landwirte interessant wird: »Während die Aufbereitung im Ökolandbau quasi obligatorisch ist, nutzen die konventionellen Kollegen diese Option bisher selten. Bei den aktuellen Erzeugerpreisen erwarte ich hier auch kurzfristig keine Änderung, denke aber, dass sich die Aufbereitung von alternativen, anbauwürdigeren Kulturen auch im konventionellen Bereich lohnen kann.«
Ökologisch betriebener Familienbetrieb seit 2000
Den Familienbetrieb »Lindenhof« führt er zusammen mit seiner Frau Constanze – beide haben in Göttingen Landwirtschaft studiert – und seinem Vater Gebhard. Drei Betriebszweige prägen den Hof: 600 ha biologisch-regenerativer Ackerbau, die Öko-Getreidegesellschaft mit Lagerung und Aufbereitung von Druschfrüchten aller Art – zukünftig auch in Saatgutqualität – und die Produktion von Dinkelspelzpellets als Einstreu für Tiere und Trockentoiletten.
Bereits seit dem Jahr 2000 wird auf dem Lindenhof ökologisch gewirtschaftet, seit 2023 nach Naturland-Standards. Da der Ökohandel stark auf Fremdlager setzt, richtete Gebhard Rusch bereits 2010 ein erstes Öko-Getreidelager in Rietzel ein, ergänzt durch einen zweiten Standort im benachbarten Stresow. Mit 25 000 t Kapazität wird Konsumware im Auftrag des Handels eingelagert und »just in time« für die Weiterverarbeiter aufbereitet. Geplant ist der Bau von Silos für weitere 5 000 t.

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Die Rohware kommt in der Regel direkt vom Feld und wird als erstes einer Laborprüfung auf Qualität und Zusammensetzung unterzogen. »Weichen die Werte zu stark von der kontraktierten Qualität ab, schauen wir, was wir machen können«, erklärt Alexander Rusch. Parameter wie Fallzahl, Hektolitergewicht oder Proteingehalt lassen sich durch Mischen anpassen – sofern passende Ware verfügbar ist. »Im Roggen beispielsweise hat die Ware oft zu hohe Fallzahlen, weshalb wir selbst mittlerweile ältere Sorten anbauen, die weniger fallzahlstabil sind. Und, so ärgerlich die Niederschläge in der diesjährigen Ernte waren, sorgen sie doch für niedrige Fallzahlen im Roggen. Hafer und Gerste litten dagegen unter acht Wochen Frühjahrstrockenheit und sind deutlich zu leicht. Dafür zeigen Dinkel und Weizen gute bis sehr gute Proteinwerte«, lautet Ende Juli sein erstes Zwischenfazit zur Ernte.
Problem: Trockenheit
Die Trockenheit verschärfe ein weit verbreitetes aber unterschätztes Problem – Schwefelmangel im Boden. »Egal ob langjährig ökologisch bewirtschaftet oder frisch aus konventioneller Nutzung übernommen – dieser Mangel ist in allen Kulturen sichtbar und wird in der konventionellen Praxis durch mineralische Düngung lediglich kaschiert«, meint Alexander Rusch. Fehle Schwefel, könne die Pflanze den Stickstoff nicht aufnehmen und er werde zu Nitrat umgewandelt. »Das erkenne ich an der deutlichen Zunahme nitratliebender Unkräuter, v. a. die Distel«, argumentiert er. Ihre Samen, aber auch Verunreinigungen mit anderem Schwarzbesatz, Mutterkorn, Fremdgetreide oder Schädlingen können der Grund sein, weshalb Rohware vom Handel gestoßen wird. Das ließe sich aber in den meisten Fällen verhindern, betont Rusch.
Zur Auswahl steht eine mehrstufige Reinigung: Siebreiniger, Trieur, Entweser, Dinkelschäler und seit 2021 ein Farbausleser für die Feinreinigung. Vieles wie Schmachtkorn, Strohreste oder Distelköpfe entfernt bereits die Siebreinigung, für Wicke, Klette, gebrochenes Mutterkorn oder Fremdgetreide ist der Farbausleser nötig. Ebenso trennt er Mischungspartner aus dem Gemengeanbau. »Ohne diese Technik würde Ware an uns vorbeifahren«, gibt Rusch zu bedenken und erklärt: »Seit der Ökolandbau keine Nische mehr ist können sich die Verarbeiter die Qualitäten aussuchen – auch dank hochwertiger EU-Importware.« Entsprechend hoch sind die Anforderungen.
Direktkontakt zu Landwirten
In guten Jahren schlägt die Getreidegesellschaft bis zu 30 000 t um, davon rund 10 % über den Farbausleser. »Da ist noch Luft nach oben«, weiß Alexander Rusch. Mehr Auslastung erhofft er sich künftig durch alternative Kulturen, auch aus konventionellem Anbau. Nur bestehen bisher kaum direkte Kontakte zu Landwirten. Die Dienstleistungsvermarktung läuft fast vollständig über den Handel. Constanze Rusch entwickelt daher ein Marketingkonzept, um Landwirte im Nordosten Deutschlands direkt anzusprechen. »Wir wollen unsere Dienstleistungen zusätzlich selbst vermarkten und nicht allein darauf setzen, dass der Händler den Landwirt überzeugt«, betont sie.
Je nach Ausgangsqualität variieren die Aufbereitungskosten: Die Siebreinigung gibt es ab 14 €/t, die Feinreinigung mit Farbausleser kostet 35–55 €/t. »Bei den aktuellen Erzeugerpreisen lohnt sich für konventionelle Betriebe teils nicht einmal die Mutterkornreinigung. Bei Kichererbsen hingegen, mit 1 700–1 800 €/t und kaum chemischen Pflanzenschutzoptionen, rentiert sich selbst die Feinreinigung«, rechnet Rusch vor.
Er setzt deshalb auf feinkörnige Leguminosen und erstmals Hirse: »Goldhirse ist anbauwürdiger als Sommerhafer, der bei Frühsommertrockenheit zu leicht wird, oder grobkörnige Leguminosen, die in der Blüte vertrocknen. Hirse wird im Juni gesät, ist trockenheitstolerant, genügsam, liefert getreideähnliche Erträge und erzielt hohe Preise. Sie ist schwierig in der Bestandesführung, dank Farbausleser ist das aber kein Problem.«
Leider würden solche Kulturen oft vorschnell gemulcht oder in der Biogasanlage verwertet. »Dabei bieten sie auch konventionellen Betrieben Chancen und lassen sich mit professioneller Aufbereitung zum Erfolg führen«, ist Rusch überzeugt.